Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 77
Nach dem misslungenen Attentat bleibt nur die Flucht
„Wir müssen abhauen. Sardonios wird uns abmurksen lassen.“
Nemetos‘ Stimme zittert leicht. Thortys ist sprachlos. Der große Tempel der großen Göttin scheint sie zu erdrücken. Beklemmungen überfallen sie, die Augen wandern unruhig hin und her. Die Tänzerinnen sind alle weg, auch Sarsa und Belursa waren kopfschüttelnd und lachend davon gerannt. Sie haben ja keine Ahnung, warum Nemetos und Thortys hier her gekommen waren. Aber Europa lebt. Und die beiden unfähigen Attentäter sind eigentlich schon tot. So jedenfalls fühlen sie sich. Abhauen. Ja, abhauen, das ist die einzige Möglichkeit, die ihnen bleibt. Jetzt. Sofort. Ohne Abschied. Ohne alles. Einfach weg. Aber wohin?
„Am Ende der Insel, im Westen, hat ein Onkel von mir eine Schafherde. Dort könnten wir uns erst einmal verstecken. Dann mit einem Boot weiter nach Westen. Was meinst du?“
Nemetos schaut seinen Freund fragend an. Thortys fällt aus allen Wolken.
„Was? Bist du verrückt? Das schaffen wir bestimmt nicht.“
„Gut, dann geh ich allein. Ich hatte neulich in einem Traum so ein Bild von einer wilden Gegend, die ich nicht kenne. Das war bestimmt ein Hinweis der Götter an mich.“
Nemetos wendet sich zum Gehen. Thortys schaut hinterher. Die Angst kriecht in ihm hoch wie eiskalter Wind. Ratlos steht er da. Er stellt sich Sardonios, den Herrn der Listen und Namen, vor, wie der ihn fertig macht, tritt, schlägt, niedersticht.
„So warte doch, he, Mann, warte doch!“ ruft er laut, als er nun doch hinter Nemetos herläuft.
Währenddessen wartet Sardonios im Palast der vielen Räume auf Nachricht, dass Europa getötet wurde und zwei verdächtige festgenommen worden seien. Aber da kommen keine Nachrichten. Im Gegenteil. Es klopft an seiner Tür. „Ja!“ ruft er unwirsch und staunt, dass es einer der Diener von Archaikos ist, der eintritt.
„Der Minos von Kreta wünscht Dich umgehend zu sprechen. Er will das angekündigte Tanzfest zur Sonnenwende mit dir planen.“
Und schon ist der Diener wieder weg. Sardonios kocht vor Wut. Jetzt soll er auch noch ein Fest mit vorbereiten, dass diese Fremde, diese Europa, dem Minos aufgeschwätzt hat. Das wird auch die Macht der Oberpriesterin stärken. Da ist er sich ganz sicher. Er spürt den eigenen Machtverlust fast schon körperlich. Herzrasen, Zittern, Atemnot. Die Delfine an den Wänden scheinen dagegen vor Freude zu tanzen. Am liebsten würde er sie alle übermalen lassen, diese dummen Delfine. Wenn die beiden Europa nicht getötet haben, wie ich es ihnen befohlen habe, dann muss ich sie gleich verschwinden lassen. Die Gedanken überschlagen sich geradezu in seinem Kopf. Ein Unfall. Ja, Nemetos und Thortys werden bei einem Unfall ums Leben kommen. Dieser Einfall bringt ihm die Lebensgeister wieder zurück. Archaikos darf von alledem nichts erfahren.