19 Aug.

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 122

Das plötzliche Ende der drei Brüder der Europa.

„He, wer sind denn die drei, die da tuschelnd auf den Trümmern des Königspalastes stehen?“

„Sehen ziemlich verdächtig aus. Fremde, bestimmt!“

„Los, kommt, die schauen wir uns mal aus den Nähe an!“ ruft der nächste aus der Gruppe der vom Beben verschreckten Männer.

Die drei Brüder der Europa, Kilix, Kadmos und Phoinix, die unverrichteter Dinge von der Suche nach ihrer Schwester Europa nach Sidon, ihrer Geburtsstadt, zurückgekehrt waren, wollen sich aus dem Staub machen. Die Horde wütender Männer, die da angerannt kommt, lässt sie Böses ahnen.

„Kadmos, Phoinix, nichts wie weg hier“, ruft Kilix leise. Und schon stolpern sie los. Aber vergeblich. Da ist kein Weg mehr, keine Straße, nichts, nur Trümmerberge, die im Wege stehen.

In den Köpfen des Männertrupps, der nichts mehr ist als ein Bündel aus Angst und Schrecken – ihre Stadt gleich zweimal zerstört, erst dieser blutrünstige König Ufroras aus Assyrien, dann das Beben, das die Götter hinterher schickten – schreit alles nach einem Sündenbock. Und sie spüren atemlos vor Zorn und Rage, dass die drei fliehenden Männer wie von den Göttern geschickt scheinen: Die müssen wir kriegen, die müssen wir opfern, dann wird alles wieder gut! Kurzer Prozess, klar. Auf sie mit Gebrüll!

Auf Kreta hat währenddessen Europa Albträume: Diese Giftanschläge, dieses Beben! Sind es Warnungen der großen Göttin oder sind es nur Zufälle? Der eine von missgünstigen Männern, der andere von neidischen Göttern? Warum muss ich gerade jetzt an meine Familie denken? An meine strenge Mutter, meinen herrschsüchtigen Vater, meine lustigen Brüder? Sie weiß es nicht.

Phoinix, der hinter seinen beiden Brüdern her rennt, stolpert, fällt.

„He, so wartet doch, he!“ ruft er. Er hat sich den Fuß umgeknickt. Kilix zerrt Kadmos am zerrissenen Hemd zurück.

„Komm, Bruder, wir müssen ihm helfen!“

„Nein, da kommen sie doch schon, die werden uns umbringen!“ schreit Kadmos und will sich losreißen. Vergeblich. Kilix zwingt ihn mit zum stöhnenden Bruder.

Dann geht alles furchtbar schnell: Der Mob ist da, über ihnen, schreit, schlägt, tritt, flucht, lacht grässlich; die Brüder flehen um Gnade. Sie seien doch des Königs Söhne, Prinzen alle drei.

„Habt ihr das gehört? Ist das nicht dreist?“

„Die wollen uns wohl noch belügen, diese Fremden, Mistkerle, aber auch!“

„Ne, ne, hört mal, die Gesichter kenn ich, die sind wirklich…“

Aber der erstaunte Mann kommt gar nicht mehr dazu zu sagen, was er meint. Die anderen haben schon Steine aufgehoben, werfen nun voller Wut auf die drei Männer, was sie in die Hände bekommen. Steinflug, fast wie Hagelschlag. Es dauert aber, bis sich keiner von den dreien mehr regt.

18 Aug.

Europa – Meditation # 282

„Dass Frauen zum Priesteramt zugelassen werden,

ist einfach nicht realistisch“,

sagt in einem Interview ein gewisser Herr Woelki, als wäre es ein ganz normaler Satz in deutscher Sprache. Ist es aber nicht. Es ist lediglich der Text aus einer Blase einer Priesterkaste, die seit ein paar Jahrhunderten – wie eben in einer ordentlichen Litanei – monoton wiederholt, dass ein gewisser unsichtbarer Mann-Gott keinen Spielraum gibt für eine andere Position (wobei inzwischen doch jeder weiß, dass es lediglich ein paar alte Männer im 4. Jh. unserer Zeitrechnung in Nicäa waren, die mit knappster Mehrheit beschlossen hatten (so ähnlich wie der Beschluss zum Bonn-Berlin-Umzug neulich), dass ihr frauenfeindlicher Drei-Mann-Gott nicht nur keine anderen Götter neben sich duldet, sondern auch die Frau als aus der krummen Rippe des Mannes entstanden in der Gemeinschaft der Menschen nur zweite Geige spielen dürfe. Doch damit die Frauen nicht völlig aus dem Ruder laufen – denn wer lässt sich schon gern einfach so von alten Männern unterbuttern? – entschloss sich später wieder so ein Club alter Männer eine Mini-Göttin zuzulassen. Die sollte aber auf alle Fälle steril und a-sexuell sein, damit sie keine Unruhe unter den geilen Männern stiften könnte. Mit ordentlich verhülltem Körper, möglichst auch mit Kopftuch. Die Kirche aber wuchs dank zahlloser Erbschaftsschenkungen zu einem kolossalen Herrschaftsinstrument heran, das mal gegen, aber meistens mit der herrschenden Clique den Rest schön zu absolutem Gehorsam zu konditionieren wusste. Abweichler wurden gnadenlos verfolgt, gefoltert, gevierteilt und mit Lust verbrannt. Vor allem Frauen. Fußnote: Bei den peinlichen Verhören und Folterungen konnten die geilen Männer auch noch ihre Lust auf perverse Weise befriedigen: Nackte, gequälte und fürchtlich schreiende Frauen als religiös verbrämte Fleischschau.

Seit aber Lesen und Schreiben und das Vervielfältigen von Schriften Allgemeingut geworden war, bröselte die Botschaft des alten Männerclubs bedenklich, von Jahrhundert zu Jahrhundert.

Nun, in der Gegenwart angekommen, klingt das Woelki-Zitat wie eine Witz-Volte aus einem zweitrangigen Kabarett. Die massenhaften Austritte aus den Kirchen – vor allem von Frauen – sprechen da eine klare Sprache: Was wir glauben, lassen wir uns nicht länger von einer völlig verstaubten und unglaubwürdigen Firma, die sich euphemistisch „Kirche“ nennt, vorschreiben. Unsere Spiritualität erreicht die Menschen von unten um vieles wirkungsvoller.

Europa, die weitsichtige, kann da nur schmunzeln: „Leute, ihr hier in Europa habt aber wirklich ziemlich lange gebraucht, bis ihr die fast schon vergessene Botschaft vom Glück auf Erden wieder entdeckt habt. Kirche und ihre zölibatären Knechte wollen sich einfach nicht dem vitalen Leben zuwenden.

Gemeinsame Sorge und gemeinsames Teilen zwischen Frauen und Männern schaffen gemeinsam ein Morgen, das Leben gestaltet, nicht zerstört.

15 Aug.

Europa – Meditation # 281

„Keine Demokratie entsteht aus einer militärischen Besetzung.“

Das sagt Malalai Joya (43) – afghanische Politikerin und Aktivistin. „Ob dieser zwanzigjährige Einsatz umsonst war? Definitiv ja, die amerikanischen und und die westlichen Truppen sind gescheitert. Sie sind aus ihren eigenen geopolitischen Interessen gekommen, aus ihren eigenen innenpolitischen Interessen gehen sie nun wieder weg.“

Ein vernichtendes Urteil. Aber die Bilder vom Abzug der Truppen in Vietnam und die vom Abzug in Afghanistan erzählen die gleichen fatalen Geschichten: Man wollte in Vietnam die Werte des Westens verteidigen (dabei gab es dort nur eine korrupte Clique von Politikern, die sich um einen starken Mann geschart hatten), doch was blieb, war nichts anderes als ein biologisches Desaster à la „verbrannte Erde“ , und auch in Afghanistan wollte man die westlichen Werte verteidigen – als Rachefeldzug wegen der Zerstörung der beiden Türme des World-Trade-Centre – da musste dann auch die BW mitmachen, obwohl sie im Irak-Desaster noch gewagt hatte zu sagen, „es gäbe keine hinreichenden Beweise für eine Kriegserklärung“. Und was ist in den zwanzig Jahren im Sinne der Verwirklichung dieses hehren Zieles in Afghanistan passiert? Viele, viel zu viele tote Soldaten, Kollateralschäden en masse und Unsummen an Entwicklungshilfegeldern. Und wo sind die geblieben? Der größte Teil verschwand in den Taschen der War-Lords, die man still stellen musste, damit im Umfeld der militärischen Lager so etwas wie Grabesruhe aufrecht zu erhalten war, was in den westlichen Medien dann als Politik der kleinen Schritte in Richtung Demokratisierung und Befriedung des Landes verkauft wurde. Kritische Stimmen innerhalb der Medien waren demgegenüber höchstens so etwas wie zaghafte Piepser, mehr nicht.

Und jetzt der große Katzenjammer, jetzt wird rückblickend nach den Schuldigen gesucht, die es ermöglicht hatten, in den westlichen Demokratien Geld und Menschen zu gewinnen, die man dort heroisch „verbrennen“ konnte. Es gab und gibt Orden für Tapferkeit vor dem Feind, doch der Taliban kämpfte – ähnlich wie einst der Vietcong – aus dem Hinterhalt und dem Untergrund und den zerklüfteten Bergen und war nicht zu fassen.

Jetzt quillen sie wieder hervor aus ihren Rückzugsgebieten; die ehemaligen Lager der NATO bieten sich nun an als strategische Punkte zum Erobern von Provinzstädten, die War-Lords haben in der Porto-Kasse noch den einen oder anderen Dollar, um die Kämpfer mit Nachschub zu versorgen – sie möchten aber nicht genannt werden.

Was hätte mit dem verschleuderten Geld nicht alles in den Heimatländern der müden Krieger der NATO an sinnvollen Projekten aus dem Boden gestampft werden können: Kindergärten, Krankenhäuser, Wohnungen, Schulen, Schwimmbäder, Altersheime…Milliarden und aber Milliarden…Und die Gefallenen: so viele ungelebte Leben, so viel Trauer, Schmerz, Zorn…