21 Dez

Europa – Meditation # 368

Der Pharisäer – ein europäischer Zeitgenosse.

Neulich erst saßen sie wieder zu Gericht, die europäischen Pharisäer: Unrecht und Gewalt, Diskriminierung und Korruption seien am Persischen Golf zu einem unseligen Amalgam zusammengeschmolzen – man selbst wusch wie immer seine Hände in Unschuld; bildmächtig hielten dort junge Sportler die Hände vor den Mund, sie wollten ein Zeichen setzen – bis plötzlich – scheinbar aus heiterstem EU-Himmel – in Brüssel eine Implosion die fortschrittliche Demokratiekaste ins Zittern brachte: Was? Auch hier Korruption, auch hier neu gemischte Karten mit denen vom Persischen Golf?

In der Tat wäre es bei weitem glaubwürdiger, kehrten die Europäer vor ihrer eigenen Tür. In den Niederlanden bittet der Regierungschef die Nachfahren holländischen Sklavenhandels, der eine kleine Patrizierclique in Amsterdam ziemlich reich machte, um Verzeihung, in Nigeria geben Regierungsvertreterinnen der BRD Benin-Bronzen reumütig zurück.

Die Engländer, die ja auch in Vorderasien im Wettstreit mit Frankreich um Einflusszonen und Bodenschätze Kriege führten und willkürliche Grenzen festschrieben, hatten – natürlich alles längst vergessen – das Königreich Benin nicht nur niedergebrannt, sondern auch deren kulturellen Schätze geraubt und auf dem europäischen Kunstmarkt gewinnbringend verhökert. Jetzt will man europaweit in großen Gesten Rückführungen inszenieren, als könnte man so kulturelle Traumata aus der Welt schaffen.

In Bonn läuft gerade der Prozess zu Hochform auf, in dem niederträchtigste Bereicherungswut und Habgier der Nadelstreifen-Riege – natürlich alles Absolventen der besten Schulen und Hochschulen, versteht sich – offen gelegt wird. Der einfache Steuerzahler, der mehr schlecht als recht seine jährliche Steuererklärung verfasst, kann es nicht fassen, wenn er hört, welche ungeheuren Summen da am Staat vorbei – und das auch noch mehrmals hintereinander – eiskalt abgeräumt worden waren – cum oder ex – wie auch immer.

In Washington hat der Ausschuss, der sich mit dem Sturm aufs Kapitol beschäftigt hatte, seine Arbeit beendet und kommt zu einem niederschmetternden Ergebnis für die Demokratie: Die Exekutive selbst war Mitbetreiber einer geplanten Demontage demokratischer Werte.

Und in Mitteleuropa? Da halten doch tatsächlich ordentlich beschulte Bürger die BRD für ein Phantom, das es zu überwinde gelte.

Und die Pharisäer Land auf, Land ab waschen ihre Hände in Unschuld.

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