01 Feb

YRRLANTH – Historischer Roman II – Blatt 166 Leseprobe

Ein fatales Gelage in der Villa Marcellina.

Somythall, Pippa und die kleine Sumila sind längst Richtung Westen unterwegs. Und Rochwyns Leute reiten vorneweg und hinterher. Sie haben ihrem Duc geschworen, die Frauen heil in die Heimat zurück zu bringen. Dass Somythall abreisen musste, ohne Julianus noch einmal gesehen zu haben, schmerzt sie unentwegt. Wie gerne hätte sie ihn noch einmal im Tempel der Diana getroffen! Wir gerne…da unterbricht Thyrdys ihren Tagtraum:

„Frau, es dämmert, vor uns die Lichtung eignet sich sicher gut für einen Platz zum Rasten.“

Somythall nickt.

„Nur zu, Thyrdys, nur zu! Ich bin einverstanden.“

Sie ist froh, dass Thyrdys sie aus ihren Träumen gerissen hat. Denn da kommen auch schon wieder heimlich die Tränen.

„Somythall, was ist, geht es dir nicht gut?“

„Doch, doch, ich muss nur gerade an die Villa denken. Diese Aemihilth, die hat so eiskalte, hellblaue Augen. Ist dir das auch aufgefallen, Pippa?“

Und während sie nun beide absitzen, unterhalten sie sich weiter über die neue Favoritin des Königs.

„Und wie! Ich kenne sie noch aus der Zeit, als sie nicht die Favoritin des Königs war. Da musste sie noch Königin Adaliz bedienen. Sie war da immer so übertrieben unterwürfig. Ekelhaft. Aber dem König hat es wohl gefallen.“

„Was meinst du eigentlich, wie die Königin gestorben ist? So oder so?“

Pippa, die gerade Sumila in den Armen hält, schaut erschrocken Somythall an.

„Somythall, meinst du etwa, dass Aemihilth etwas damit zu tun haben könnte?“

Die verzieht nur die Lippen.

Währenddessen findet – schon einen Tagesritt entfernt – im Osten am Liger in der Villa Marcellina gerade ein kleines Festessen statt. Die neue Favoritin des Königs der Franken, Aemihilth ist seit Tagen zu Gast bei Marcellus, dem römischen Senator. Sie hat ein dunkelblaues, samtenes und sehr enges Gewand an. Marcellus kann sich gar nicht satt sehen an ihr. Die Sklaven bringen gerade Früchte herein. Die Favoritin des Königs ist bestens gelaunt. Bisher läuft alles nach Plan. Den ersten Gefallen hat sie – schneller

und einfacher, als sie gedacht hatte – bereits erfüllt: Königin Adaliz ist überraschend gestorben, beerdigt. Der König in Trauer. Seine Kinder noch zu klein, um zu verstehen, dass die Mutter nicht mehr wiederkommt. Und an dem zweiten Gefallen arbeitet sie gerade. Wenn sie die Blicke dieses Römers richtig deutet, dann ist er ihr bereits verfallen. Auch seinem Sohn, diesem Julianus, der gerade wegen wichtiger Gespräche mit dem Vater von seinen neuen Lehnsgütern auch in der Villa weilt, entgeht es nicht. Aemihilth lächelt lüstern. Sie weiß, wie man mit Männern verfährt, wenn man als Frau von ihnen etwas haben will.

Die Fackeln an den Wänden des Tricliniums flackern. Der Windzug, als die Sklaven wieder den Raum verlassen, spielt mit dem Feuer. Die Jagdszene, die in den Fresken an der Wand erzählt wird, zeigt die Göttin der Jagd, wie sie gerade einen Hirsch erlegt. Stolz und bar aller Kleider zielt sie mit ihrem Bogen auf das fliehende Tier. Der Augenblick vor dem Tod. Julianus, Marcellus und Aemihilth – bequem hingestreckt auf ihren Liegen – scheinen den Abend sehr zu genießen. Jetzt ergreift der Herr der Villa seinen goldverzierten Pokal:

„Hier, schöne Frau, nehmt meinen Pokal und trinkt mit mir auf die Zukunft des Frankenreichs!“

Aemihilth – innerlich wie zu Eis gefroren – lächelt, nimmt den Pokal und wartet mit dem Trinken, bis Marcellus von seinem Sohn dessen Gefäß übernimmt. Gut, denkt sie dabei, so werde ich auch den zweiten Gefallen des Königs erfüllen – nur etwas anders, als ich gedacht hatte. Beide nehmen einen kräftigen Schluck, bevor sie ihre Pokale wieder abstellen.

„Wollt ihr nicht noch ein paar Tage bleiben?“ fragt Marcellus so beiläufig wie es nur irgend geht.

Na, ich habe ihn. So einfach. Dabei dachte ich, die Römer seinen aus einem anderen Holz geschnitzt. Nur nutzt mir diese Einsicht nun nichts mehr. Scheinbar zufällig stößt sie ihren Pokal um, als sie jetzt nach einem Apfel greift. Schon kommt ein Sklave herein, wischt den Wein von Tisch und Boden auf und füllt die leeren Gefäße erneut mit Wein. Nur der Sohn ist davon gekommen. Schade. Wenn ich Königin geworden wäre, geht es ihr nun durch den Kopf, dann hätte ich den auch noch leicht zu beseitigen gewusst. Schade.

„Wenn ihr mir weiter eure so großherzige Gastfreundschaft zukommen lasst, will ich gerne noch länger bleiben.“ Dabei spürt sie nun auch das erste Grimmen in ihrem Bauch. Der Römer tut noch so, als wenn nichts wäre.

27 Jan

Europa – Meditation # 374

Das Ansehen Mitteleuropas in der Welt.

Ein Überschrift zum Davonlaufen. Gleich drei Nomen hintereinander, die es so richtig in sich haben:

1. Das A n s e h e n. Was ist das denn und woher kommen denn die sicheren Wertungen? Auf welche Quellen stützt sich da Herr Merz? Die Dauer für eine solide Recherche ist in unserer schnelllebigen Zeit „natürlich“ viel zu lang, also dann doch lieber einfach mal ein paar Vermutungen, Mutmaßungen vorneweg – den Rest liefern wir dann nach.

2. M i t t e l e u r o p a. Was ist das denn und wer liefert hier die angemessenen Einschätzungen? Ein schlafender Riese, ein Papier-Popanz, ein eitler Besserwisser, ein lächerlicher Gernegroß? Wie schnell haben wir da die ‚passende‘ Charakterisierung zur Hand – home made und mit heißer Nadel gestrickt.

3. Die W e l t. Die schon immer chaotische Gemengelage weltweiter Meinungstrends ist ein solch schwer zu fassende Chamäleon, dass es – vorsichtig formuliert – schon recht verwegen scheint, darüber eine zutreffende Aussage machen zu können. Hat die ehemalige Volkspartei der Mitte da ihre besten Leute ausgeschickt, die Tag und Nacht medial hellwach weltweit unterwegs sind, um Meinungsbilder einzufangen, zu filtern und als Resümee dem Parteivorsitzenden aufs Handy zu laden? Immer unter der Fragestellung: Was denkt die Welt von uns? Hat unser Kanzler das mühsam aufgebaute positive Image leichtfertig verscherbelt? Wie kann man Zaudern überhaupt nur gut finden? In diesen schlimmen Zeiten? Weltweit?

Doch könnte da ein Althistoriker in Kalifornien peinlicherweise auf den großen Cunctator/Zauderer zu sprechen kommen, der mit dieser Haltung erfolgreich römische Geschichte geschrieben hat. Doch lassen wir die Bildungshengste ruhig mal im Stall. Es reicht festzuhalten: Weder das Ansehen, noch Mitteleuropa, noch die Welt lassen sich – da mag der Redner im Bundestag noch so sorgenvoll schauen und pathetisch tönen – unter dem Stichwort „Ansehen verspielt“ in ein brauchbares Argument zusammenpressen. Es ist einfach nur Kochlöffelgeklapper, mehr nicht. Immer mit dem Seitenblick: Steigen die Umfragewerte? Wenn ja, dann weiter drauf!

In der Sache aber – Krieg und Waffen sollten immer zaudernd in den Blick genommen werden – wächst angesichts der Gewalt und des Leids in der Ukraine hoffentlich das Ansehen derer, die Frieden und das Ende jeglicher

Gewalt auf ihr Panier schreiben. Dazu bedarf es auch keinerlei Verweise auf die restliche Welt. Und das Ansehen steigt dann sogar ohne jede mediale Akrobatik.

Und die fehlenden Belege? Dafür bleibt einfach keine Zeit. Das nächste Stichwort will bereits gefüttert werden. Da bleibt auch keine Zeit, aus den falschen Prognosen und vorschnellen Verurteilungen der Akteure während der Pandemie zu lernen. Jede Woche wusste es irgendein Wissenschaftler oder Politiker wieder besser und jede weitere Woche waren die Positionen längstens überholt. Da aber die Medien auf das nächste Rededuell mit neuen Hypothesen warteten, blieb keine Zeit aus den Fehlern und falschen Einschätzungen der Vorwoche zu lernen. Von Bedachtsamkeit keine Spur.

Jetzt ist das Geschwätz vom Vortage längst im Papierkorb, entsorgt, die Lehren aus den fehlerhaften Schnellschüssen werden nicht gezogen und wieder jagen die Medien die Akteure vor sich her. Als wären es Hellseher, die schon das Kriegsende zu skizzieren wüssten. Und von den Profiteuren gestern, heute und morgen, schweigt des Sängers Höflichkeit.

Gestern Pandemie, heute Krieg in der Ukraine, morgen – bitte nicht schon wieder – Klimakatastrophe.