26 Nov.

Europa – Meditation # 298

„Lernversagen schicksalhaft hingenommen?“

In einem Artikel in der FR vom Tage – Die Rückkehr der Pädagogik in die Schule – kreist Dr. Josef Hanel wieder und wieder um die altbekannten Stigmatisierungen, die seit vielen Jahren nun schon die Lernszene Europas traumatisiert: Was für furchterregende Begriffsmonster haben sich die Fachleute da nicht ausgedacht – ADHS oder Dyskalkulie oder oder…! Lauter massive Schubladen, in die jedwede Abweichung vom Standard-Lern-Muster bis heute versenkt wird. Hanel beschwört nun „…ein Schulsystem zu schaffen, das alle Anstrengungen darauf konzentriert, jedem Kind den bestmöglichen Unterricht in seiner Klasse zu erteilen.“

Wie oft schon wurden in der Endlosschleife der pädagogischen Gesundbeter Europas Reformen beschworen, Krisen aufgelistet – immer natürlich nur unter dem empathischen Obersatz: Pädagogik vom Kind her denken. Heraus kam und kommt auch wieder bei Hanel nichts anderes als alter Wein und längst sauer in neuen Schläuchen.

Wenn nicht begonnen wird, jedem Kind seine Zeit und seine Weise des allmählichen Begreifens zuzugestehen, dann werden es auch weiter wieder nur „erfolgreiche“, „weniger erfolgreiche“ und „unzureichende“ Lerngruppen oder Einzelschicksale sein, die sauber von einander getrennt in den jeweiligen Schubladen klassifiziert ordentlich aufbewahrt, verwaltet und benotet werden. Von ertragreichem Lernen keine Spur.

Dabei wäre ein horizontale und vertikale Lernumgebung* die dynamische Antwort auf die je individuelle Welterfahrung jedes begabten Kindes. Denn es gibt nur begabte Kinder – aber eben sehr unterschiedlich, so unterschiedlich, dass Klassenbildungen immer nur zu Verzerrungen führen können, die aus Sicht der Lehrenden wie angemessene Lernangebote daher kommen, an denen sich die Kinder verzweifelt abarbeiten. Und die Noten manifestieren dann die Verbannung in die jeweilige Schublade. Denn der schwarze Peter liegt selbstverständlich bei ihnen und nicht bei den Angeboten oder den Lehrenden. So schmilzt die Neugier der begabten Kinder nach und nach weg wie beste Butter an der unbarmherzigen Sonne. Die Pädagogen waschen ihre Hände in Unschuld. An ihnen kann es ja nicht liegen, ihr Engagement ist doch allzu offensichtlich!

* horizontale Lernumgebung – die Themen drinnen und draußen

vertikale Lernumgebung – jüngere und ältere Neugiercluster in einem

Raum

21 Nov.

Europa – Meditation # 297

Europa – lautlos rauscht er heran, der Bumerang.

Die Medien übertreffen sich gegenseitig – wie immer – im Übermitteln von eindrucksvollen Kurven und Statistiken, damit der eigenständig denkende europäische Bürger sich ein möglichst ausgewogenes eigenes Bild von der Krise machen kann. Und natürlich möchten sich die Europäer auch ununterbrochen mit den außereuropäischen Verhältnissen messen: „Wer ist der schlauste im ganzen Land?“

Und vor lauter Starren auf die äußeren Krisen, gerät das innere Gerüst des europäischen Selbstverständnisses immer mehr in den Hintergrund. Innen-Perspektive? Was soll das denn sein?

Der Bumerang, der da lautlos heran rauscht, ist die mangelnde Zuwendung und konkrete Sorge um die eigene Brut: Längst wird sie am scheinbar bequemen digitalen Betreuer abgegeben; die Ruhe ist nicht nur trügerisch, sondern auch toxisch. Toxisch?

Und wie!

Seitdem die Verweildauer unserer Kleinen vor den Flimmerkisten exponentiell zunimmt, die Stille in den Wohnungen scheinbar wohltuend den Nerven schmeichelt, nimmt die Bereitschaft zum Selber Lesen, Schreiben oder zumindest Zuhören im Unterricht ebenfalls exponentiell ab. Und damit werden nicht nur Begabungspotentiale mehr und mehr verschüttet, sondern auch die nachwachsende Generation mehr und mehr in scheinbar ausweglose Abhängigkeit von KI und digitalen Helfern gebracht. Lautlos, nachhaltig und unbarmherzig endgültig. Und dann kommt das neue „Betreuungsmuster“ als lautloser Bumerang auf Europas überalternde Gesellschaften unbarmherzig zurück:

Die Betreuung der Alten und deren Begegnung mit den Jungen verkommt zu einer bloß noch digitalen Erfahrung, deren Kälte und Austauschbarkeit nicht mal mehr als solche erkannt wird.

Eine Welle des Verstummens überrollt so die Alten wie die Jungen, sie entfernen sich wehmütig voneinander, als gäbe es keinen Weg aus diesem digitalen Labyrinth.

Immer deutlicher werden die Probleme vor allem in den ersten Klassen unserer Grundschulen, weil die Kinder, die dort um Wissen und Kenntnisse nachsuchen sollen, weder Geduld noch soziale Kompetenzen mitbringen, die ein gemeinsames analoges Lernen – und damit ein ertragreiches Lernen – unbedingt benötigt würde.

15 Nov.

Neue Geschichten 2021 – Leseprobe

Zwei alte Freunde tauchen aus dem Nebel auf. Geschichte # 16

Haben Levin und Jonathan das nicht alles nur geträumt? Diesen irren Tanz des Laber-Dämons eben mitten in dem Meerestrichter? Die beiden Freunde kneifen sich gegenseitig in die Arme.

„Aua!“ jault Levin auf.

„Hä?“ jault Jonathan zurück, „war also doch kein Traum?“

„Weiß nicht, is ja auch egal, ich will jetzt endlich wieder nach Hause, echt!“ schiebt Levin hinterher. Seufzend schließen sie die Augen, während Walambo, ihr treuer Wal, langsam wieder Fahrt aufnimmt, nebenher natürlich verlässlich Boso, der wunderschöne Mantarochen. Meerwind streicht über das salzige Wasser, Nebel kommt auf.

„He, ihr zwei, statt zu schlafen, solltet ihr besser mal mit aufpassen, dass Walambo in diesem Nebel nicht mit einem Container-Riesen-Schiff kollidiert“, poltert Boso mürrsich.

Pomme de Terre, ihr Hasenfreund, schnüffelt währenddessen neugierig an der Klinge von Malsung, dem gläsernen Schwert, als wäre es essbar. Die Nebelschwaden zaubern einen feinen Glanz auf seine Schnuppernase. Jonathan öffnet wenigstens einen Spalt weit die Augen, um so zu tun, als wolle er Bosos Aufforderung nachkommen. Container-Schiff, so ein Blödsinn, denkt er dabei. Neben ihn fängt Levin glatt zu schnarchen an.

Da meint er plötzlich im Nebel doch etwas zu sehen, etwas Zappelndes, etwas wie zwei große, dünne Streichhölzer. Streichhölzer, hier auf dem Meer im Nebel? So ein Quatsch aber auch. Augen zu! Dann will er es aber doch wissen, also Augen wieder auf, so ein bisschen wenigstens.

Ne, das gibt es doch nicht: Diese beiden zappelnden Streichhölzer im Nebel werden größer und größer, sie scheinen auf einem Floß zu tanzen, das näher und näher kommt. Wie Michael Jackson und sein Double, so tanzen sie – Arme und Beine wild hin und her schlenkernd – und das Floß, das gerät dabei ziemlich in Schieflage. Wenn die nicht mal ins Wasser fallen, denkt Jonathan und schubst Levin in die Seite:

„Siehst du auch, was ich sehe, da vorne? Michael Jackson im Doppelpack?“ fragt er leise seinen Freund. Der traut seinen Ohren nicht und erst recht nicht seinen Augen:

„Bitte, lass mich doch schlafen, bis wir zu Hause sind, bitte!“ murmelt er grantig.

„Na gut, dann eben nicht!“ Jonathan ist sich inzwischen aber ziemlich

sicher, dass es keine Fata Morgana ist, auch kein Nebelgeist, auch keine Streichhölzer sind es, sondern zwei Jungens, die auf dem Floß heftig tanzend und winkend auf ihn zu driften. Denn trotz des Nebels kann er sie jetzt deutlich erkennen, denn Walambo steuert geradewegs auf sie zu: Nein, das glaube ich nicht, das, das – in seinem Kopf purzeln nur so die Gedanken, Namen und Bilder durcheinander – das, das – die beiden sehen aus wie Jack und Moritz, seine zweitbesten Freunde! Vor Schreck verschluckt sich Jonathan dabei an der eigenen Spucke. Er hält die Luft an. Doch dann fast er sich ein Herz und brüllt los wie ein Löwe:

„Jääääääääck – Mooooooritztztztzt – hey – wo kommt ihr denn her?“

Und ob das nun doch alles nur ein Traum ist, der da in seinem Kopf Saltos schlägt, oder ob das wirklich wahr ist trotz Nebel, trotz Laber-Dämon, trotz allem, das erfährst du aber erst in der nächsten Folge der Geschichte von Malsung, dem gläsernen Schwert, das dabei eine wichtige Rolle spielen wird. Wird jetzt aber nicht verraten….hihihi….