Europa – Verraten und verkauft? (Meditation # 51)
Fassadensturz-Ökonomie
Auch wenn sich die sogenannte europäische Intelligentia angewidert abwendet ob der Nachrichten aus der Neuen Welt, sollte sie besser einen erschrockenen Blick in den Spiegel der eigenen Wortgirlanden werfen. Der könnte ihnen dann sehr deutlich vor Augen führen, was man sich in der letzten Dekade so alles in die eigene Tasche log: Unter dem unwiderstehlichen Klang des Werbeslogan des Grundrechteblues, der nur so vibrierte von scheinbarer Vitalität, tanzten Frauenthemen, Geschlechtermix, Fremden- und Flüchtlingsfreundlichkeit eine ausgelassene Polka; und gerne bot man bei all dem das positive Denken als Schlüssel zur Vertrauensbildung und Solidarität an. So sah man sich bald umgeben von lauter gut gelaunten Fröhlichmenschen: An der Kasse, an der Tankstelle, im aufgestylten Markenladen, selbst in der Bank war man plötzlich umgeben von lauter hilfsbereiten Verständnispriestern – in Flugzeugen und an exotischen Plätzen sowieso.
Aber jenseits von all diesen wohlklingenden und duftenden Angeboten bahnte sich die alles einebnende Geldgier ihre Schnellstraßen, auf der sehr bald die meisten uneinholbar abgehängt waren. Europa – einst der Kontinent mit einer reichen Geschichte an Kultur und Kunst und langsam gewachsenen Selbstvertrauen in so vielen Sprachen und Regionen hatte sich einem blendenden Vorbild angebiedert, das nun die Rechnung bezahlt haben wollte. Natürlich durften sie auch weiterhin den Song vom Wohlstand für alle singen. Aber nach und nach kam der Glanz in den Augen der Sänger unmerklich abhanden und bald stürzte eine Fassade nach der anderen ein: Das feste Gehalt wurde geschmälert oder in unfestes umgewandelt, die Altersvorsorge zum Sankt Nimmerleinstag verabschiedet, die Heimat wie von Zauberhand in eine minderwertige Plastikkopie verhunzt, die man überall auf der Welt feil bot – so war man über Nacht überall zu Hause und damit nirgendwo mehr. Die heimlich wachsende Enttäuschung hielt man schön hinterm Berg und suchte insgeheim die Schuldigen am Horizont und anderswo.
Jetzt wird man fündig. Hüben wie drüben. Wie aus langem Schlaf erwacht sind Lebenszeit und Hoffnungen davon geschwommen. Katerstimmung allenthalben. Wo fangen wir an? Am besten mit Kehren vor der eigenen Tür. Vielleicht kommt dann ja auch ein erstes ehrliches Gespräch mit dem ebenso enttäuschten Nachbarn in Gang. Wer weiß!
Und wieder fällt den Polit-Profis nichts anderes ein als Angst Machen. Angst vor der unberechenbaren Wut der so gerne bisher Übersehenen soll die neue Solidarität sein. Was für ein schlichtes Muster! Was für ein scheinheiliger Sprachmüll! Und wie ähnlich denen, die sie so fulminant kritisieren. Hören wir doch besser auf die, die zum Bespiel in dem sehenswerten Film „TOMORROW“ einfach das machen, was sie für richtig halten – zusammen mit Gleichgesinnten! Noch nicht gesehen? Dann sofort nachholen! Kostet wirklich nicht viel. Vielleicht zusammen mit den Nachbarn als Wohlfühlauftakt am kommenden Wochenende. Und hinterher setzt man sich zusammen, redet über das, was man gesehen und gehört hat. Und schon kann man sich wundern, dass man einen Abend mit Menschen verbracht hat, die auch keine Lust mehr haben auf die „Alles geht sowieso den Bach runter!“-Sprüchen, sondern eigene Lebensfreude wiederentdecken und sich vorstellen können, auch so etwas einfach anzufangen wie in „TOMORROW“ vielfach vorgeführt – lassen wir die Bosse und Polit-Experten doch einfach weiter Sonntagsreden halten! Wir wissen Besseres zu tun.