27 Aug.

Europa – Meditation # 286

Flüchtlinge ins europäische Boot holen? Nr. 2

Auf jeden Fall.

Denn vor uns haben wir schwere See demnächst. Nolens volens werden wir in Europa – besser wäre natürlich weltweit – unser ökonomisches Denken und Handeln umstellen müssen. Von „Immer mehr!“ auf „ausreichend ist mehr als genug!“

Mobilität in Ballungsräumen wird dann nicht mehr vom Individualverkehr mit seinen endlosen Staus dominiert sein, sondern von einem öffentlichen Verkehrsnetz, das ohne Fahrer und ohne Emissionen alle von A nach B befördert, kostenlos und Tag und Nacht. Die Autoindustrie wird also ordentlich schrumpfen, fossile Kraftstoffe werden ruhen.

Dafür benötigen wir aber an anderen Stellen viel mehr menschliche Tatkraft und Phantasie als bisher: In Schulen mit kleinen Klassen, in landwirtschaftlichen Betrieben, die auf vielen kleinen Flächen intensiv und ökologisch bewirtschaftet werden.

Und der gesamte Dienstleistungsbereich muss kleinteiliger und personell dichter gestaltet werden – europaweit. Dann können sowohl kleine Kinder als auch Alte und Kranke menschenwürdig und heilsam begleitet werden.

Die Angstmacher vom Dienst „Arbeitslosigkeit wird uns überrollen!“ können wir dann im Geschichtsmuseum ausstellen lassen, sie haben längst ausgedient.

Und damit in Afrika nicht das gleiche geschieht wie in Afghanistan, sollten die Europäer auch dort ihr Militär abziehen. Tschad, Burkina Faso, Niger, Mali und Mauretanien werden aus eigener Kraft ihre Länder befrieden müssen. Herrschaftsreligionen bringen den Menschen keinen Trost – sie sind Brutstätten von Gewalt und Menschenverachtung. Das haben die Europäer in vielen Jahrhundert sehr schmerzhaft selber lernen müssen.

Es ist viel zu tun, wenn Europa noch eine Zukunft haben möchte. Jeder, der dabei mithelfen will, sollte da gerne ins europäische Boot geholt werden. Da hilft es auch nicht, den schwarzen Peter weiter zu reichen. Jeder von uns ist mit seinem Anteil dabei, die Waage in die eine oder die andere Richtung sinken zu lassen.

„Gewogen und für zu leicht befunden“ – das wäre ein trauriges Urteil der nächsten Generationen, wenn sie auf uns Heutige zurückschauen werden. Solidarisch aber können wir die Kräfte und Begabungen freisetzen, die nötig sind, das gemeinsame Boot doch noch aus den Untiefen technokratischen Größenwahns heraus zu lotsen. Ist von solchen Überlegungen in den Wahlprogrammen etwas zu lesen? Nein. Das heißt, wir werden nicht nur unser Wirtschaftssystem radikal ändern, sondern auch unser politisches System wieder selbst in die Hand nehmen müssen. Repräsentanten unseres politischen Willens sind ebenfalls ein Auslaufmodell. Groß denken heißt dann, gemeinsam viele kleine Brötchen zu backen, damit wir nicht nur in Europa zu weitsichtigen Überlebenskünstlern mutieren.

26 Aug.

Europa – Meditation # 285

Deutschland erlebt jetzt sein Vietnam….

O d e r

Pinocchio, unser allerliebstes Kuchelkind! Nr. 1

Haben die Soldaten aus den europäischen Ländern, die brav an der Seite des großen Bruders nach Afghanistan zogen, sich etwas in die Tasche gelogen? Oder wollten sie nur treue Vasallen sein – vor allem Deutschland, das ja im Irak-Krieg nicht mitmachen wollte? Es scheint so.

Aber der Schein trügt. Es ging um

n a t i o n – b u i l d i n g

damals und in Deutschland und Japan hätten die Amis das doch richtig gut hin bekommen. Warum nicht auch jetzt in Afghanistan? Zwei Fliegen mit einer Klappe: Böse Buben bestrafen und Unwissende mit dem westlichen

n a t i o n – m o d e l

beglücken. Klang doch vernünftig – oder? Auch die Medien sprangen auf diesen Zug auf – natürlich mit entsprechend kritischer Distanz, aber doch im Grundsatz einverstanden: Nach und nach sollte eben die ganze Welt mit dem

n a t i o n – b u i l d i n g / m o d e l – w e s t

versorgt werden. Die im Westen sorgten sich halt um die restliche Welt, ist doch ehrenwert – oder? Also hatten die Soldaten und ihre Generalität eine hehre Aufgabe. Und die interessierte Öffentlichkeit nickte wohlwollend ihr p l a c e t dazu oder eben auch – wie die Linke – ihr NEIN. Dann rollten nicht nur die Fahrzeuge, sondern auch die Dollars und nicht zu knapp.

Zu aller erst haben dann diese Soldaten nichts anderes getan, als was zu ihrem Grundverhalten gehört: Sie haben gehorcht. Denn ihre gewählten Vertreter hatten mehrheitlich beschlossen, dass „unsere Freiheit auch am Hindukusch zu verteidigen“ wäre. Und nun nach zwanzig Jahren so ein Fiasko! Die vielen Toten und Verletzten, das viele Geld! Was ist da falsch gelaufen? Zumal es jetzt so aussieht, als hätten es „eigentlich“ alle schon immer gewusst, dass es ein Fehler, ein großer Fehler war, sich in Afghanistan so zu engagieren.

Nehmen wir dazu als erstes ein Zitat aus der Presse:

„Deutschland erlebt jetzt sein Vietnam“.

Wieder haben die Medien als Speerspitze westlicher Demokratien ein schönes Bild zur Hand, das sie – wie sich das für gebildete Zeitgenossen gehört – nun dem geneigten Leser anbieten:

Hatten nicht damals in Vietnam – unter Kennedy 1961 hatte das amerikanische Engagement richtig Fahrt aufgenommen – die westlichen Freiheitskämpfer jahrelang nicht verstanden, wie dieses fremde Land tickt, dessen Sprache und Kultur sie nicht kannten? Hatten sie nicht blindlings ihren modernen Waffen, ihrer technischen Überlegenheit vertraut und ihrem so blendenden Weltbild? Wer würde dem widerstehen können? Niemand! Wie es endete, ist hinreichend bebildert und erzählt worden. Und wenn man nun liest, dass „Deutschland … jetzt sein Vietnam“ erlebt, dann klingt das zwar etwas sehr pathetisch, trifft aber wohl auch den Kern des Problems: Auch die Bundesrepublikaner hatten keine Ahnung von der Sprache und der Kultur am Hindukusch, auch sie glaubten doch tatsächlich, das westliche Gesellschaftsmodell dort von oben herab und mit militärischem Druck implantieren zu können. Als säkularer Messias sozusagen. Was für ein Missverständnis! Ist uns Europäern denn schon in Vergessenheit geraten, wie lange es in Europa gedauert hat, ehe die Herrschaft des Volkes als politisches Modell tragfähig wurde? Und ist uns Europäern angesichts der Verwerfungen aus der Kolonialzeit immer noch nicht klar geworden, wie dumm – ja, wirklich einfach dumm – es ist, anderen Kulturräumen die eigenen Bilder einfach überstülpen zu können, weil man sie für die erfolgreicheren hält?

Ein Monte Schibolini, höher als der Turmbau zu Babel – ist nun weltweit zu besichtigen.

Hochmut kommt immer vor dem Fall (Die Sprüche Salomos 16,18) oder bei den Griechen: Hybris wird von den Göttern stets unnachsichtig gestraft.

Angesichts der weltweiten Pandemie, angesichts der Flüchtlingsströme und angesichts der rasant wachsenden globalen Klimakrise: wäre es da nicht angeraten, wenn wir Europäer aufhörten, uns weiter etwas in die Tasche zu lügen und wohlig mit Pinocchio zu kuscheln und den amerikanischen „Traum“ endlich als das zu beschreiben, was er eigentlich war und ist: eine völlig überteuerte Lügenmaschine, der wir wie Lemminge immer noch unseren Tribut zollen? Wir zeigen zwar gerne mit spitzem Finger auf all die, die Afghanistan in Korruption versinken ließen, sehen aber den Balken im eigenen Auge ganz und gar nicht, weil die Dauerschleife der Werbespots uns selbst korrupt den eigenen Planeten weiter zu plündern einflüstert, Tag für Tag den Kotau vor der Börsenkurve zu machen…Die Nase kippt mit uns nach vorne in ein Nichts – sonst schon bald.

23 Aug.

Europa – Meditation # 284

Europa sagt uns ungeschminkt die Wahrheit.

Was habt ihr Europäer doch für ein atemberaubendes Selbstbewusstsein! „Macht euch die Erde untertan!“ – das war das Motto der letzten zweitausend Jahre. Notfalls mit Gewalt, immer aber mit Köpfchen! Männerbündisch. Dabei benutzt ihr die Erzählungen des alten und neuen Testaments, das vor langer Zeit in Palästina von alten Männern aus Quellen des Zweistromlands zusammengeschrieben worden war, um mit Hilfe einer monotheistischen Herrschaftsreligion und einer reichen Institution, geleitet von Männern, die schon immer ein großes Problem mit Frauen hatten, alle Alternativen, die ihr beim Untertan-Machen antraft, als Kinderkram zu verbrennen und stattdessen kirchliche Statthalter einzusetzen, die die Herrschaft europäischer Krieger zu festigen hatten. Ebenso die Herrschaft über Frauen.

Ist euch eigentlich klar, dass all diese Bilder, Narrative und Gesetze aus dem Osten in den Westen importiert wurden und völlig dem kulturellen Erbe Europas wesensfremd waren?

Nein?

Wie auch.

Seit so lange schon beherrschen die Europäer und nach ihnen die ausgewanderten Europäer mit ihrem patriarchalischen Programm in Übersee als ihre „genialen Vollstrecker“ andere Kulturen. Die sogenannten Indianer und die Zwangsarbeiter aus Afrika können bis heute ein traurig Lied davon singen. Bis das Fass zum Überlaufen kam. Dann flog wie ein Bumerang das Leid, die Entfremdung und die Gewalt von überall her nach Europa zurück. Nun würdet ihr am liebsten hohe Zäune und Mauern errichten, um Europa abzuriegeln. Ein Flüchtlings-Tsunami scheint anzurollen. ( Straft jetzt – wie im alten Testament – der strenge Gott sein „Volk“ mit tausend Plagen, mit Feuer und Schwert? )

Aber nicht nur das. Habt ihr nicht mit eurem gewalttätigem Weltbild eure eigenen sozialen Beziehungen untereinander nach und nach demontiert und geglaubt, an deren Stelle materiellen Belohnung installieren zu können, in dem jeder immer mehr und immer mehr Wohlstand haben sollte? Jede Wohnung vollgestopft mit Sachen, Werten, Dingen? Und habt ihr nicht mit diesem materiellen Reichtum eine soziale Armut heraufbeschworen, die nun alle niederdrückt? Denn der Ersatz – die flimmernde Figurenwelt der digitalen 1/0 – Formate – erweist sich als üble Leer-Droge: Jeder braucht jederzeit und überall immer mehr davon, bis selbst der Schlaf zum Feind wird. Einsamer Wolf, heulend jede Nacht.

Und habt ihr dabei nicht gänzlich vergessen, dass die Menschen schon immer eine radikal soziale Natur haben, die durch nichts zu ersetzen ist?

Und fürchtet ihr Europäer euch inzwischen nicht mehr vor der Einsamkeit als vor dem Tod, könnt und dürft es aber nicht zugeben?

Und müssen wirklich erst solch schlimmen Erschütterungen – wie Brände, Fluten, Hitzewellen – den Planeten beuteln, damit auch dem letzten klugen Kopf im stolzen Europa klar wird, dass wir alle auf alle angewiesen sind und das Horten von Dingen nur in mörderischen Sackgassen endet?