Europa – Meditation # 371
Nicht kleckern, sondern klotzen!
Und wieder diese besorgten Mienen vor laufenden Kameras in Berlin, in Düsseldorf, in Bad-Godesberg: „Die jungen Straftäter müssen mit aller Strenge den Arm der Justiz zu spüren bekommen, in aller Strenge…“ Und natürlich möchte man dabei keineswegs rassistisch rüber kommen, klar. Aber diese immer jüngeren Straftäter gilt es in ihre Schranken zu weisen. Fast schon ein öffentliches Ritual, was da leerläuft.
Warum gehen die Politikerinnen nicht den Ursachen nach?
Warum wird nicht endlich an der Basis etwas grundlegend geändert?
Warum nur?
Und wieder ein großer Artikel in der Wochenendausgabe der SZ zum gleichen Thema: Die Hauptschulen und Gesamtschulen werden selbstredend als grundlegend reformbedürftig beschrieben, selbstverständlich weiß man, dass die Digitalisierung der Schulen im Gymnasium hängen bleibt, dass alle Veränderungsansätze entweder im Sand verlaufen oder eben nur bei denen ankommen, die sowieso massiv privilegiert sind.
Fast könnte man von „fundamentalistischen Bildies“sprechen, die knallhart beim Sieben keine Gnade kennen, die weiter perspektivlose Schulabbrecher kopfschüttelnd zur Kenntnis nehmen, aber nicht bereit sind, massiv Geld in die Hand zu nehmen und es da zu investieren, wo es am nötigsten gebraucht wird: in den Hauptschulen, in den Gesamtschulen – oder viel besser: in einem völlig neuen Schulsystem mit jungen Pädagogen, die kleine Gruppen unterrichtend begleiten können (Finnland und Kanada machen das seit vielen Jahren nun schon erfolgreich vor) – jenseits eines unbarmherzigen Dreiklassensystem, das automatisch siebt und selektiert, bis die besten herausgefiltert sind und die Gelder verpulvert.
Der Rest muss dann von Justiz, Polizei und JVAs verwaltet und weggesperrt werden. Die haben es ja nicht anders gewollt. Alle versammeln sich solidarisch hinter der starken Hand des Staates, der eitel und selbstgerecht sein Gewaltmonopol zelebriert. Wie fundamentalistisch ist das denn? Und wie teuer?? Oh, diese besorgten Mienen, oh wie heuchlerisch sind die doch!
Wäre es da nicht viel günstiger, den gesamten Begabungshorizont eines Jahrgangs systematisch abzugrasen und gleichmäßig in kleinen Parzellen zu pflegen und zu fördern, auf dass möglichst alle Begabungen entdeckt, gefördert und gewinnbringend in die Gesellschaft integriert werden können? Es würde so viel weniger junge Straftäter geben! Alle wissen es!
Wie oft muss es noch gesagt werden?
Wie lange noch dürfen diese „fundamentalistischen Bildies“ ihren selbstgerechten Sermon absondern – eher wir sie endlich auslachen? Vor lauter Rüstungseuphorie, Bündnistreue und Energiesparhysterie geht den abgelenkten Konsumenten in ihren Werbespots und Sport-Events immer mehr der Blick für das längst Notwendigste verloren:
Mindestens genauso viel in die Grund- und Hauptschule zu investieren wie in Bundeswehr und Energievorsorge – denn sonst werden uns bald nicht nur Pflegekräfte, Lehrerinnen und Lok-Führer fehlen, sondern auch Polizisten, Sozialarbeiter und Gefängniswärter.
Also: nicht kleckern, sondern klotzen.
Es wäre d i e Z e i t e n w e n d e , die uns wieder optimistisch in die Zukunft blicken lassen würde.