13 Mrz

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 156

Kriegsrat der drei göttlichen Brüder.

Auf dem Olymp sitzen mal wieder die drei alten Brüder in ihrer Bar, schlürfen dösig Nektar und Ambrosia und folgen eher benommen den langatmigen Ausführungen des ältesten der drei: Zeus.

„Also, wie ich schon sagte…“ setzt Zeus gerade erneut an. Poseidon nickt gerade gerne weg, die Stimme seines Bruders ist ihm die beste Melodie zum Einschlafen. Hephaistos aber, den die weitschweifigen Tiraden des Bruders zum Wahnsinn treiben, platzt aufgebracht dazwischen:

„Hör mal, Bruder! Hast du nun eine Idee oder hast du keine? Komm mal auf den Punkt, ja!“

Zeus verschlägt es die Sprache. Was glaubt der eigentlich, wer er ist? Am liebsten würde er seinem aufmüpfigen Bruder jetzt so richtig mal die Leviten lesen, aber es gibt im Moment leider Wichtigeres. So schluckt er seine Schelte herunter und tut so, als sei er geradezu dankbar für den unmöglichen Beitrag seines Bruders.

„Der Punkt ist doch allzu offensichtlich: Archaikos, der Minos, liegt im Sterben, Europa schwingt sich zum Vormund ihrer Zwillinge auf, der Rat der Alten ist vor Zorn zu allem bereit – eine bessere Krise werden uns die Kreter da unten nicht inszenieren – oder?“

Poseidon schreckt aus einem schwülen Traum hoch. Dass sein Bruder aber immer auch so laut reden muss, wenn er nicht mehr weiter weiß, wirklich!

„Äh, haben wir nicht gerade erst eine heftige Niederlage hinnehmen müssen, weil wir den Tanz zu Ehren der großen Göttin nicht verhindert haben?“

Hephaistos und Zeus wechseln entsetzte Blicke: Was ist denn mit ihrem Bruder los? Wir reden hier gerade über den neuen Plan und der wärmt stattdessen die Suppe von vorgestern auf. Also wirklich!

„Wir sind schon ein paar Schritte weiter, lieber Bruder“, säuselt Zeus in die Runde. Er will jetzt einfach voran kommen. Poseidon nickt.

„Und ob!“ ergänzt der Meeresgott, „und ob!“

„Nämlich?“ fragt Hephaistos darauf so beiläufig wie möglich.

„Wir haben gerade vereinbart, bei der Beerdigung des Minos mit einem kleinen Erdbeben nachzuhelfen. Zufällig wird Europa dabei von einer umfallenden Säule erschlagen werden!“

Zeus grinst übers ganze Gesicht, schlürft aus seinem Pokal dazu laut sein Zuckerwasser und tut so, als habe er das Gesagte gar nicht gerade erst erfunden, sondern längst mit Poseidon besprochen.

Poseidon kann es gar nicht fassen. Dass sein Bruder immer wieder eigenmächtig Dinge verkündet, die er mit seinen Brüdern überhaupt nicht abgesprochen hat, ist so typisch für ihn. Am liebsten würde er jetzt einfach aufstehen und in sein Wasserreich abtauchen, aber er ist einfach zu müde dazu. Bei Gelegenheit will er ihm dann doch noch die Meinung sagen, auf jeden Fall. Hephaistos klatscht in die Hände.

„Gut, gut, Bruder, gut! Ist ja ein völlig neuer Plan!“ prustet er los. Er denkt nämlich, sein Bruder habe einen Witz gemacht. Zeus tut so, als meine es Hephaistos ernst. Poseidon hält weiter seine Augen geschlossen und tröstet sich damit, dass er denkt, dass er das gerade alles nur träumt.

„Ähm, ist der Minos also schon gestorben?“ fragt er leise in die Runde. Zeus und Hephaistos sind einem Lachanfall sehr nahe, wollen aber ihren Bruder nicht aus seinen Träumen holen.

Zeus stößt noch einmal mit Hephaistos an, allerdings scheppern dabei ihre Pokale dermaßen, dass es Poseidon aus seinem Sessel holt. Zeus ist zufrieden. Denn für ihn sieht es nun wieder so aus, als könnte er seine demolierte Männlichkeit noch einmal reparieren. Eins jedenfalls ist ihm ein für allemal klar geworden: Als weißer Stier wird er nicht mehr bei den sterblichen Frauen auftauchen – auch wenn sie noch so begehrenswert erscheinen mögen.

Und als er jetzt hinter seinen beiden Brüdern die olympische Bar verletzt, denkt er sich gleich neue, unwiderstehliche Verwandlungen aus. Und schon hat er wieder bessere Laune. Vielleicht als Schwan, als weißer Schwan?

13 Mrz

Europa – Meditation # 384

Einbildungen, Erfindungen, Vorstellungen – Europas Erbe.

Nicht nur erfindet der homo sapiens/Erdling Laute, denen er Bedeutungen unterstellt, sondern nach und nach ist er gerne bereit, diesen Lauten Wirklichkeitswert beizumessen, die alle verpflichtet, sie für wahre Tongebilde zu halten für etwas, das die Sinne zu erfassen scheinen. So meint er die Welt zu seinen Gunsten zu überwältigen und glaubt sie zu verstehen und sogar zu beherrschen.

Schon Lukrez hat in seinem umfangreichen Opus DE RERUM NATURA vor zweitausend Jahren den Versuch unternommen, wortreich diese Einbildungen als zufällige Produkte des Gehirns zu beschreiben, denen der denkende Mensch allerdings eine Stabilität zuweist, die diese Produkte gar nicht haben können. Denn da alles im Weltall ununterbrochen in Bewegung ist, lassen sich die Karambolagen der Atome gar nicht vorhersagen. Sie bleiben einfach zufällig.

Ein anschauliches Beispiel aus der Gegenwart sind die Texte, die derzeit zu den neuen Bilder, die das James-Webb-Teleskop zur Erde sendet, verfasst werden: Sie lassen Wissenschaftler zu der Formulierung kommen, eventuell die Geschichte des Alls neu schreiben zu müssen – sozusagen aus dem Regen in die Traufe zu wechseln.

Denn nach wie vor bleiben die Sprache und die Sprachbilder sich treu, sollen aber nun als Strahler neu ausgerichtet werden. Als könnte man so eine Sinnhaftigkeit stiften, die gleichzeitig das zugrunde liegende Naturprinzip entblößt.

Was wird dann gedacht und gesagt werden können? Genau. Genau nur das, was die vom Menschen erfundene Sprache eben dazu sagen kann. Nicht mehr und nicht weniger. Es wird also weiter lediglich behauptet, dass das, was gesagt wird, das Wesen dessen erfasst, was die Sinne meinen begriffen zu haben.

Sollten allerdings die Dimensionen – zum Beispiel galaktischer Nebel und schwarzer Löcher und deren Entstehung im oder kurz nach dem Urknall (falls Entstehung überhaupt ein brauchbarer Begriff in diesem Zusammenhang sein kann) – das bisherige Fassungsvermögen unserer Sprache übersteigen, werden wir einfach das zu Große in kleinere Entitäten verteilen, um es so mit unseren naturwissenschaftlichen Instrumenten zu erfassen.

Sandkastenspiele von eigensinnigen Kindern, die trotzig auf ihrer Sicht der Dinge beharren. Punkt. Europa wie es leibt und lebt und webt…

12 Mrz

Autobiographische Blätter – Neue Versuche # 73

Geh zurück auf Anfang!

Eben erst in den einschlägigen Gazetten zu lesen: „Das James-Webb- Teleskop entdeckt Galaxien, die es nicht geben dürfte. Vielleicht müsse die Geschichte des Alls neu geschrieben werden, sagt Astronom Günther Hasinger.“ Als habe sich ein Vorhang gehoben und gäbe den Blick frei auf ein galaktisches Szenario, dessen Ausmaß, Alter und Eigenart mit unseren Instrumenten nicht erfassbar seien. Das Bild vom Vorhang sollte im Grunde aber klar machen, dass der homo sapiens lediglich ein neues Theaterstück auf die Bühne bringt – also eine Fiktion, weiter nichts.

Als Kinder des Anthropozäns ist uns von klein auf beigebracht worden, dass der homos sapiens auf einem guten Weg sei, Entstehung und Entfaltung des Weltalls zu durchschauen.

Beobachten, messen, auswerten, schlussfolgern. Nach diesem schlichten Muster traditioneller Wissenschaftsgläubigkeit wird seit „kurzem“ verfahren. Bei schwierigen Ergebnissen heißt dann stets die Devise:

Neue Versuchsanordnung, präzisere Messgeräte und experimentelle Varianzen ausprobieren. Dass aber vielleicht das gesamte wissenschaftliche Konzept untauglich sein könnte, kann natürlich nicht in Erwägung gezogen werden.

Die neuen Bilder des James-Webb-Teleskops allerdings scheinen den Gedanken nahe zu legen, dass die bisherigen Theorien obsolet zu sein scheinen. Und die Wissenschaftssprache muss plötzlich mehr und mehr in den Konjunktiv, den Potentialis und in Hypothesen-Jonglagen ausweichen. Von Exaktheit, Berechenbarkeit oder Stimmigkeit keine Spur mehr.

Im Grunde wird eigentlich jetzt nur deutlich, dass die apodiktischen Thesen vom Urknall auf Sand gebaut waren, ebenso die Zeit-Dimensionen der Dynamiken im Weltall. Schon die Wortwahl: Schwarze Löcher und Galaxien-Nebel lassen erkennen, dass die Horizonte der wissenschaftlichen Thesenbildungen sich doch viel zu sehr an den Maßen und Mustern des eigenen kleinen Planeten orientierten, denn an Offenheiten fremden galaktischen Gegebenheiten gegenüber.

Und wieder weicht der homo sapiens auf ein vertrautes Bild aus, das ihm das Unvorstellbare vorstellbar machen soll: Wir betrachten die Atemzüge der Welt und des Weltalls – Systole und Diastole. Ein solches Bild ist uns dann vorstellbar, es taugt aber leider nur für das Anthropozän mit seinen katastrophalen Auswirkungen auf die „Atemwege“ des eigenen Planeten, nicht aber für die Weiten und Zeiten des Weltalls.

Übrigens: Ähnliches lässt sich vielleicht auch über die Gegebenheiten in der Tiefsee vermuten – unser beschränktes Wissen scheint auch diesem Bereich völlig ahnungslos gegenüber zu stehen!