19 Juli

Europa – Meditation Nr. 509

Die Volonté Générale und der Gemeinsinn schwinden europaweit (Teil II).

Die Fetischisierung der Individualität hat – dank der Werbetrommeln aus Übersee, die bereits ein gewisser Goebbels von dort restlos begeistert mit nach Mitteleuropa gebracht hatte – in den letzten Jahrzehnten zur völligen Vereinsamung lauter frustrierter Narzissten geführt, die mit eiskalten Pokerfaces und werbewirksam inszenierten Einkaufstaschen bepackt durch Malls und Fußgängerpassagen scheinbar völlig gelassen und gelöst schlendern, als wäre ihnen der unterschwellige Zeitdruck und die unerbittlichen Schuldenrückzahlungstermine völlig wurscht. Dass sie konditionierte Konsumenten sind, die bis in ihre Geschmacksmuster brav der Beschleunigung aus der Perspektive des Sessels üben, indem sie Kontakte sammeln im Sekundenrhythmus, Worte absondern im Minutentakt, um gemocht zu werden, belohnt zu werden, sofort, mit einem emoji nach dem anderen. Sinnentleerte Rituale, die nur eins sicher stellen: Ermüdung, Vereinsamung und gleichzeitig die Sucht befeuern, mehr von diesem Rituale zu inhalieren. Wirkliche Drogen können da überhaupt nicht mehr konkurrieren: sie sind demgegenüber viel zu teuer, viel zu riskant.

Europa weit reihen sich so immer mehr Menschen – und nicht nur Jugendliche – diesem Sich Hingeben an ein rein digitales Tropf-Dasein ein, bei gleichzeitiger seelischer Selbst-Demontage.

Dagegen ist erbitterter, solidarischer Widerstand überlebensnotwendig. Und diesen Widerstand kann der Single nicht gestalten, dazu braucht er Mitverschwörer. Es muss eine geheime Lust entstehen, zusammen mit dem Nachbarn zu quatschen, zu lachen und sich von dem Einsamkeits-Gezocke wieder abzunabeln. Das macht Spaß, wenn man durch die Nähe zu den Nachbarn, die Bock darauf haben mitzumachen, erste Wiederbelebungsübungen erlebt und selber anleitet.

Aber wie sollen die Europäer zurückfinden zu solch konstruktiver Nähe?

Ganz einfach: man trifft sich auf kleinen und größeren Events, Festen, Sportveranstaltungen, lässt das digitale Werkzeug lässig in der Tasche und freut sich, dass der Nachbar die gleichen Sorgen und Schwächen wie man selber hat. Statt wehleidigem Selbstmitleid endlich mal wieder frische Luft und wirkliche Kontakte. Geradezu ein Jungbrunnen – im Kopf wie im Bauch.

Der Frust mit den altbackenen Parteien kann so in eine direkte Veränderung einmünden: Wir brauchen die doch gar nicht, die Probleme weltweit sind hinreichend bekannt, die Probleme vor Ort lösen wir am besten selbst. Und die Angstmacher können uns gestohlen bleiben. Das wäre dann doch mal eine echte Alternative – oder?

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