Europa – Meditation # 157
Die kleinen und die großen Vorbilder in Europa
Längst haben die Bilder die Macht übernommen. Texte sind jetzt nur noch wie Fußnoten, Ablenkungsmuster für Langweiler, Einzelgänger oder Besserwisser, also Leute, die noch nicht mitbekommen haben, wo der Hammer hängt.
Und die Abfolge der Bilder hat an Tempo ziemlich zugenommen. So bleibt auch keine Zeit mehr, Bilder auf ihre Echtheit oder Bearbeitung zu untersuchen. Müßig sowieso, denn der Gier nach Bildern ist deren Entstehen einerlei, sowieso.
Mondlandung, fürstliche Eheschließungen, drei Stühle, drei Frauen, drei Aufgaben: Verteidigungsministerin auf Probe, Kommissionspräsidentin in spe und Kanzlerin vor dem Ausstieg – das macht Männern Spaß, da mal so richtig Häme auszuschütten. Denn jenseits der Bilder wüten dann die Gefühle, die sie blitzschnell erzeugen: Neid, Wut, Zorn, Schadenfreude, Missgunst…
Europa – das Bild von der gewaltsam entführten und vergewaltigten Prinzessin aus dem Libanon kennen sicher nicht so viele in Europa – wird daneben aber in zahllosen Varianten ins aktuelle Bild gesetzt:
Als ein Kontinent, der seine eigenen Geschichten vergessen hat,
als eine Landmasse, die immer mehr an Bedeutung zu verlieren scheint,
als ein Staatengebilde, das seine eigenen Errungenschaften genussvoll zu ruinieren scheint,
als ein Fleckenteppich, der eine faszinierende Vielfalt an regionalen Besonderheiten aufzuweisen hat,
als ein Machtfaktor, der in der Welt mehr und mehr seine Möglichkeiten leichtfertig zu verspielen scheint.
Und die Betroffenen – landauf, landab? Die wenden sich mehr und mehr kopfschüttelnd ab, weil die gewählten Vertreter mit ihren Parteiprogrammen immer weniger zu überzeugen verstehen.
Es ist mal wieder die Zeit der Rattenfänger in Europa – in Polen, in Ungarn, in Italien, in Griechenland, in England, in Deutschland. Die vielen (sie nennen sich gerne „die das Gefühl haben, vom Kuchen zu wenig abzubekommen und unter Vormundschaft solcher Rattenfänger nach den Schuldigen suchen, die auch schnell gefunden sind: Die Eliten, die Fremden, die Medien ) – diese vielen bringt das System Neoliberalismus massenweise hervor, in dem die Reichen immer reicher werden und die anderen immer weniger haben für Miete, den Alltag, die Altersvorsorge.
Wir Europäer müssen also gar nicht nach Übersee schauen, wir können schön vor der eigenen Tür kehren, da wachsen die Müllberge – die ideologischen genauso wie die aus Plastik – nachhaltig weiter. Und wenn dann auch noch so ein Teenager vorlaut den gekränkten Zeitgenossen die Leviten lesen will, dann sollte man endlich mit Schuldzuweisungen einhalten und bei sich selbst anfangen. Jeder Europäer ist gefordert, jeder kann in seinem Kiez und in seiner Region mithelfen beim…