Europa – Meditation #467
Kreuzzüge – damals wie heute – desaströs.
Männer machen Geschichte: ein Motto, das in der Rumpelkammer spätestens des 20. Jahrhunderts verstauben sollte. Tut es aber nicht. Die alten wie die neuen Medien baden derzeit geradezu in dieser Vorstellung von Geschichte und Politik. Der Liberalen Kabinettstückchen im Vorfeld des Ampel-Endes taugt da scheinbar genauso wie die Marionetten-Veranstaltung in Washington, wo gerade die neuen Pappkameraden und Püppchen neu kostümiert werden, um ab dem kommenden Jahr ihre bis dahin einstudierten Rollen aufzusagen. Und phantasiearm, wie sie sind, holen sie sich hirnlos ihre Phrasen selbst aus dem hohen Mittelalter: Deus lo vult – zum Beispiel. Als Tattoo auf den Arm unter die Haut gespritzt oder als wirkungsvolles SharePic der AfD in den social media : „Gott will es“.
Alles hängt mit allem zusammen. Wie wahr, wie wahr. Und lauter Männernamen mit eigenartigen Lebensläufen: Putin, der fließend deutsch spricht und so am Telefon mit Olaf Scholz eine Stunde lang wortreich lamentieren darf, Trump, Orban, Scheuer (schon vergessen?), Söder, Musk, Pete Hegseth und Matt Gaetz (u.a. unter Verdacht sexuellen Fehlverhaltens), um nur einige in willkürlicher Reihenfolge zu nennen.
Natürlich hängt die europäische Kulturgeschichte auch mit dem Mittelalter zusammen, klar. Aber, um ins Detail zu gehen, fehlt natürlich sowohl dem Produzenten als auch dem Konsumenten solcher knackigen Botschaften die Zeit. Hier – in einem blog, den sowieso niemand mehr liest – soll allerdings der Zusammenhang dennoch kurz umrissen werden:
Im Jahre 1095 hält Papst Urban II. in Clermont eine klug gestaltete Rede, um die vielen Ritter nachhaltig zu beeindrucken: Jerusalem sei von den Seldschuken erobert und es sei der Auftrag Gottes an die Christen, diese Stadt zurückzuerobern: „Deus lo vult/Gott will es“ . Die Folge: 1098 Aufbruch zum ersten Kreuzzug, der dann auch gleich in einem monströsen Blutbad in den Gassen Jerusalems gipfelt. Und wer hatte da seinen Arm hingehalten für dieses Tattoo? Der designierte Verteidigungsminister Pete Hegseth, Trumps Mann für das Grobe sozusagen.
Doch zurück zum Eingangs-Motto: Diese Männer können mit ihren Unterschriften nur deshalb etwas bewegen und so scheinbar Geschichte machen, weil es genügend Follower als Wähler wie als Soldaten gibt, die das exekutieren, was lautstark von solchen Politikern in die Welt posaunt wird: „Make Amerika great again!“ Und dann nicht zu vergessen die Zuschauer – also die übrigen Zeitgenossen, wie wir, die wir diese Szenerie beschreiben und zulassen. Die billigste Ausrede dabei war schon immer: „Die da oben machen doch sowieso, was sie wollen.“ Pontius Pilatus lässt schön grüßen! Doch wir alle tragen ordentlich mit dazu bei, dass z.B. nicht mehr Geld in Bildung investiert wird, sondern stattdessen in Rüstung. Hier könnte eine lange Liste folgen, was wir alles hinnehmen und so gewissermaßen mit absegnen, was wir aber gleichzeitig empört bemängeln.
So sollte das Motto einfach ein bisschen modifiziert werden: Wir alle machen entscheidend mit, gehören also auch zu den Männern, wenn Männer Geschichte machen. Und der Gang zur Wahlurne alle vier Jahre hat da nur Alibi-Charakter. Der Wähler hockt scheinbar machtlos am Ende der Nahrungskette „Demokratie“ und mampft sich bloß den Bauch voll. Frage: Hat sich die Parteien-Demokratie nicht längst als untauglich erwiesen, die großen Fragen der Gegenwart zu gestalten? Droht über den Wählern nicht längst – wie ein Damokles-Schwert – der Ruf nach dem starken Mann, der den gordischen Knoten, der das Paket „Mündigkeit“ bisher recht locker zusammenhielt, einfach furchtlos zerschneiden wird? Irgend so ein Trampel oder Rumpelstilzchen vielleicht? Desaströs!