28 Sep

Europa – Meditation # 412

Die Koordinaten der Patrix: Gewalt und Angst.

Wie erfährt der Mann Selbstbestätigung und Zuneigung. Und wie die Frau?

Machtvoll will er scheinen, groß, stark, furchterregend. So schafft er sich Gefolgschaft, Unterwerfung, Abhängigkeit. Als wäre es eine Naturkonstante.

Liebenswürdig ist sie, anziehend, fürsorglich, behütend. So begegnet man ihr mit Freundlichkeit, Vertrauen, Wärme. Wie die Natur es nahe legt.

Als diejenige, die die Fortpflanzung der species sicherstellt, leistet sie die entscheidende Arbeit unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Lebenslang werden ihre Kinder dafür ihr Anerkennung und Zuwendung schenken. Und der Mann, der lediglich in einem besonderen Moment kurz seinen Samen einbringt, wie fühlt er sich demgegenüber in seiner Rolle?

Er meint, er müsse sich dennoch Achtung verschaffen, indem er mit Macht, Gewalt und Angst Erzeugen Dominanz erzwingt.

So jedenfalls in der Vergangenheit. Vom Zweistromland über das tote Meer und den Tiber verfestigte sich diese Haltung – geschickt verpackt mit scheinbar gottgewolltem Überbau – bis an den Rhein, die Themse und nahm von da erst so richtig Fahrt auf zu weltweiter Verbreitung, so dass heutzutage dieses patriarchalische Muster – die Patrix eben – daher kommt, als wäre es eine Naturkategorie. Die Sprache wurde ihr Schwert, die Logik ihr Rauschmittel.

Und mit solchen Angstszenarien pumpte sich der Mann im Laufe der Geschichte auf zu einem Popanz an Selbstgefälligkeit und Größenwahn, der ihn immer wieder in gewaltigen Kriegen und Mordexpeditionen zur völligen Selbstüberschätzung führte. Tröstende und Trauernde waren da wie immer die Frauen. Im großen wie im kleinen Theater, wo Femizide nach wie vor an der Tagesordnung sind, stehen sich so Mann und Frau sehr ungleich gegenüber, bis der Langzeit-Selbstbetrug nun endlich zu bröckeln beginnt.

Denn inzwischen gelangt diese auch religiös verbrämte Rolle an ihr Ende: Die Lust, die der Mann aus der Angst der Frau schlürfte, beschert fast nur noch Ärger, Unwohlsein, Schuldgefühle und Niederlagen. Und die Kriege der Gegenwart scheinen so absurd wie es schon die Kriege unter Justinian waren, der in Afrika, Mesopotamien, dem Balkan und in Italien so viele Menschenleben seinem Machtstreben opferte, dass sie nicht zu zählen waren. Die Koordinaten der Patrix – Gewalt und Angst – als Erfindung eines ratlosen Mannseins haben den Globus in solch eine Krise geführt, dass ein Kassensturz unbedingt ansteht. Packen wir‘s an!

25 Sep

AbB – Neue Versuche – Blatt # 8 – Leseprobe

Die apokalyptischen Reiter 1511 (Albrecht Dürer)

Gewalt – Krieg – Not – Tod

Angst – Schuldgefühle – Selbstverleugnung – Eifersucht

vs

Lebensfreude – Selbstbestimmung – Sinnlichkeit – Freiheit

Die apokalyptischen Reiter (natürlich wieder nur Männer!) reiten in der Patrix alles niedermachend schon viel zu lange über die Menschen dahin: Sie wollen nur Angst erzeugen, jeden mit Schuldgefühlen peinigen, die eigenen Wünsche eigener Sinnlichkeit verteufeln und im gewaltsamen Haben des anderen üppige Lebensfreude und leidenschaftliches Begehren in selbstgewählter Freiheit zertrümmern.

Wenn schon vier Pferde, dann solche, die vier Wesen, Männer und Frauen, jubilierend über blühende Wiesen tragen, wo sie ungestüm ihrem Begehren gerne nachgeben – lauter wunderbare Augenblicke vollkommenen Glücks – während die kräftigen Pferde das frische Grün völlig selbstvergessen genießen.

23 Sep

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 165

Das Floss der Boreia.

Der Sturm lässt nach. Die Wellenberge schrumpfen, das Tosen verebbt in gleichmäßigem Rauschen und Wogen. Aber die Boreia hängt zerborsten fest. Europa, Athanama klammern sich frierend und völlig durchnässt am Stumpf des abgebrochenen Mastes fest. Chaturo kriecht gerade über das, was einmal das Deck gewesen sein muss. Wo sind seine Leute? Alle ertrunken? Sadamanthys und Parsephon, Europas Söhne, winken verzweifelt vom Bug her. Alle in Angst, dass jeden Moment der Rest der Boreia versinken könnte. Das Schiff schwankt bei jeder Welle gefährlich hin und her. Was tun?

Chaturo, der verzweifelte Kapitän – sein schönes Schiff ist hin – , hält Ausschau nach Land. Aber selbst jetzt, wo sich die tiefhängenden Unwetterwolken davon machen, ist weit und breit nichts als Wasser, Wasser, Wasser zu sehen.

Da kommt ihm eine Idee. Wir müssen sofort aus den Resten des Schiffs ein Floß bauen und uns von der Strömung treiben lassen und hoffen, dass es uns an die Küste Phöniziens bringt.

„Sadamanthys, Parsephon, kommt hierher, zu mir!“

Europa und Athanama hören das Rufen, haben aber keine Ahnung, was Chaturo vorhat. Sie beten zu ihrer Göttin:

„Lass uns nicht zugrunde gehen, hilf uns!“ flehen sie inbrünstig. Dann sehen sie, wie die Männer vorne mit Äxten die Planken losschlagen und mit Tauen hantieren.

„Was haben die vor? Sie zerstören doch nur noch mehr das, was von der Boreia übrig geblieben ist!“

Athanama ist völlig verwirrt.

„Wir bauen ein Floß, wir müssen hier weg!“ ruft Chaturo zu ihnen herüber. Gleichzeitig sehen die beiden Frauen, wie drei Männer aus dem Inneren an Deck kriechen. Sie haben wohl unter Deck trotz der Katastrophe überlebt. Einer hinkt, einer hält sich die linke Hand, sie sind verletzt, aber am Leben. Wieder gerät die Boreia in Bewegung, alle fürchten, dass sie gleich versinken werden. Und keiner von ihnen kann schwimmen.

Hastig basteln die Männer unter Anleitung von Chaturo an dem Floß, das schon bald Gestalt annimmt. Nicht groß, aber doch mit genügend Platz für die wenigen, die das Unwetter überlebt haben. Parsephon schleppt noch ein Fass mit Trinkwasser herbei, dann kriechen alle zitternd auf das Gefährt, das sie retten soll. Chaturo schiebt es an und springt kühn hinterher.