09 Jan.

Historischer Roman II – Leseprobe – Yrrlanth Blatt 146

Pippa eröffnet Somythall eine unglaubliche Geschichte.

Pippa kämpft weiter mit den Tränen. Somythall weiß nicht, wie sie trösten könnte. Da beginnt aber Pippa mit einem tiefen, trockenen Seufzer leise zu sprechen – so als würde sie nur mit sich selbst sprechen.

„Von Anfang an war ich misstrauisch, weil alles so schnell gehen musste: zuerst die Zwangstaufe, Bischof Arnulf bestand darauf, dann die Übernahme der maroden Güter, dann die Prüfungen, die wir über uns ergehen lassen mussten, zuletzt die Hinrichtung der Brunichild, der wir zuschauen mussten, dann dieser Befehl, diese römische Villa dem Erdboden gleich zu machen, dann Pippins Abreise mit seinen Soldaten, die ihm der König anvertraut hatte, dann das bange Warten und schließlich…“ Doch da kann Pippa nicht mehr weiter sprechen, sie weint laut, schluchzt erbärmlich und fasst tränenüberströmt Somythalls Hände, die nicht aus noch ein weiß. Aber auch Somythall ist sprachlos, denn was sie da gerade gehört hat, versetzt ihr einen heftigen Schlag: von welcher römischen Villa ist da die Rede? Es gibt doch kaum noch welche, außer…Nein, es musste eine andere gewesen sein, nicht die Villa Marcellina, nein, denkt sie. Dann hört sie sich selbst leise antworten:

„Ist er nicht zurückgekommen? Ist er…?“

Pippa nickt nur und weint weiter. Für einen Augenblick stellt sich Somythall vor, wie sie sich fühlen würde, wenn sie Pippa hätte erzählen müssen, Rochwyn sei…So streichelt sie einfach behutsam Pippas Hände und sagt gar nichts. Nur das Flackern der Fackeln scheint unbeeindruckt vor sich hin zu fauchen, sonst nichts.

„Er war so voller Hass. Auch in Luxovium hatte er ein Blutbad unter den Mithras-Gläubigen angerichtet, aber in der Villa Marcellina hat er nun seinen Tod gefunden.“

„Und die Villa und ihre Bewohner?“ versucht Somythall so ruhig wie möglich zu fragen. Denn wenn sie jetzt erfahren würde, dass Julianus bei dem Angriff ums Leben gekommen sei, dann, dann. Sie wüsste nicht, wie sie reagieren würde.

„Die hatten wohl gewusst, dass Pippin sie überfallen wollte, sie waren gewappnet, sie hatten sogar einen Verteidungsring um die Villa errichtet, in dem fast alle Krieger des Königs so wie Pippin selbst ums Leben gekommen sind. So jedenfalls hat es einer der Überlebenden später vor dem König berichtet.“

Somythall fällt ein Stein vom Herzen. Sie ist stolz auf Julianus und die Villa-Leute. Sie haben dem fränkischen König erfolgreich widerstanden. Wunderbar. Pippa aber will sie nichts von diesen Gefühl verraten.

„Pippa, wenn ich es vermag, will ich dir helfen. Ich kann deinen Schmerz gut verstehen.“

Da umarmen sich die beiden jungen Frauen und werden unversehens Freundinnen. Doch das wissen sie da noch nicht.

Die Holztür öffnet sich quietschend, hereintritt Rut, die Amme. Als sie die beiden Frauen sieht, will sie gleich umdrehen, doch Somythall sagt nur: „Bleib!“ Somythall geht gerade ein kühner Plan durch den Kopf.

07 Jan.

Europa – Meditation # 309

Europa – Babylonische Sprachverwirrung? (Teil 4)

Die Zeit der Kriege ist endgültig vorbei – zumindest in der wirklichen Welt. In dem kommenden Metaversum allerdings kann jeder mit jedem jeden Krieg führen, auf der Erde, aber auch interstellar, klar. So wird die Welt doch noch erlöst werden, weil die ganz Großen Vier dafür sorgen werden, dass die kleinen Kanzler und Präsidenten zu bloßen Verwaltungsbeamten herunter gedimmt werden.

Ein Berg von Zucker, ein Zuckerberg eben. Das ist es, was uns das Neue Jahr 2022 bescheren will. Wir werden also nicht nur ordentlich eingeseift, sondern dazu auch noch so richtig in süße Watte gepackt. Rosige Zeiten warten auf die Menschen. Und warum ist das nicht bloß eine von unzähligen Prognosen, die sowieso wie Luftblasen im Wind verwehen werden, wie all die anderen auch – bis auf die von den Börsen?

Weil es ein Rund-um-Paket ist, das da von scheinbar wahren Humanisten, den vier Großen von Übersee eben, angeboten wird und das wir einfach nicht ablehnen können.

„Nu aber mal Budda bei de Fische!“

Wie bei den Babuschkas ist ein Päckchen schöner als das andere und passt auch genau alles zusammen und ineinander:

Unsere Kleinen brauchen bald keinen Unterricht mehr in Schulen, denn über die speziellen Handys werden sie mit Programmen versorgt, die sie Tag und Nacht abrufen können, die nicht nur Lernstoff anbieten, sondern auch beste Unterhaltung mit allen Freunden, die man sich da so avatar-mäßig selbst gestalten kann – und dann seid ihr mitten drin im Leben.

Ja, sogar die Penner landauf, landab, werden mit billigen Handys versorgt werden, so dass ihnen ab 2022 die Zeit wie im Fluge vergehen wird, weil Tag und Nacht Spiele gespielt werden können, noch und noch, flatrate-mäßig – die öffentliche Hand wird es schon richten.

Unsere Alten brauchen auch keine Sorgen mehr zu haben. Keine Besuche? Kein Problem. KI und die kleinen süßen Roboter wissen immer die richtigen Antworten auf die immer gleichen Fragen der Alten. Auch die Alten können sie einklinken ins Metaversum – mit speziell für die Alten programmierten Seiten.

Und die in der Mitte des Lebens?

Kein Problem, die werden vor lauter Ehrgeiz mit ihrem start-up-Traum so malochen, damit sie ganz, ganz bald ganz, ganz viel Kohle verdienen werden. Fit halten die sich mit schicken Drogen, die die Leistungsfähigkeit bei Tag und bei Nacht verdoppeln, was sag ich, verdreifachen, mindestens. Also auch die werden nicht merken, dass sie bald unter dem Zucker-Watte-Berg verschwinden werden und ihre Einbildungen für Wirklichkeiten halten.

Während die großen Vier gemächlich und ungestört und unkontrolliert weiter planen an 3.0 oder so…Die Zeit der Kriege also wirklich ist endgültig vorbei. Gute Nacht, Abendland, schlaf schön weiter!

03 Jan.

Europa – Meditation # 308

Europa – Babylonische Sprachverwirrung? (Teil 3)

„Das in eins Gewendete“ als wörtliche Herleitung des lateinischen Wortes

u n i v e r s u m

ist ein kühner Wortwurf für das chaotische ALLES, das Welt und All und uns gleichzeitig umfassen soll. So machen sich die ehemaligen Jäger und Sammler das Nicht Verstehbare verständlich, wenn sie mit großen Augen in den blinkenden Nachthimmel blicken. Einfach nur Verwirrend . Beunruhigend.

Anders machen es die kleinen Kinder: Beim Sand durch die Finger Gleiten Lassen schauen, summen, kneten, lachen und seufzen sie wohlgefällig, überlassen Raum und Zeit sich selbst und sind so nicht ein abgetrennter Teil von alledem, sondern mittendrin, ganz. Ganz Ruhe, ganz sicher.

Die Großen betrachten mit sehr gemischten Gefühlen dieses Bild, geraten ins Schwärmen und beneiden die Kleinen ob ihres ungebrochenen Selbstbildes im Ganzen: „Ach, wäre man doch nur wie die Kinder!“ Sind sie aber nicht, also bauen sie Schutzdämme gegen diese Selbstgewissheit der Kleinen, in dem sie sie als Vorläufer, als Anfänger, als Nicht-Wissende klein reden und sich selbst – gewissermaßen in der Mitte der Seinsgewissheit, wo man mit Verstand und Reflexion das Chaos in Zahlen, Begriffe und messbare Werte zerkleinert sich denkend verfügbar gemacht zu haben glaubt (als Kronzeuge firmiert dabei die Aufklärung mit ihrem kühnen Selbstläufer: cogito ergo sum) – und sich selbst als Höhepunkt, als Wahrheits-Nadir bewundern.

Der Gipfel scheint nunmehr erreicht, da „alles“ zwischen eins und null zusammengeballt werden kann, für jeden erlebbar als scheinbar virtuelle Wirklichkeit, die aber genau das Gegenteil meinen soll: Im Meta-versum (also über das Uni-versum hinausweisend?) – ein Prometheus, jeder, der sich seine Welt nach seinem Willen schaffen kann. Zahlen und Begriffe stehen ihm willig zu jedweder Deutung parat. Kreator perpetuus. Wären da nicht auf der anderen Seite des Blickfeldes die Alten. Die immer wieder mitleidig lächeln, in sich zu ruhen scheinen wie die Kleinen und einfach die vom Fetisch Wachstum ausgehende Faszination nicht mehr teilen wollen.

Da hilft nur eins: Wegsperren. Die Kleinen möglichst früh in die bunt ausstaffierten Kitas, die alten in die mit abwaschbarem Mobiliar ausgelegten Altenheime, in denen bereits die KI erfolgreich Routineaufgaben übernommen hat, flankiert von menschenähnlichen Geräuschen, die wie Wörter klingen, die Menschen für Menschen erfunden haben. Der sogenannte circulus vitiosus, der jedes Mal beim Nachdenken über das, was ist, den nachdenkenden Menschen in sein Denken einsperrt, scheint damit endgültig hinter den Jägern und Sammlern zu liegen: Die Mitte des Lebens als die Mitte der Welt, der Universum im Metaversum. Endlich angekommen, keine inneren und äußeren Störungen mehr, alles unter Kontrolle.