Europa – Meditation # 102 Heimat-Text Nr. 19
Und schlafend wächst des Wortes Gewalt
Und das Wort, das gerade tags wie nachts zu wachsen scheint, weil es in aller Munde und in allen Medien zentral präsent ist, lautet:
M a s t e r p l a n .
Wenn der Hinweis von Nietzsche stimmen sollte, dass jeder Begriff durch das Gleichsetzen des Ungleichen entsteht, so können wir es kurz am Begriff
M a s t e r p l a n
verdeutlichen:
Hier wird ein Fremdwort, das groß daherkommt wie Vater und Mutter in Zusammenhang gebracht mit jemandem, der anscheinend wohl überlegt zu haben scheint. Ein großer Plan, ein wohlbedachter Plan. Das fühlt sich schon einmal richtig gut an. Wenn dann der Erfinder dieses wohltuenden Begriffs auch noch sich so zu präsentieren weiß, dass ihm nichts anderes als das Wohl der Menschen umtreibt, dann kann er sich sicher sein, dass viele ihm Recht geben werden – ungeprüft.
Das ist die eines Seite der Medaille. Die andere, die nicht sichtbare, ist die der Machtgier, die sich natürlich verbergen muss. Die klug mit der Angst und Verunsicherung vieler Menschen zu spielen weiß, denen das Fremde der Schlüssel zur Beseitigung all ihrer Probleme ist: je weniger wir davon haben umso sicherer sei dann unsere Welt. Eine schlichte Botschaft, die gerade in ihrer Einfachheit zu verzaubern weiß. Ein Mann, der dafür einen M a s t e r p l a n erdacht hat, ist unser Mann. Während die anderen, die doch nur um den heißen Brei herum reden, keinen Plan zu haben scheinen: Zerstritten, uneins, ratlos, planlos.
Da will man natürlich auf der sicheren Seite sein – so wie früher in der Heimat, wo man ja auch wusste, auf wen man sich verlassen konnte und auf wen nicht. Damit wird also ein starkes Gefühl angesprochen, an dem man sich nur zu gerne wärmen möchte.
M a s t e r p l a n –
klare Kante, kurzer Prozess. Da bin ich dabei, sagt dann nickend der verunsicherte Zeitgenosse, dem das Zerreden von Anliegen schon lange auf die Nerven geht.