Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 158
Europa und Archaikos sprechen mit den Zwillingen.
Mit vielen Kissen im Rücken sitzt der Minos von Kreta in seinem breiten Bett und versucht zu lächeln. Europa, seine wunderbare Frau, und die beiden Söhne, Parsephon und Samadanthys, um ihn geschart, halb stehend, halb kniend, halb am Bettrand abgestützt, versuchen zu verstehen, was Archaikos gerade stotternd flüstert:
„Der Traum, der Traum hat mich…“ er muss heiser husten, schließt die Augen, schüttelt den Kopf, während seine Hand die von Europa sucht, zitternd.
„Schone dich, mein geliebter Mann, schone dich!“ versucht Europa tröstend beizuspringen.
„Vater, was soll geschehen, wenn es soweit ist?“ Parsephon stellt die entscheidende Frage. Erschrockene Blicke gegen hin und her. Sollen sie jetzt den Sterbenden so bedrängen? Bringen sie so nicht nur das Ende noch schneller herbei? Oder ist es doch richtig, jetzt diese Frage zu stellen? Archaikos erlöst die Verunsicherten:
„Lasst Europa euer Vormund sein, bis eure Zeit gekommen ist. Und dann…“
Wieder versagt dem Minos seine Stimme. Aber er öffnet doch erneut seine Augen, tränenschwer, und fährt dann so fort:
„Parsephon, Samadanthys – teilt euch das hohe Amt. Zu zweit werdet ihr die bösen Absichten des Rats der Alten abwehren können, zu zweit seid ihr doppelt so stark. Das wünsche ich mir.“
Die Zwillinge sind sprachlos. Zusammen? Das hat es noch nie gegeben. Sofort gehen ihnen viele Einwände durch den Kopf. Aber jetzt dem Vater widersprechen? Nein, das können sie nicht. Auch Europa ist völlig ergriffen von diesem entscheidenden Moment. Sie und Archaikos hatten oft lachend so einen Plan erwogen – schon vor Jahren – aber es blieb immer offen, wie ernst sie es denn damit nehmen würden, wenn es ansteht. Und jetzt steht es an und Archaikos hat es klar ausgesprochen: Eine Doppelspitze soll es sein.
Und schon kommt der Augenblick, den sie alle fürchten: Archaikos holt noch einmal tief Luft, wirft einen Blick in die Höhe – was sucht er da? – und sackt dann langsam in sich zusammen. Eine Atem raubende Stille erfasst Europa und ihre beiden Söhne. Tränenschwer ringen sie um Fassung. Umsonst.
„Es ist soweit.“ Europa steht als erste auf. Sie weiß, dass die nächsten Stunden für sie und die Zwilligen entscheidend sein werden.