Europa – Meditation # 417
Herrschaft des Volkes? (Teil II von III)
Nun hatten die Deutschen 74 Jahre Zeit dem verordneten Demokratie-Modell Eigenleben einzuhauchen. Hüben wie drüben – und seit 1990 sogar völlig unvorbereitet wiedervereint. Und wieder keine Nationalversammlung zum Beginn!
Verständlich, dass sich die meisten zuerst – nach 1945 – lieber mit Wiederaufbau und Schweigen beschäftigten als mit Demokratie „Leben“- sollten die gewählten Vertreter doch mal zeigen, was sie so drauf haben! Alle vier Jahr können sie seitdem per Abstimmung dazu ihren Kommentar abgeben: Gut gemacht, schlecht gemacht, denen werde ich es aber zeigen…
Inzwischen aber macht sich Verdrossenheit breit.
Wie aber konnte sie sich stekum ins demokratische Gefüge einschleichen?
Nicht zuletzt durch die medial ritualisierten Abläufe der Parteienherrschaft.
Könnte ein kleines Beispiel für diese großen Institutionen (Parteien, Verbände, Lobbies) nicht auch die studentischen Verbindungen sein, die an den Universitäten und später im Karriereplan mit ihren S e i l s c h a f t e n eine unsichtbare, aber sehr effektive Rolle spielen? Auch da ist nicht die fachliche Kompetenz entscheidend, sondern den Ausschlag geben die Beziehungen der alten Herren. So werden die Söhne bequem weitergereicht. Statt Wissen und Können setzen sich Begünstigung und sogenannte informelle Freundeskreise durch. Subkutan sozusagen.
Wäre das vielleicht der Einstieg in eine Analyse dieser Verdrossenheit der Demokraten, die zwar alle vier Jahre autonom wählen dürfen, die aber gleichzeitig wissen, dass unterhalb dieser Wahlen der Zusammenhalt derer, die sich als loyale Sachwalter der Interessen ihrer Wähler brüsten, unverändert weiter besteht und leise weitergegeben wird – ganz gleich wie die Wahlen jeweils ausgehen?
Und könnte das nicht die schwer fassbare Ohnmacht des Wahlvolkes in den Blick bekommen?
Ist es nicht ein kluges Argument, dass man für die komplexen politischen Probleme eben extrem spezialisierte Fachleute brauche? Dass der Bürger eben nicht über dieses Fachwissen verfüge? Müsse er nicht geradezu dankbar sein, dass ihm dieses undankbare Geschäft von kompetenten Frauen und Männern abgenommen werde?
Die großen Volksparteien aber zerbröseln von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Der Wähler glaubt diesem Muster wohl nicht mehr. Sollte man ihm deshalb nicht besser ordentlich Angst machen, dass er bei der Stange bleibt?