Europa – Meditation # 177
Europa ächzt immer noch unter der Last des Stieres.
Das mythische Bild des weißen Stiers, den Zeus benutzte, um die Prinzessin zu verführen (wir sprechen heute ja gerne von einem „sehr, sehr alten Narrativ“) und nach Kreta zu bringen, war eigentlich immer schon ein Bild, das auf dem Kopf stand; denn eigentlich ist es doch Europa, die von Anfang an den falschen Fünfziger, den Götterbubi, auf ihren Schultern zu tragen und zu ertragen hatte. Weil es das Narrativ von schreibkundigen Männern war. Da aber die Geschichte schon so lange und so oft erzählt, bebildert, gemalt und gespielt wird, ist der eigentliche Gewaltakt nie durch ein gegenläufiges Narrativ entlarvt worden.
Ähnlich ist es wohl auch mit dem modernen Narrativ von Europa, das immer so erzählt wird, dass der große Bruder von Übersee die zerfledderte Europa sich auf die Schulter packte und wieder aufpeppelte nach 1945. So selbstlos, so hilfsbereit, so mitfühlend. Und schützend seine Hand über die geschändete hielt, auf dass nie wieder solches Ungemach über die Völker Europas hereinbrechen möge.
Dass aber derselbe Retter immer auch der eigennützige Bereicherer war und ist, der Europa brauchte, um seine eigene Wirtschaft wieder auf Friedenswirtschaft umstellen zu können, konnte man wunderbar ins Kleingedruckte verbannen. Man brauchte zusätzliche Absatzmärkte, Investitionsräume, Schuldner. Gerne schlüpften die geschundenen Europäer in die neue Rolle eines Abhängigen, die ihnen da aufgezwungen wurde. Im rosigen Narrativ der Nachkriegszeit wuchs wortgewaltig eine schier unschlagbare transatlantische Freundschaft heran. Musik, Film, Mode und Konsum kamen wie eine Frischzellenkur übers Meer geschippert. Besonders die Deutschen gaben ihr Bestes, um alles richtig zu machen, treuer Freund zu sein. Was für ein Narrativ!
Nun aber steht die erwachsen gewordene Nachkriegs-Europa da und wundert sich: Hatte man sich etwas in die Tasche gelogen, hatte man einfach übersehen wollen, dass der Transfer neben Geld und Waren flach und eher hohl war? Dass der amerikanische Eigennutz nun ungeschminkt die Dinge beim Namen nennt, die bisher blumisch verpackt waren? Dass der derzeitige Präsident nichts Neues aus der Tasche zaubert, sondern nur unverblümt in die eigene Tasche wirtschaften will – und wer nicht spurt, muss dann eben sehen, wo er bleibt? Das ist der NEW DEAL 2020 .
Erzählen wir also in Europa die Geschichte einfach so, wie sie wirklich war und jetzt auch ist: Keine Freundschaft, sondern ein günstiges Geschäft für die Amerikaner, das nun so nicht mehr weiter geführt werden kann. Der Gewinn muss sicher gestellt bleiben. Punkt. Onkel Trump könnte als schlechter Zeus-Mime von seinen Berater ja folgenden Spruch vor seinem nächsten Twitter-Schnellschuss eingeflüstert bekommen:
„Wenn du zum Weibe (Europa) gehst, vergiss die Peitsche nicht!“