25 Feb.

Europa – Meditation Nr. 490

Das viele Blau sollte uns zu denken geben, endlich!

Hohe Wahlbeteiligung, klare Koalitionsvariante, abgestrafte Ampel. Und zwei sind weg…! Sieht so aus, als könnten „wir“ zufrieden sein mit diesem Ergebnis – doch angesichts der Situation in der Ukraine und den neu zu würfelnden Konstellationen in Sachen einer weiter regelbasierten multilateralen Welt hecheln die Europäer – aufgeregt wie aufgescheuchte Hühner – von einer Gesprächsrunde zur nächsten und beschwören Solidarität und Gemeinsamkeit: Die Amis sollen sich mal ganz schön wundern, der kleine Erdteil Europa kann auch „selber machen“, wenn es sein muss!

Wäre da nicht die blaue Welle, die gleichzeitig (84% Wahlbeteiligung) über den Osten rollt. Daran aber verschwendet kaum einer einen ernst zu nehmenden Beitrag. Doch die alten Wunden wollen einfach so nicht heilen. Die Menschen in den neuen Bundesländern können nicht mit Waren und Autobahnen gekauft werden. Weder gestern, noch heute, noch morgen. Sie sind bis ins Mark weiter gekränkt, abgehängt, geduldete am Katzentisch. „Ich kann es nicht mehr hören“ ist dazu der chorus mysticus der Besserwisser und Alleskönner aus dem Westen. Das aber verschlimmbessert es nur noch.

Denn von Anfang an war es eine bequeme Lüge, der „Westen“ sei der Retter und die „drüben“ sollen froh sein, dass sie gerettet wurden. Was für ein wohlfeiles Ammenmärchen ist das denn? Und nun haben „Wir“ ja wirklich wichtigere Probleme als olle Kamellen wieder auszulutschen, wirklich – oder? Die Arroganz, die dahinter hämisch grinst, ist ohnegleichen. Und die Retourkutsche ist der Wahlzettel mit dem Kreuz im blauen Feld. Beide derzeitigen Positionen sollten beiden Seiten peinlich sein und sie sollten möglichst bald endlich in die Phase der g e m e in s a m e n Überwindung einbiegen. Und zwar auf Augenhöhe.

Denn: Das Materielle war noch nie der letztlich entscheidende Faktor im Selbstbild eines Volkes. Immer sind es die gemeinsamen Geschichten, die gemeinsamen Bilder, die gemeinsamen Schicksale. Wenn allerdings der designierte neue Kanzler das in die Hand nähme, wäre es höchst wahrscheinlich gleich ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen: zu sehr würde er von oben herab, zu sehr konziliant, zu sehr in Siegerpose auftreten, als dass ihm irgendjemand aus den neuen Bundesländern abnähme, es ernst zu meinen mit dem notwendigen Eingeständnis, dass der Vereinigungsprozess von Anfang an in eine Sackgasse münden musste, weil die smarten Wessis sich und denen einzureden nicht müde wurden, es werde alles gut, wenn man nur die „Profis“ machen lasse und den Rest mit Infrastruktur zubetoniert. Den Rest würde die Zeit erledigen.

Nein, so läuft das nicht – auch nach 35 Jahren nicht! Denn gerade die immer älter werdenden Menschen in Blauzonesien, die nun auch vermehrt auf Hilfe angewiesen sein werden, werden sich in ihren Kränkungen einigeln und immer widerborstiger der Ärgerriese sein wollen, als ob man so etwas so ändern könnte. Denn diejenigen, vor deren Karren sie sich jetzt da trotzig spannen lassen, benutzen sie nämlich ironischerweise ebenfalls nur als Stimmvieh und nicht als Bürger mit ernst zu nehmenden Sorgen und einem ramponierten Selbstwertgefühl.

Auf der anderen Seite ist es in diesen kriseligen Zeiten unerlässlich, dass wieder ein möglichst ungeteiltes Wir-Gefühl endlich zustande kommt, damit solidarisch die inneren wie äußeren Gegner in Schach gehalten werden können und die nationalen wie europäischen Probleme gemeinsam bearbeitet werden können. Von den globalen Problemen ganz zu schweigen.

Es muss aber ein zentrales Projekt der kommenden Regierung sein, im Bündnis mit den Bundesländern, denn sonst wird noch aus dem jetzigen Blauzonesien ein schwarzblauer Mitteleuropa – Brei werden – 2029 !

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