Europa – Meditation # 109 Monte Scherbolino II
Monte Scherbolino II
Im Frühling 1945 blühten nicht nur üppig die Kirschen und Äpfel im alt gewordenen Europa, sondern es türmten sich auch gewaltig die Trümmer in Europa und Asien in noch nie dagewesenem Maße auf. Wie sollte man zu einem friedlichen Zusammenleben in Europa zurückkehren können? „Nie wieder Krieg!“ tönte es verängstigt mancherorten. Vielerorten wurde das Grauen, das sich unter all den Trümmern und Gräbern verbarg, in schöne Sprachbilder notdürftig verpackt und verniedlicht: Monte Scherbolino zum Beispiel.
So fanden die ersten Gastarbeiter aus Italien tatsächlich ein Wort im sperrigen Deutsch vor, das zumindest von der Sprachmelodie her an die eigene erinnerte – Monte Scherbolino. Niedlich. Oder?
Sonst war einfach nur Wiederaufbau angesagt.
Und die, die noch vor kurzem die erbittersten Feinde waren, fluteten das Land mit enormen Krediten für diesen Wiederaufbau. Auch verordneten sie den Besiegten ein neues politisches System: Eine repräsentative Demokratie, in denen wenige große Parteien das Sagen haben sollten. Fünf-Prozent-Klausel usw.
Das ist jetzt mehr als siebzig Jahre her. Und wieder scheint sich ein Trümmerhaufen zu erheben. Was für Trümmer denn?
Gut, die WM ging rasant den Bach runter, aber Export-Weltmeister sind wir nach wie vor – und dieses Jahr schon wieder. Wer redet da von Trümmern?
Fangen wir einfach mal an mit den Parteien (auch von den Kirchen wird noch die Rede sein müssen!)!
Fast ungebremster Mitgliederschwund – besonders bei den ehemals ganz großen Parteien! Das Zittern vor den kommenden Landtagswahlen ist fast körperlich zu spüren. Woran könnte es liegen, dass kein Verlass mehr ist auf den Wähler – wie früher? Das Wahlvolk mutiert mehr und mehr zu launigen Schmollern und trotzigen Verweigerern?
Die „Wolke“ scheint der neue Marktplatz der Eitelkeiten und Informationen zu werden, auf dem man sich anonym treffen kann, rumhört und dann aus der hohlen Hand eine schnelle Entscheidung trifft.
Parteiprogramme, lange Rede sind nur noch etwas für die Tonne. Und all das häuft sich dann auf dem neuen Müllberg – dem Monte Biliebicato.
Kurz und knackig, möglichst provokant und witzig auch sollte der politische Slogan sein – dann gibt es eine Chance auf Aufmerksamkeit. Morgen schon wieder vergessen. Und unter dem Monte Scherbolino II – alias Monte Biliebicato – modern nun die leeren Versprechungen der politischen Parteien vor sich hin. Schwamm drüber. Der Bürger aber bildet sich sein Urteil selber in kleinem Kreise. Kritisch, solidarisch trifft er mit seinesgleichen seine Entscheidungen für seine Kommune – und die Parteien können sehen, wo sie bleiben.