Europa – die Fortsetzung der alten Geschichte # 57
Europa gelingt mit einer List das Unfassbare
„Europa! Wie schön, dass du kommst – ich wusste es, ich wusste es!“ flüstert Archaikos ihr ins Ohr, als er sie lustvoll begrüßt und umarmt. Dann nimmt er sie an der Hand und führt sie wortlos und fast im Laufschritt zu seinem kuppelförmigen Schlafgemach. Seine Leibwache hatte er bereits in die Vorräume verbannt. Europa lässt sich einfach mitziehen. Der Raum empfängt die beiden mit verführerischen Angeboten für die aufgeregten Sinne: drei kleine Feuer brennen in metallig glänzenden dreibeinigen Behältern, dazwischen jeweils drei Duftschalen, die sie gleich mit schwerem Mandelholzgeruch verwöhnen, und an den hohen Wänden flackern drei Fackeln und senden buntes Lichtgetanze ins umarmende Rundgemäuer und zu dem ungleichen Paar, das sich gerade auf der weiten Liege, schaffellbedeckt, niederlässt. Er will sich Zeit lassen, hat sich Archaikos in seinem Tagtraum vorgenommen, langsam will er die schöne, immer noch fremde Frau, für sich und seine sinnlichsten Phantasien gewinnen. Und sie spürt es sofort und lässt ihn gewähren. Er soll sich ganz als der Starke fühlen. Dann wird sie ihn umso leichter überraschen können mit ihrem Wunsch. Später. Sie genießt es jetzt. Seine Liebkosungen wollen keine Stelle ihrer Haut auslassen, so scheint es. Und so anders als neulich in der Höhle mit IHM…Sie spürt Archaikos hinterher und stöhnt ihn leise in immer mutigere Zärtlichkeiten. Halb entkleidet sie sich selbst, halb hilft er ihr und sich. Aber auch dann nimmt er sich Zeit. Europa staunt, wie sehr er ihr huldigt mit seinen Berührungen, die die feuchten Lippen vorantreiben. Bis sie schließlich eins werden. Wollüstig stöhnend geben sie sich dem anderen hin und vergessen dabei die Gerüche und Lichtspiele um sie herum. Umsomehr saugen sie die Düfte ihrer Körper ein und gleiten voller Lust über die immer feuchter werdende Haut. Schweratmend und mit geschlossenen Lidern, durch die immer noch ein schwacher Schimmer warmen Fackellichts sickert, lassen sie schließlich voneinander ab. Wie zwei erschöpfte Tiere liegen sie da, schwer atmend auf dem Rücken nebeneinander. Jetzt ist der Augenblick gekommen, auf den Europa gewartet hat. Sie beginnt leise zu summen. Archaikos legt sanft seine Hand auf ihre schwitzende und glänzende Haut:
„Was ist das für eine Melodie, die du da summst, Europa?“
Flüsternd hatte er diese ersten Worte nach ihrem Sinnenrauschfest ausgesprochen. Europa lässt sich lange Zeit mit Antworten. Sie dreht sich langsam zu ihm hin, stützt sich mit einem Arm ab, um ihn besser betrachten zu können. Ihn, den furchtlosen und mächtigen Minos von Kreta.
„Es ist die Melodie, zu der wir beim nächsten Vollmond vor dir tanzen werden.“
Archaikos muss lachen. Die Priesterinnen hatten ihn ja tatsächlich überredet zu diesem neuen Festtanz. Er hatte zugestimmt. Die Melodie gefällt ihm. Und er ist jetzt völlig entspannt und angenehm erschöpft.
„Stimmt. Ich bin sehr neugierig, was wir da zu sehen bekommen werden.“
Auf diesen Satz hat sie gewartet. Jetzt will sie scheinbar völlig aus dem Augenblick geboren ihm ein Versprechen entlocken, das so aussehen soll, als wäre es nur ein Spaß, ein bloßer Einfall.
„Da kommt mir ein Gedanke. Wenn er dir gefallen sollte, unser neuer Tanz (und Europa ist sich sicher, dass er es wird), dann könntest du doch einfach so – aus einer guten Laune heraus – meine Hand ergreifen und sagen: Du sollst die neue Königin an meiner Seite sein, denn so etwas Schöner habe ich noch nie gesehen.“
Jetzt richtet sich auch Archaikos auf, schaut sie völlig verblüfft an, schüttelt den Kopf, so dass Europa schon denkt, dass es schief gegangen ist, und sagt dann aber:
„Klar, warum nicht? Das verspreche ich dir.“