Europa – Sanctuary Cities (Meditation # 66)
Sanctuary Cities
Ein wohltuender Begriff – neuerdings wieder. Städte, die Zuflucht sein wollen und die sich dazu mit anderen sehr großen Städten verbünden. Sie tun das einfach – gegen üble Nachrede genauso wie gegen Dauer-Nörgler.
Das sind gute Zeiten, dieser Tage. Denn die alten Begriffe sind verschlissen. Außer den Politikern scheinen sie niemandem mehr zu taugen.
Das ist gut so. Denn so kann jeder wieder neu nachdenken über das, was ihm bisher selbstverständlich schien: Staat, Nation, EU, NATO, WTO. Dabei sind es doch nur Organisationsformen, die der Mensch vor einiger Zeit erfunden hat, weil sie ihm brauchbar schienen.
G 20 Gipfel. Das klingt auch ziemlich griffig. Beeindruckt aber auch nicht mehr. Und was sich auf der rechten Seite der politischen Wortspiele seit einiger Zeit zusammenfindet, ist auch nichts anderes als der wütende Versuch, eben jene verbrauchten Begriffe durch scheinbar griffigere zu ersetzen. Dem sollte man auch nicht auf den Leim gehen.
Was denn dann?
Wie schon angedeutet, wollen die Menschen mehr denn je ein WIR-GEFÜHL, das nicht abstrakt oder bloß pathetisch beschworen wird, sondern dass wirklich erlebbar, wirklich darstellbar, wirklich teilbar mit verwandten Geistern lebbar ist.
Wie denn nun?
In überschaubaren Größen können Menschen im Alltag dieses WIR-GEFÜHL leben. Wenn die sanctuary cities jobsuchende oder sonstige Fremde beherbergen, dann verteilt sich diese hehre Aufgabe auf Stadtteile, in denen Menschen, die sich kennen, helfen können. Sie sprechen die gleiche Sprache, die der Herzen und nicht die der Technokraten, Macher, Politiker.
So ist es auch in Europa, dem kleinen Kontinent. Die Menschen spüren gerade, dass sie die Dinge selbst in die Hand nehmen müssen, nicht mehr nach Brüssel, Paris oder Berlin schauen wollen, um anstehende Probleme gemeinsam zu lösen. Die EU verblasst solchem Verstehen gegenüber zu einem Popanz, der einfach zu viel verspricht, ohne die Armut und die Jugendarbeitslosigkeit und die Flüchtlingsfrage in humaner Weise zu bewältigen.
Das Gefälle wächst und wächst zwischen „denen da oben“ und „denen da unten“. Es reicht, ist der tatsächliche Zeitgeist in diesen Tagen. Und das ist gut so, sagen die Menschen in Europa. Das wird zunehmend zu einer Stimme. Nicht die EU, deren Stimme klingt hohler und hohler dagegen.
Wenn in Hamburg zur Zeit so viele solidarisch auf die Straße gehen – furchtlos und unbestechlich – dann ist das ein unübersehbares Zeichen für eine Haltung, die sich weder durch Phrasen noch durch Polizeipräsenz beschwichtigen lässt.
So wie auf dem amerikanischen Kontinent die großen Städte die Probleme von Klimawandel und Migration gemeinsam angehen wollen – soll doch der „Staat“ posaunen, was er will derweil – so können auch die Städte und Regionen auf dem europäischen Kontinent die Probleme selber in die Hand nehmen und dabei erleben, welche Freude, welche Begeisterung und welche Energie dabei freigesetzt werden wird, wenn benachbarte Menschen – viele, sehr viele – in solidarischer Selbstbestimmung und zurecht ungeduldig das Handeln in eigene Hände nehmen. Urban und regional. Überschaubar eben. Und überall in Europa.