Europa – Meditation # 83 Heimat – Text Nr. 2
„Übrigens sind wir der Meinung, dass Europa erst noch geboren werden muss“
Eine Botschaft der Zuversicht
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“
Von den Gefahren, die dem sogenannten westlichen Modell ins Haus stehen, reden zur Zeit landauf, landab nicht wenige: dem europäischen Fortschrittsgedanken der Aufklärung seien die Inhalte abhanden gekommen – Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit – einst die strahlenden Fixpunkte politischer Gemeinschaftskonzepte seien in einer materiellen Sackgasse verkommen. Übrig geblieben sei lediglich die Gier nach mehr, gepaart von einer beinharten Selbstbezogenheit – in seiner unverblümtesten Variante gerade in Übersee im Bild der Wiedergeburt eitelster Eigenliebe zu bestaunen.
So etwas wie Verbindlichkeit oder gar Verlässlichkeit könne man sich nachhaltig abschminken. Die einst stolzen Demokratien verkauften ihre Kernaufgaben an private Betreiber, die außer Gesundschrumpfen und der Privatisierung der Gewinne kein sozialverträgliches Konzept anzubieten haben. Die wirklich wichtigen Aufgaben – wie Altenpflege, solide Bildung der nachwachsenden Generationen, Ausbau des Schienennetzes und Umschalten auf alternative Energiegewinnung – unterliegen einem rigiden Sparmuster, das höchstens für die totale Digitalisierung eine Ausnahme macht.
Und die Regierungen in Europa? Sie kopieren dieses inhaltsleere Geldverteilungsmuster fast auf dem gesamten Kontinent. Zumindest die meisten von ihnen hielten das bisher für das richtige Muster. So wurden sich Regierungen und Regierte immer fremder. Die Herrschaft des Volkes war den gewählten Vertretern aus dem Blick geraten. Da ist Gefahr im Verzuge.
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. Und es kommt nicht von außen, nicht von Übersee, nicht von den Banken, nicht von den alten Parteien. Es kommt aus dem gesunden Menschenverstand der Betroffenen: Dann müssen wir es eben selbst in die Hand nehmen. Sind unsere Sorgen nicht alle gleich, genauso wie unsere Zukunftswünsche? Wollen wir uns nicht alle befreien aus den sogenannten Sachzwängen, in dem wir sie da anpacken, wo wir sie zu greifen bekommen? Freiwillig werden wir uns dem Gemeinwohl zuwenden, denn Lebenszeit in apps zu versenken, tut nicht nur nicht gut, es schafft weder Nähe noch Zufriedenheit, nur krankmachende Schlaflosigkeit und wachsende Apathie. In überschaubaren Regionen, unter verwandten Gleichgesinnten, die Lust bekommen, eigenständig vor Ort die maroden Verhältnisse in kleinen Schritten umzuwandeln in vertraute, weil eigene Muster. Das dauert zwar, hat auch nichts Spektakuläres, ist aber nachvollziehbar und ausbaufähig.
Wie Geburtswehen eines Kontinents, der erst noch gebären muss. Europa – ein Geschöpf derer, die nichts weniger gut finden als alles, was sich wie MEGA anbiedert. Die großen Parteien zum Beispiel, die großen Banken, die großen Versicherungen, die großen Konzerne.
Und die Menschen? Sie wollen nicht länger berieselt werden mit lauwarmen Sprüchen von langem Atem und Sachzwängen und komplexen Problemen. Sie wenden sich ab. Zurecht.