Europa – Meditation # 237
Nur große Bedrohungen brachten auch große Veränderungen.
Philipp Blom hat ein lesenswertes Buch dieser Tage veröffentlicht:
Das Große Welttheater. Von der Macht der Vorstellungskraft in Zeiten des Umbruchs. Paul Zsolnay Verlag. Wien 2020
In klarer Sprache und überschaubaren Sätzen und Thesen möchte er in einer Angst machenden Pandemie-Zeit dennoch Optimismus anbieten. Denn dass dieser globale Virentsunami fest gefahrene Denkmuster aufbrechen könnte, ist sicher gut denkbar. Waren es doch immer große Krisen und Katastrophen, die die Bewohner dieses Planeten zu neuen Ufern aufbrechen ließen. Nur dann ist er scheinbar bereit, in einer Sackgasse umzukehren und eine neue Straße einzuschlagen.
Diesmal ist die Sackgasse vielleicht der verführerische „Allmachtstraum einer an ihrer technologischen Macht aufgegeilten Sklavenmoral“, die in dem pandemischen Trauma dieser Tage, das im Zeitgefühl der Zeitgenossen natürlich schon viel zu lange währt, irre an sich selber wird und deshalb notgedrungen Kräfte gemeinsamen Nachdenkens und Handelns mobilisiert, die in Richtung völlig neuer Wege weist. Zumal die Klimakatastrophe in neuem Licht zu flimmern beginnt und ein Unbehagen nicht mehr unterdrücken lässt, das bisher nur Halbwüchsige und bunte Vögel gebetsmühlenartig zu artikulieren bereit waren.
Die Erdlinge können nicht nur nicht mehr zurück zu der Zeit vor der Pandemie, sondern auch nicht mehr so tun, als ob ein Weltuntergang nur die Ansage von Verlierern und Spielverderbern am Rande der sonst doch so dynamischen und erfolgreichen Konsumgesellschaft wäre.
Das schwer zu fassende Klimatrauma wird über Nacht im allgegenwärtigen pandemischen Trauma individuell erlebbar und kann nicht mehr klein geredet werden, denn selbst in dem Lärm der Leugner spiegelt sich doch nichts anderes als Verlustangst, Existenzangst und Vereinsamung, die angesichts des unausweichlichen Todes eines jeden von uns liebgewonnene Denkmuster ad absurdum führen.
Philipp Blom zitiert in seinem Buch immer wieder als Zeugen für sein Hinschauen auf derzeitige Bewusstseinsprobleme einen Ägypter, der vor mehr als dreitausend Jahren sein kulturelles Unbehagen zu artikulieren wusste: C h a c h e r p e r r e s e n e b
„Das Land ist in schlimmem Zustand
Der Elende hat keine Kraft sich zu schützen
Es ist vergeblich einen Unwissenden zu überzeugen
Gegenrede schafft Feindschaft
Man nimmt die Wahrheit nicht an.
Weit und schwer ist das Leiden
Siehe, Herr und Diener sind in derselben Lage.“
Passt das nicht auch in unsere hybriden Streitereien um richtig und falsch?