30 Mrz

Europa – Meditation # 387

Muss erst ein fremder König kommen?

Das geschichtsträchtige, hohe Haus in Berlin hat hohen Besuch: ein alter König hält eine Rede in zwei Sprachen, die jeder verstehen kann – so klar, so schnörkellos, so konkret.

Und wenn man bei dieser Rede in die Gesichter der deutschen Zuhörer schaut, dann spürt man bei vielen, wie schwer es ihnen fällt, freundliche Worte, Komplimente und Humor gut finden zu wollen.

Denn der Alltag in diesem reichen, erfolgreichen und stolzen Land ist viel mehr gekennzeichnet von schlechter Laune, von kränkelnder Anspruchshaltung und Besserwissertum.

Und da stellt sich doch tatsächlich ein König aus England ans Rednerpult, lobt das Gastland über die Maßen, erinnert an gemeinsame Anstrengungen, Freiheit und Wohlstand auf einen Nenner zu bringen, solidarisch jedem Gegner gegenüber zu sein, der sich solchen Werten kriegerisch entgegen wirft.

Und mit Humor den biederen Alltag zu bereichern, aber vor allem auch gemeinsame Anstrengungen anmahnt, um diesem Planeten, dem mehr und mehr die Puste auszugehen droht, noch eine lebenswerte Chance zu geben.

Der Regenbogenpresse wird diese Rede sicher gar nicht schmecken: Familienranküne oder Neid und Missgunst kommen einfach nicht vor, lösen sich angesichts der großen gemeinsamen europäischen Aufgaben in nichts auf.

Mit Ernst und unmissverständlich wird der Kraftanstrengung gedacht, die nötig war, um Europa von den Deutschen zu befreien, die jenseits europäischer Werte sich breit zu machen versuchten.

Und der nun da steht und sich nicht lange an alten Rechnungen abarbeitet, sondern optimistisch eine gemeinsame europäische Zukunft im Auge hat, die nur als gemeinsamer Kraftakt in Sachen erneuerbare Energien zu bewältigen ist.

Wie einfach und klar doch die wichtigen Themen besprochen werden können! Wie peinlich doch demgegenüber das laute Gehabe der aufgeregten Nörgler und Besserwisser wirkt, das Tag für Tag die Medien abends den Deutschen ins Wohnzimmer spielen!

Und kaum haben sie das Hohe Haus palavernd verlassen, fallen sie wieder in ihre alten Muster von schlecht gelaunten Scharfdenkern, denen es um nichts als die Sache geht!

22 Mrz

Archäologie des eigenen Lebens – AbB – Leseprobe # 76

Schürfungen, Reste, Nachträge.

Wenn der harte, metallene Speitel des Grübelns unbarmherzig über die oberste Schuttschicht unserer Lebenskreise kratzt, dann kommt meistens nichts Überraschendes zutage. Erst wenn man kleine, feine Sonden in tiefere Schichten hinablässt, könnte man fündig werden: Verkrustet, verformt, verrostet. Erinnerungsflöze, deren Reichtum leichtfertig übersehen wurde. Als Reste klein geredet, statt als Schätze geschätzt.

So viele Plätze auf dieser Welt haben ihn gesehen: Salamanca, Siena, vor der Union in Ann Arbor, am Strand von Negril, in Lower Waterford, am Fallen-Leaf-Lake, auf dem Cadillac Mountain, in Kyoto, Chandigarh und Toronto-Island, in Boulder und in Lander, Wyoming oder vor der Faneuil-Hall in Boston und neulich erst in Kopenhagen, auf Usedom und im Sarcow-Park, von Brasilia mit Blick auf die Pyrenäen ganz zu schweigen – oder Vezelay und Fontenay oder die drei Schwestern in der Provence oder im Lake District. Wenn nichts verloren geht, dann wird man auch dort noch fündig werden, wenn man wollte. An all diesen Orten herrscht gerade jetzt reges Treiben oder stilles Ruhen. Ob Vögel dort nisten oder Chipmonks bizarre Wettrennen veranstalten, ob Regentropfen von jungen Blättern fallen oder eine Bettlerin ihre Hand ausstreckt, niemand wird ihn dort vermissen, niemand. Lautlos blättert die Zeit in ihren Journalen und wirft lange Schatten auf all die Winzlinge, die jemals an solchen Orten auftauchten und wieder verschwanden. Wer nennt die Namen, kennt die Herkunft? Gleichgültig schmunzelt der Hauch, der gerade darüber weht, die Fragen weg. Wozu?

Es ist doch nur immer der Augenblick, der flüchtige, der die gesamte Fülle des Ortes dem Betrachter anbietet. Hat er es überhaupt bemerkt? Hat er seine Sinne darüber fahren lassen, ist er eingedrungen in die tiefer führenden Gänge selbstvergessener Schönheiten fliegender, flimmernder Staubteilchen? Und nimmt er es mit, bewahrt er es auf, kann er sich später noch erinnern? Aber an was wird er sich dann erinnern beim Erinnern daran?

Schon ist es vorbei. Der nächste Augenblick lässt schon nicht mehr an den vorhergehenden denken. Verflogen, zerstoben, weg.

Und wenn dann eben derselbe erneut Nachträge anschleppt, was werden sie beitragen können zu jenen üppigen Augenblicken? Einbildungen, Andeutungen, Wunschbilder. Irrtümer.

19 Mrz

Europa – Meditation # 386

Als wäre alles nur ein Unterhaltungsprogramm?

Die Medien lassen nicht locker. Quote! Nicht nur soll Zuschauer-nah gesendet werden, nein, auch die Werbeblöcke sollen schön unterhaltsam, spannend und originell sein. Angela Merkel ist so was von weg vom Tele-Fenster, unglaublich. Genauso wie Trump oder Johnsons. März und Söder dümpeln auch vor sich hin. Selbst Orban lässt die Zuschauer zur Zeit hängen, und wenn nun auch noch die Fifa den Frauenfußball hochhievt, dann ist ja sowie so alles in Butter. Selbst das Erdbeben in der Türkei und Nordsyrien ist fast schon so etwas wie Schnee vom letzten Jahr. Und das West-Jordan-Land ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Die Frage, was war zuerst, die Henne oder das Ei, holt niemanden mehr hinter dem Ofen vor. Wie viele Flüchtlinge leben eigentlich im Libanon? Was ist das denn für eine Frage? Und dass die Phlegräischen Felder verrückt spielen, wäre nur dann wirklich eine Meldung wert, wenn es Bilder von einem big bang gäbe. Vertröstungen auf die nächsten 500 Jahre fördern dagegen überhaupt nicht die Einschaltquote. Und der Fußball-Alltag hatte außer den Ausschreitungen in Neapel wenig bildstarkes Material zu offerieren.

Rohingyas, hungernde Kinder in Somalia oder verängstigte Menschen in der Ukraine sind auf die hinteren Seiten der Print-Medien abgewandert, denn dort werden sie von kundigen Spezialisten wortreich in Szene gesetzt.

Leider gibt es keine Mitschnitte von den Tauchern in der Ostsee, die dort in 70 Meter Tiefe lautlos nach seltenen Meerestieren suchten. Dass es dabei zu unabsichtlichen Detonationen gekommen sein soll – Methangas etwa? – ist nirgendwo festgehalten worden. Also auch keine Meldung wert.

Da nach wie vor der Wohlstand in Europa die Konsumenten voll in seinem Griff hat, scheinen Bombenangriffe, Erdbeben und ansteckende Krankheiten eher so etwas für Features oder für Katastrophenfilme eben, die man ja auch noch anschauen muss. Und nachdem „Im Westen nichts Neues“ sogar Oscar-geadelt wurde, hat nun der unzufriedene Zeitgenosse die Wahl der Qual: Krieg – Auf welchem Kanal kann ich denn möglichst nah am wirklichen Geschehen dabei sein? Und was heißt hier eigentlich wirklich? Und wenn über dem schwarzen Meer eine Drohne abstürzt, dann gibt es nicht einmal life-Bilder. Wie soll sich da der kritische Zuschauer ein adäquates Bild vom Geschehen machen? Vielleicht ist die story fake, vielleicht haben bots die Finger im Spiel?

Das macht den Zuschauer ganz schön unwillig. Dann vielleicht ein Quiz-Duell oder play-station-entertainment?