Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 113
Europa, die Frau des Minos von Kreta.
Die drei göttlichen Brüder, Zeus, Hades und Poseidon, tagten vergeblich auf dem Olymp. Jetzt, wo sogar Athene Europa kennt und sie sogar zu schätzen weiß, bleibt den dreien nichts anderes übrig, als dem Zufall zu überlassen, wie man dem gekränkten Gott seine Rache zuteil werden lassen könnte.
„Nur nichts überstürzen!“ lautet deshalb der bescheidene Rat von Zeus, „die Frauen auf Kreta werden sicher brauchbare Fehler machen, die wir dann nützen können.“
„Ganz bestimmt“, pflichtet ihm Poseidon bei. Selbst Hades nickt zustimmend.
„Jedenfalls darf auf keinen Fall meine Tochter Athene erfahren, dass diese Europa von mit entführt und…naja, ihr wisst schon, was ich meine“, schiebt Zeus noch leise hinterher. Er meint immer, Athene könnte lauschend hinter irgendeiner Säule stehen und mitbekommen, was sie gerade besprechen. Auch seine beiden Brüder schauen immer suchend in alle Richtungen, diese Athene geht ihnen ziemlich auf die Nerven.
Währenddessen ist auf Knossos Frühling und Festtagsstimmung:
Die Fremde – Europa – hat Zwillinge zur Welt gebracht und Archaikos, der Minos von Kreta, hat sie zur Frau genommen. Seit Wochen schenkt der Minos täglich den Kretern Wein, Brot, Musik und Spiele, aber alle warten voller Spannung auf das Tanzfest, das die jungen Priesterinnen der großen Göttin im Tempel unter Leitung der Hohepriesterin Chandaraissa und Europa aufführen wollen.
Es ist das Tagesgespräch seit Wochen. Die Aufregung ist groß. Es soll ein Fest werden, wie es noch keins auf Kreta gegeben hat. Die einen munkeln, diese Fremde, diese Europa, habe den Minos verzaubert und wolle die Herrschaft an sich reißen. Einige hätten schon Träume gehabt, in denen Archaikos meuchlings ermordet wurde, andere erzählen, diese Europa würde von einem Adler entführt werden und ihre Kinder seien von Giftschlangen gebissen worden.
„Europa, nun sag schon, wann werden wir die tanzenden Priesterinnen endlich sehen dürfen?“
Archaikos, ganz benommen von der Schönheit und Sinnlichkeit seiner neuen Frau, will es endlich wissen. Er ist ganz aufgeregt, erregt und voller innerer Unruhe. Flöten und Trommeln verschönern den sonnigen Nachmittag im Innenhof des Palastes mit gleichförmigen Melodien, der Duft von geröstetem Fleisch liegt in der Luft, das Volk genießt in vollen Zügen die Großzügigkeit ihres Minos. Da flüstert Europa ihm ins Ohr (alle können es sehen und alle würden so gerne hören, was sie da gerade sagt):
„Mein Lieber, du musst nur noch bis zum Vollmondtag warten, dann wird es in den Abendstunden im Tempel stattfinden!“
„Im Tempel?“ Archaikos ist überrascht.
„Was sagt denn die große Göttin dazu, meine Liebe?“