28 Dez.

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 129

Europas Albtraum

Was für ein Augenblick: Immer noch laden schwitzende Männer volle Amphoren von Bord des Schiffes, immer noch betrachten Chandaraissa und Europa dieses Hafentreiben voller Neugierde und Lust, immer noch schwebt die Sonne gleißend über dem Wasser, aber gleichzeitig überschlagen sich in Europas Gedanken die Bilder, die sie völlig überfluten. Ihre Augen – geblendet von den inneren und äußeren Bildern des Augenblicks laden sie wie in einem nicht enden wollenden Lichtblitz ein zu einer Reise durch Raum und Zeit. Eine grauenvolle Flugreise.

Da steht der Riese Talos grinsend vor dem Hafen. Seine Hände schleudern gerade große Felsbrocken herab, sein grölendes Gelächter dabei schmerzt in ihren Ohren. Keiner scheint die Gefahr zu bemerken außer ihr. Aber die Atemluft, die sie jetzt braucht, um einen rettenden Schrei auszustoßen, hat sie nicht. Sie scheint stattdessen zu ersticken. Schon fällt sie ins nächste Bild dieser Blitzzeitreise.

Elefanten fallen in einer Schneelawine röchelnd zu Tal, dazwischen Männer, haltlos schweben sie in einem lautlosen Todesangstgestöhn auf eisigen Pisten, dann sind es Männer auf großen Seglern, die im Feuer der Segel verenden, Explosionen, während die Schiffe prustend in Wellenbergen versinken.

Nebelschwaden verstellen ihr jedoch den Blick; weiter um Atem ringend steht sie an schmalen Gräben, in den Männer übereinander zerrissen und tot daliegen, Ratten dazwischen, Ratten. Dann hört sie neben sich Chandaraissa flüstern: „Europa, was ist mit dir?“

Sie sieht sich selbst, wie sie langsam den Kopf schüttelt, weint, nach ihr greift, die Freundin aber nicht da ist.

Aber schreiende Männer, mit weit aufgerissenen Augen, von Blitzen zerfetzt, wieder in einer eisigen Winterlandschaft. Sie sieht sie schreien, hört sie aber nicht. Voller Angst hält sie sich die Ohren zu. Da kommen die Felsbrocken direkt über ihr herunter. Jeden Augenblick, werden sie alles unter sich zermalmen. Sie meint, ihre Mutter, Telephassa, zu rufen. Die aber hat sich abgewendet, verschwindet im Palast in Sidon, wo die Mörder auf sie warten. Europa will sie warnen, vergeblich. Endlich bekommt sie wieder Luft, ihr Blick wird wieder klar, ihre Stimme hörbar:

„Chandaraissa, wir dürfen nicht länger warten. Gewitterwolken brauen sich über uns zusammen, fürchterliche.“ Die Hohepriesterin schaut sie verblüfft an. „Europa, was redest du denn da? Kein Wölkchen am Himmel. Der sonnige Nachmittag hier im Hafen könnte friedlicher nicht sein.“

Europa beginnt zu weinen. Chandaraissa nimmt sie in ihre Arme. Und Athanama – oben an Deck des großen Seglers – winkt, als habe sie Europa erkannt.

Chandaraissa sieht es:

„Europa, schau, da oben, die Fremde winkt uns!“

22 Dez.

Europa – Meditation # 304

Dialog # 5

Friedrich Merz, der letzte Mohikaner.

Der eine:

„Es ist einfach so beruhigend, dass wir nie um ein neues Narrativ verlegen sind: Nach den Bühnenabtritten von Trump und Merkel – wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise, so doch jeweils als markante Wegmarke – war zeitweise fast zu befürchten, dass der neue Ampel-Jargon die Lust am Hauen und Stechen nicht mehr bedienen würde…“

Die andere:

„Hör mal, soll das etwa heißen, dass Hillary Clinton oder Annalena Baerbock keine nennenswerten Narrative anzubieten haben?“

Der eine:

„Lass mich doch einfach mal ausreden, ja!? Zum Jahresausklang steht ein außergewöhnlicher Retter vor der Tür, dem viele, sehr viele gerne Geschenke vor die Füße legen würden.“

Die andere:

„Das ist jetzt nicht dein Ernst: Willst du jetzt wirklich diese ausgelutschte Bethlehems-Geschichte als Joker-Narrativ anmoderieren?“

Der eine:

„Danke für das Stichwort, darauf komme ich gerne später zurück. Aber mein Retter ist ein ganz anderes Kaliber, ein Knaller: Gewissermaßen der letzte Mohikaner.“

Die andere:

„Wer soll das denn sein?“

Der eine:

„Friedrich Merz natürlich, der nicht nur vom Erscheinungsbild, sondern auch vom ideologischen Hintergrund ein scheinbar erfrischendes Narrativ zu versprechen weiß: Die Nach-Merkel-Ära wird uns endlich aus dem Jammertal der Bedeutungslosigkeit herauskatapultieren, dass den drei Ampellampen so was von das Licht ausgeht.“

Die andere:

„Schönes Bild, aber auch schön tönern, wenn du mich fragst.“

Der eine:

„Dass nun in Berlin nicht nur das Oberbürgermeisteramt, sondern auch noch das Außenministerium von Frauen geleitet werden soll – nach 16 Jahren, 16!, Kanzleramtsleitung ebenfalls von einer Frau – ist für die Männerriege in den konservativen Parteien schon eine harte Prüfung.“

Die andere:

„Mir kommen die Tränen, echt.“

Der eine:

„Nun kommt die hohe Zeit der lang verborgenen Rache – ich sehe schon die Medien an einem blutrünstigen Narrativ arbeiten, das für jede Menge Serien und Headlines gut sein wird, der Bürger wird bestens unterhalten werden!

Es werden Köpfe rollen, es wird kleine und vielleicht sogar größere Palastrevolutionen geben – zum Beispiel im Süden, wo ein einsamer Wolf seit langem schon immer ungeduldiger auf seine Stunde wartet.“

Die andere:

„Komm, bitte nicht auf das Niveau einer Schmierenkomödie herabsteigen, bitte, die anliegenden Probleme sind wirklich zu dringend und ernsthaft.“

Der eine:

„Nun gut – aber du wirst es im neuen Jahr schon noch erleben, darauf können wir wetten – lassen wir den letzten Mohikaner sich zuerst einmal warm laufen, nach Neujahr ist der bestimmt auf Betriebstemperatur. Wenden wir uns also flott dem zweiten Stichwort zu: Dem Bethlehem-Narrativ.“

Die andere:

„Moment. Ist dir eigentlich klar, dass dieses Narrativ – immerhin erst 2000 Jahre alt – von lauter alten Männern wieder und wieder erzählt und aufgeschrieben wurde, wie all die Narrative davor auch und die jetzt mit der Missbrauchsagenda noch älter aussehen, als sie sowieso schon sind?“

Der eine:

„Ja und?“

Die andere:

„Was hatten denn gleichzeitig all die Frauen, die nicht lesen und schreiben lernen durften in all den Jahrtausenden, für ein Narrativ parat?“

Der eine:

„Bin ich Moses, wächst mir Gras aus der Hand, hab ich ein Loch in der Hose?“

Die andere:

„Das ist natürlich auch eine Antwort, aber keine sehr sachbezogene. Dann will ich dir eben auf die Sprünge helfen: Das Narrativ der Frauen war keines auf Gewalt, Lüge und Macht erpichtes, nein, es war ein sich verweigerndes Narrativ, das aber nicht überliefert werden konnte, weil Sprache, Erinnerung in Texten allein von den Männern betrieben wurde. Ausschließlich. So sind uns all die Begabungen, die in diesen Frauen schlummerten verloren gegangen, unbemerkt und unwirksam verschwiegen und verkannt worden. So hätte ich auch eine andere Wette anzubieten: Die Geschichte der Menschheit wäre zu mindestens 50% anders verlaufen, wenn dieses alternative Narrativ aufgeschrieben und weitererzählt worden wäre.“

Der eine:

„Wow, jetzt kommt aber die richtig dicke Kanone raus, wow.“

Die andere:

„Schade, dass du weiter nur etwas weglachen willst, das wir besser miteinander diskutieren sollten, schade.“

Der eine:

„Ok, Asche auf mein Haupt, ich bekenne mich schuldig und verspreche Besserung – aber vergiss bitte nicht, was ich über den letzten Mohikaner gesagt hatte.“

20 Dez.

Europa – Meditation # 303

D i a l o g # 3

Die Patrix nimmt Fahrt auf – die Männer gehen dann schon mal vor…!

Der eine: „Na, das weiß doch jeder Hobby-Anthropologe, dass die Angst das Grundgefühl unserer Spezies war und ist und sein wird – oder?“

Die andere: „Genau – doch wenn dem so ist, dann war die Patrix bisher nichts anderes, als das Programm, diese Angst tot zu schweigen. Laut, gewaltig, so dass den Frauen nun doppelt Angst ist: Nicht nur in Sorge um das Leben, sondern auch in Furcht vor dem gewalttätigen Mann.“

Der eine: „Auf die Schippe kann ich noch einen obendrauf legen: Dazu kommt jetzt noch die Angst in der Pandemie, die ja leider keine Unterscheidung bei den Geschlechtern kennt.“

Die andere: „So ist es. Aber wer einen Großteil seiner Wachphase im Internet verbringt, um da in seiner Blase blasiert sich an sich selbst hoch zu geilen, der entfernt sich zunehmend von jedwedem Diskurs-Abenteuer. Er weiß es immer schon besser und hat es auch immer schon gewusst.“

Die andere: „Die Patrix hat eben nicht nur das Mann-Sein mantrahaft als Peak der species hinausposaunt, nein, seit der Aufklärung braucht der Mann dazu auch nicht mehr den Glauben, sondern nur noch die Wissenschaft, die ihn in seinem So-Sein anhand der unglaublichen wissenschaftlichen Erfolge, die fast alle auf das Konto der Männer gehen (meinen die Männer), so sehr unablässig zu bestätigen scheinen, dass…“

Der eine: „Der neue Glauben ist eben die Wissenschaft: Messbar, beobachtbar, wissbar. Dem ist kein Kraut gewachsen, erst recht nicht das von Kräuterfrauen.“

Die andere: „Nun sind wir wieder an dem berühmten Sprung in der Platte: Die Patrix vor ihrem Spiegel fragend: Wer ist der Schönste im ganzen Land? Und immer wieder die gleiche Antwort. Wie im Rausch. Gerne stellt er sich da für ein Selfie an jeden Abgrund – mag er noch so spektakulär sein – gegebenenfalls fällt er auch vor lauter Sensationsgier dabei hinten runter…“

Der eine: „Ein längst globales Muster, das seine weiblichen Opfer fordert, Tag und Nacht. Das Krankheitsbild kann ja gar nicht mehr als Krankheitsbild erkannt werden. Ist es doch die Norm, der sich „alle“ beugen, auch in Zeiten von Corona und in Zeiten der Klimakrise.

Die andere: „Statt einer Wende basteln wir und mit uns die euphorisierte Ampel weiter an Perfektionierungen, die unsere individuelle Mobilität nur noch schneller, schnittiger, sausender machen soll. Von Umkehr oder Entschleunigung keine Spur. Das können wir gerne in Yoga-Kursen von ausgebrannten Frauen zelebrieren. Gerne. Das stört uns gar nicht. Im Gegenteil. Es macht unsere dynamische Welt doch nur noch bunter, vielfältiger. Diversity pur! Die Kosten soll bitte schön – wie bisher – weiter der Planet zahlen, und nicht die Patrix, nicht die Macher, nicht die Pillen-Freaks, die schlaflosen Broker und Erfolgshengste!“

Der eine: „Um Vorbilder muss uns da ja auch nicht bange werden.!