Europa – Meditation # 248
„Allein – mir fehlt der Glaube!“
Mit vorauseilender Zustimmung verfolgten gestern die Medien in Europa die Zeremonie in Washington. Man war ja so erleichtert, dass der eine endlich weg war und der andere endlich darf.
Anders dagegen die begleitenden Reaktionen aus China: „Es geht der Bösewicht, es kommt ein Heuchler.“
Nun, soweit muss man nicht unbedingt gleich gehen. Aber etwas mehr Bodenhaftung bei aller Euphorie wäre doch wohl angebracht.
Wenn man sich über den Wortvorrat beim Vorgänger immer wieder gerne gruselte, so sollte man beim Nachfolger nicht ohne Bedächtigkeit reagieren. Denn die Zeremonie – in allem wie eben solche Anlässe dort abgearbeitet werden – hatte einen wahrlich hohen Ton und das Beschwören des Beistandes des christlichen Gottes von kompetenter Seite tat ein übriges. So waren alle hinter ihren Masken guten Mutes und ließen sich gerne von den Beschwörungsformel umgarnen. Es tat ja so gut, nach all den dürftigen Jahren, in denen es nur um Deals und nicht um hehre Werte ging. Die Spielregeln des Systems stehen seit gestern wieder unter dem Motto:
„Ohne Einheit gibt es keinen Frieden“.
Salbungsvoll begleitet von hochtönende Salven scheinbar schwerwiegender Abstrakta, als da sind:
„Tag der Einheit und der Hoffnung“
und
„Die Demokratie hat gesiegt“.
Und dann dieses „ever“, „ever“, „ever“ mit dem dieses System ins Sakrale, Zeitlose gehoben werden musste – ‚demokratia‘ for ever! Hätte der Vorgänger in ähnlicher Wiederholungsform seine Deutung des Systems beschworen, wären die Medien mit Wollust über ihn her gefallen. Oder?
Und der Bösewicht lädt im Abflug noch – wie immer superlativisch – ein unverwechselbares Statement hinterher:
„Was wir getan haben, ist in jeder Hinsicht erstaunlich“.
Doch genauso erstaunlich ist auch die Bereitschaft der Zuhörer bei Bidens Rede, dass der Glaube an die Einheit gemeinsam in der Wirklichkeit 2021 implantiert werden könnte. Zwar harte Arbeit, aber sonst kein Ding!
Und in Europa freut man sich schon auf den neuen Mann – alles wird gut oder zumindest besser als vorher, da sind sich alle frohlockend einig.
Als könnte man den beinharten kapitalistischen Konkurrenzkampf mit salbungsvollen Versprechungen zähmen und zivilisieren. Sein wahres Gesicht wurde uns allzu hautnah vier Jahre vor Augen geführt, jetzt können wir endlich wieder durch die Brille der Weichzeichnung unsere Absatzmarktkämpfe wunderbar aufhübschen. Damit lässt sich viel besser schlafen und viel schöner träumen.
Wie gerne wir doch unser Langzeitgedächtnis in einen wohlverdienten Urlaub schicken, jetzt wo wir doch alle unwillig zu Hause hocken sollen!