09 Okt

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 126

Athanamas wunderliche Seereise. Teil 1

Die Überfahrt zu dem großen Segler in der Bucht geht viel schneller, als Athanama gedacht hatte. Sie hat nämlich immer noch keine Idee, was sie dem Kapitän sagen soll, wenn er sie fragt: „Was willst du hier?“

Sie hangelt sich, so gut sie kann, an der Strickleiter hoch, klettert über die Bordkante, zieht ihr Gewand wieder ordentlich zurecht und staunt: Wo ist denn der Kapitän?

Die vier Männer haben sich blitzschnell hinter ihr aufgebaut und würden am liebsten alle gleichzeitig über die Fremde herfallen. Doch Athanama holt drohend zu Ohrfeigen aus.

Hohoho!“ grölen die vier und der Rest der Besatzung gleich mit. In diesem Augenblick aber taucht Chaturo, der Kapitän, auf. Athanamas wütender Blick kreuzt den des Kapitäns. Ein scharfer, kurzer Pfiff fährt in die Polterszene. Sofort lassen die Kerle ab von Athanama. Aufrecht steht sie da, schnaufend und wieder treffen sich die Blicke von Chaturo und Athanama. „Alle an ihre Plätze, Segel setzen, Anker lichten, aber fix!“ dröhnt die Kapitänsstimme über Deck. Die Männer kuschen wie verängstigte Tiere und stieben auseinander, als wäre ein Löwe unter die blökende Herde gefahren.

Und zu Athanama gewandt:„Folge mir, Fremde!“

Chaturo versucht bei dem schnellen Gang zu seiner großen Kajüte zu verstehen, warum die Fremde – vor allem ihr Blick – ihn so verunsichern konnte. Die Mannschaft weiß, dass er keine Frauen auf seinem Schiff duldet. Bei dieser hier möchte er aber gerne eine Ausnahme machen. Wie ist das möglich, wie kann das sein? Chaturo braucht einen klaren Kopf, unbedingt.

Als er ihr jetzt auch noch die schwere Holztür aufhält und ihren Duft an seiner Nase vorbeiziehen lässt, wird es in seinem Kopf nur noch wirrer. Dabei wollte er doch nur nach Kreta segeln, um dem Minos dort – diesem Archaikos – möglichst teuer seine Ölfässer zu verkaufen. Weiter nichts.

Athanama wundert sich in diesem Augenblick, dass sie überhaupt keine Angst verspürt. Im Gegenteil. Dieser Kapitän gefällt ihr. So wagt sie ein kleines Lächeln, setzt sich einfach auf einen der vielen Hocker und schaut Chaturo mit großen, freundlichen Augen an.

Hast du vielleicht auch einen Namen?“ fragt der Kapitän ziemlich barsch, als er sich auf seinem Kapitänsstuhl fallen lässt. Sein Kopf scheint völlig leer zu sein. Verlegen spielt er mit einem Dolch, der vor ihm auf dem Tisch liegt.

ATHANAMA!“ antwortet sie mit fester Stimme, „ich….“

Doch da unterbricht er sie einfach:„Athanama? Nie gehört. Warst du an den ehemaligen königlichen Hof in Sidon als Sklavin verkauft worden?“

Nein, ich bin die Freundin von Europa, des toten Königs Agenors Tochter, und war auch Priesterin dort gewesen.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert