Europa – Meditation # 182
Die Natur bietet uns eine Pause an.
Europa im März 2020. Der Vorfrühling zeigt schon einmal, was er so kann. Die Kraniche sind längst durch, die Vögel in den Parks und Gärten machen bereits einen auf Zweisamkeit. Da bahnt sich also wieder das alte Spiel der Natur an. Die Erdlinge aber haben für solche Beobachtungen kaum mehr Zeit, denn der Terminkalender ist übervoll – wie jedes Jahr: Skiferien wollen abgearbeitet werden, Osterferien sind längst geplant und gebucht, Konzerte, Theaterbesuche, Fêten sind eng getaktet, das Fitness-Programm soll sogar noch etwas ausgebaut werden. Und im Job wird fleißig gemobbt und getratscht, schließlich will man weiter auf der Leiter nach oben.
Und jetzt das!
Das ist der völlig falsche Zeitpunkt, das falsche Thema – für präventive Arztbesuche oder für „kürzer Treten“ ist kein Platz im Terminkalender. Also bitte, was soll das?
Da könnte glatt schlechte Laune aufkommen, echt.
Wie bitte?
Die Natur will uns nur kurz einen Schnellkurs in Entschleunigung aufbrummen.
Wie bitte?
Geh doch zu Greta und lass uns bitte unser Ding machen, wir finden diese Masche nun echt nicht mehr komisch.
Wie bitte?
Wer nicht hören will, muss eben fühlen.
Mist, mein Akku ist leer. Mist.
Was, die Messe fällt aus? Das ist doch wohl ein Witz.
Nein. Die Natur meint es ernst. Sie will uns Erdlinge – es bestehe einfach Handlungsbedarf – daran erinnern, dass die Hütte brennt und wir so tun, als wäre alles im grünen Bereich.
Und da gutes Zureden scheinbar auf verstopfte Ohren stößt, muss sie eben zu etwas stärkeren Mitteln greifen:
Wie wäre es, wenn ihr Erdlinge eure Sterblichkeit mal wieder in den Blick nähmt?
Wie wäre es, wenn ihr vielleicht für einen Augenblick über die Redewendung nachdächtet: „Mensch, die sterben ja wie die Fliegen!“ Und dabei nicht auf irgendwelche Lepra-Kranke auf irgendeinem fernen Kontinent zeigt, sondern euch selbst an der Nasenspitze fasstet und das Bild auf euch selbst bezögt? Könnte es nicht sein, dass die Erdlinge gerade im Slow-Motion-Modus daran erinnert werden, dass das alte „memento mori“ nichts an seiner kraftvollen Botschaft verloren hat? Und dass nur die zunehmende Hektik uns blendet und daran hindert, mit jedem kostbaren Augenblick unseres kurzen Besuches auf dem kleinen Planeten so behutsam und bewusst umzugehen, wie es nur eben geht? Und da die Natur unser bester Freund ist (viele finden das eher einen kitschigen und peinlichen Satz!), schenkt sie uns einfach so aus heiterstem Himmel eine Pause zum Innehalten und zum Zur Ruhe Kommen. Notgedrungen.