Europa – Meditation # 136
Aus tiefem Schlaf erwacht – ein neuer Morgen für Europa
Und wieder werden hehre Werte und deren nahes Ende beschworen: Von Schicksalswoche ist die Rede, von verloren gehender Bindungskraft der EU, von einer existentiellen Krise der EU.
Dabei kommt bloß eine n a r r a t i o an ihr Ende: die EU hat ihre historische Aufgabe erfüllt; sie hat mitgeholfen, dass die letzten 70 Jahre sehr kriegsarm für die Europäer verliefen, so sehr, dass viele schon gar nicht mehr zu wissen scheinen, was für eine Katastrophe der letzte Krieg für Europa und die Welt gewesen ist.
Man hangelte sich durch den Kalten Krieg, überstand lebend die Kuba-Krise, erlebte das Ende dieser im Kopf zweigeteilten Welt und wollte sich nun endlich auf die e i n e Welt freuen, in der die soziale Marktwirtschaft zum Exportschlager werden sollte.
Aber nun erneut ein Scherbenhaufen. Zum Glück bisher nur ein ideologischer und kein wirklicher. Aber scheinbar über Nacht sind wieder alle Fragen offen. Die vertrauten Muster, Bilder und Gewohnheiten geraten mächtig ins Schleudern.
Da ist es zwar nichts Neues, wenn man sich nach alten Zeiten zurücksehnt, aber für die Jugend kann das keine Option sein. Und plötzlich gibt es die Chance, eine Zäsur zu machen und gemeinsam zu neuen Ufern aufzubrechen. (Methode: fff !)
Da gehört dann aber bestimmt nicht dazu, einen EU-Flugzeugträger zu bauen. Wie kann man nur auf so eine Idee kommen? Doch nur weil die Rüstungslobby einfach nicht schläft. Oder was sonst könnte ein solches Großmannsgebaren rechtfertigen? (Eine kleine Nebenerzählung könnte vielleicht sein, was man in Europa so alles mit dem Geld machen würde, wenn es für kulturelle und soziale Zwecke ausgegeben würde statt für einen Flugzeugträger!)
Es ist Frühlingsanfang. Aufbruchstimmung. Die Natur macht es uns vor. Sie ist in ihrem Optimismus einfach nicht zu schlagen. Jedes Jahr! Warum nicht auch aufbrechen zu neuen Ufern.
Jetzt bitte nicht abfragen, wie denn diese Ufer konkret aussehen sollen. Darüber muss man sich wohl keine Sorgen machen, wenn erst die Europäer das Gefühl haben, erstmals selbst mitreden und mitentscheiden zu können – und zwar in überschaubaren Einheiten, in verwandten Kreisen und in vertrauten Grupppen – und nicht als Wählermaterial vergreisender Parteien.
Warum da nicht auch mal kurz in die Kulturgeschichte schauen? Da fällt doch tatsächlich ein knackiges Zitat aus dem 18. Jh. ins Auge. Wer hätte das gedacht, dass man schon damals so dachte?
„Zur Vollkommenheit der menschlichen Natur gehört, dass sie unter jedem Himmel, nach jeder Zeit und Lebensweise sich neu organisiere und gestalte.“
aus: J. G. Herder – Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit 1784 – 1791