31 Jan.

Leseprobe – YRRLANTH- Historischer Roman – Blatt 150

Pippa spürt neues Leben in sich.

In wenigen Tagen werden sie zur Villa Marcellina aufbrechen. Rochwyn hat vom Truchseß und vom Hofmeister den Auftrag erhalten, die kleine Reisegruppe mit seinen Leuten schützend zu begleiten. In Lutetia schwirren die Gerüchte wie Stechmücken von Hütte zu Hütte, jeder weiß es besser. Alle reden von einem Streit zwischen König und Bischof.

Während die Männer Rochwyns Proviant organisieren, sitzen Pippa und Somythall in der wärmenden Frühlingssonne und lachen über das Lachen der kleinen Sumil. Rut, die Amme, wiegt sie in ihren Armen. Auch sie freut sich über dieses lebenslustige Menschlein, das sich so gerne kuschelnd in dem Tragetuch hin und her rollt.

„Somythall, darf ich dich etwas fragen?“ beginnt Pippa zögerlich. Seit Tagen hat sie ein Gefühl in ihrem Körper, das sie völlig verunsichert. Mal ist ihr etwas schwindlig, mal übel, mal fühlt sie sich krank.

„Nur zu, nur zu!“ muntert Somythall sie auf. Sie ist so glücklich über ihre Tochter, aber auch darüber, dass sie bald Julianus wiedersehen wird. Ihre Gefühle und Gedanken purzeln in ihr pausenlos wild durcheinander. Da ist sie froh, dass ihre neue Freundin, Pippa, sie ablenkt.

„Ich wache seit einiger Zeit morgens auf und weiß nicht, was…“ versucht Pippa möglichst normal zu erzählen. Aber da unterbricht sie schon Somythall.

„Pippa? Kann es sein, dass du mir gerade sagen willst, dass du…“

Pippa schnappt nach Luft, sie schluckt, nickt ganz aufgeregt und sagt dann einfach den Satz, auf den sie selbst überhaupt nicht vorbereitet ist:

„Ich glaube, ich bin guter Hoffnung!“

Da klatscht Somythall vor Freude laut in die Hände, so dass Sumil sogar erschrickt.

„Herrin, Herrin, nicht so laut, Sumil fängt gleich zu weinen an vor Schreck!“ meldet sich die Amme zu Wort. Da nimmt Somythall aber schon Pippas Hände in die ihren und lacht und lacht.

„Was gibt es denn hier zu lachen?“ Rochwyn tritt im selben Augenblick zu ihnen auf die kleine Veranda.

Die zwei Frauen brechen ihr Lachen kichernd ab, werfen sich noch vielsagende Blicke zu, bevor Somythall leichthin antwortet:

„Ach, Pippa hat mir gerade eine ganz lustige Geschichte erzählt!“

„So, so. Was denn für eine Geschichte?“

Da wird ihr klar, dass sie sich gar nicht überlegt hat, was sie denn so schnell erfinden könnte.

„Ich habe ihr von einem Angler unten am Fluss erzählt“, kommt ihr Pippa zum Glück zu Hilfe, „der fast von einem Fisch, den er an der Leine hatte, ins Wasser gezogen wurde – so groß war der gewesen. Und es sah so lustig aus!“

„Ist mir auch schon passiert“, erwidert ahnungslos Rochwyn.

29 Jan.

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 130

Die Audienz beim Minos von Kreta.

„Kapitän Chaturo und die Priesterin Athanama aus dem zerstörten Sidon bitten dem Minos ihre Aufwartung machen zu dürfen!“

So klingt tief tönend die Stimme des Hofmeisters durch die Empfangshalle. Archaikos sitzt auf seinem marmornen Thron und winkt die Gäste gnädig herein. Vier kräftige Matrosen legen prall gefüllte Säcke vor dem Thron ab, dahinter verneigen sich Chaturo und Athanama. Die alten Ratsmitglieder beäugen von ihren Plätzen an den Längswänden der Halle misstrauisch die Szene.

„Nun, nun. Was habt ihr mir denn da mitgebracht und wer seid ihr überhaupt und was wollt ihr von mir?“

Chaturo spürt den drohenden Unterton sehr wohl. Er muss vorsichtig sein. Außerdem meint er gesehen zu haben, mit welch gierigen Blicken er kurz Athanama begafft hat.

„Hoch verehrter Archaikos, Minos von Kreta, wir kommen mit Öl, Wein und Oliven und natürlich auch mit Weihrauch vom fernen Phönizien, das über den Tod seines Königs Agenor trauert.“

Archaikos hält den Atem an. Agenor? Das ist doch Europas Vater. Blass und sprachlos versucht Archaikos so zu wirken, als wenn ihn das alles gar nicht interessierte. Er schweigt. Lässt die Gäste einfach warten. Athanama aber spürt genau, was da in ihm vorgeht. Sie hat seinen Blick eben wohl gemerkt. Einige Ratsmitglieder beginnen gleich zu tuscheln. Das holt den Minos aus seiner Starre zurück. Er winkt in die Richtung des Getuschels, das auch gleich verstummt.

„Das sind gute und schlechte Nachrichten, die ihr da bringt, wohl wahr, wohl wahr.“

Seine Stimme wirkt unsicher, heiser. Ihm will einfach nichts einfallen, was er sagen könnte. So gibt er ihnen einfach zu verstehen, dass damit die Audienz beendet ist.

Chaturo und Athanama verbeugen sich, die Matrosen desgleichen. Sie wenden sich zu gehen. Da fällt Archaikos doch noch etwas ein:

„Übrigens, bleibt doch bis zum Neumond, da geben wir ein großes Fest, das mit einer prachtvollen Tanz- und Musikvorführung endet. Seid unsere Gäste, wir würden uns freuen!“

Der Kapitän und die Hohepriesterin aus Sidon verbeugen sich erneut:

„Gerne nehmen wir eure Einladung an!“ ruft Athanama in die Halle. Nicht nur die alten Ratsherren, nein, auch der Minos von Kreta halten den Atem an: Diese Stimme, dieser Klang, diese Melodie! Als wäre ein Zauber von den Göttern auf sie herabgefallen und hätte sie alle in ihren Bann gezogen.

„Die Audienz ist beendet!“ schnarrt da die Stimme des Hofmeisters dazwischen. Die alten Männer, aber auch Archaikos verlassen fast fluchtartig die hohe Halle.

„Was war das denn?“ fragt Chaturo ratlos Athanama.