11 Feb.

Europa – Meditation # 376

Mitten in Europa benötigen wir dringend wieder ein „WIR“. (TEXT I)

Die unaufhaltsame Beschleunigung einer ununterbrochenen Berieselung drückt jeden unbarmherzig an die Wand der Synapsen-Erschöpfung: Da ist keine Zeit mehr zum Nachdenken, kein Raum mehr für Alternativen, keine Lust mehr für Eigenes. Der Zeitgenosse als Zuschauer – in den Stadien nachhaltig konditioniert – schläft abgefüllt vor seinem Großbildschirm kleinlaut ein; traumlos und unausgeschlafen wacht er schlecht gelaunt wieder auf, nur um das gleiche Muster in den kommenden Stunden zu wiederholen.

Als Kind wurde er in der Kita, auf Kindergeburtstagen, in der Grundschule und später auch noch in der Oberstufe zum eigenständigen „ICH“ verzogen, das die Wirklichkeit als Konsumtempel durchstreift und sich nimmt, wozu es Lust hat. Pappa oder Mama werden es – wie immer – schon bezahlen. Ich bin gut unterwegs, konkurriere fröhlich mit den anderen ICHS und lasse mich tragen von der Fortschrittswelle bis an die entlegensten Winkel des Planeten. Das Morgen warten schon mit noch besseren Angeboten für mich. Ich bin gut aufgestellt, ich bin richtig, ich bin erfolgreich, gnadenlos erfolgreich. Jedenfalls zumindest im Blick in den Spiegel. Nach und nach muss eben auch ein bisschen Koks nachhelfen. Das kostet. Aber es gibt nur den Weg meines ICHS weiter nach oben. Notfalls mit Hilfe geschönter Doktorarbeiten, mit plastischer Chirurgie, Bestechung und keiner falschen Scham vor Korruption.

Burn-out oder/und Klinikaufenthalt und Dauerbegleitung eines Psyhologen – der wie bei den Triumphzügen im alten Rom sein memento mori als gut bezahltes Programm abspult – sind doch nur Ausdruck meines unaufhaltsamen Erfolgsstrebens, bei dem „natürlich“ Kosten anfallen.

Es reicht. Echt.

Die kalte Einsamkeit eines solchen ICHS – in bester Gesellschaft von Millionen anderer solcher ICHS – bedarf dringend wärmender Bodenhaftung. Und die gibt es nur in der wirklichen – und eben nicht bloß digitalen – Gesellschaft mit jungen Zeitgenossen, die sich für neun Monate zusammentun, um gemeinsam zu erleben, dass das Wohlgefühl der Seele und des Körpers nicht im kreiselnden ICH stattfindet, sondern in der Gemeinschaft bescheidener Verhältnisse, in denen konkrete Arbeiten und Übungen für das Volk, das einem Heimat ist, jedem nachhaltig vermitteln, dass das Ich nur im tatsächlichen WIR-Gefühl die Sicherheit und Sinn-Fülle finden kann, die es im digitalen niemals finden konnte.

Diese herbe Pause tut nicht nur den jungen Männern, nein auch den jungen Frauen, nur gut. Denn bis dahin war so etwas wie Eigenverantwortung und kritische Bestandsaufnahme – wo komme ich her, wer bin ich und wo will ich hin? – noch nicht angesagt. Das Leben war bis dahin eben bloß Spielwiese, Schadenfreude, Verschwendung und Selbstüberhebung. Wie soll man da überhaupt zu einer ernst zu nehmenden Berufswahl kommen?

Also Pause. Eine erste, ernste Pause. Übungen im WIR. Dann sehen wir weiter. Neun Monate in Bescheidenheit und Unterordnung. Fragen?

04 Feb.

Europa – Meditation # 375

Warum übernehmen eigentlich nicht die Frauen weltweit?

Wäre es nicht an der Zeit – immerhin durften sich 50 000 Jahre lang die Männer versuchen, der Species auf die Beine zu helfen; leider hatten sie nur leere Versprechungen parat und die gewaltsame Unterdrückung nicht nur der Frauen, sondern auch der eigenen Geschlechtsgruppe; mit Monotheismus und Monogamie und Monarchie wurde der menschlichen Natur ein rigider Riegel vor den Latz geschoben, bis heute – wäre es nicht wirklich an der Zeit, dass die Frauen endlich solidarisch feststellen:

„Es reicht – wirklich. Ihr vergewaltigt nicht nur uns, sondern auch euch selbst seit tausenden von Jahren, und das massenweise Abschlachten als besondere Heldentat zu feiern, wäre selbst jedem Bonobo nicht mal einen Lacher wert!“

Hat nicht schon vor mehr als zweitausend Jahren Aristophanes dieses miese Mann-Bild lächerlich gemacht und mit Lysistrata eine Frauenfigur geschaffen, die genau wusste, wo der Schlüssel zum Umdenken der Männer zu suchen und zu finden ist? Und haben nicht in einem anderen lustigen Stück von Aristophanes die Frauen im Parlament das Mikro an sich gerissen, die Männer lustvoll vorgeführt und klar gemacht, dass Eigentum und Monogamie die Hebel seien, die den Frauen so lange schon schaden?

Aber eben nicht nur ihnen, den Frauen, sondern der gesamten Gesellschaft.

Wo sind denn heute diese mutigen und humorvollen, lebenslustigen Frauen geblieben, die den Männern einfach mal die rote Karte zeigen? Zumal die Männer inzwischen auf beiden Seiten der Frontlinie nur noch im Siegen-Wollen-Modus herum zappeln und nicht vor noch zurück wissen? Und hinter den Kulissen die Kriegsgewinnler (natürlich auch wieder lauter Männer!) mal wieder eine opulente open-end-party feiern?

Und sind nicht auch schon 1914 die Männer Europas, die den Reichtum ihrer Volkswirtschaften mit eigenen Händen und im Schweiße ihres Angesichts erwirtschafteten, sich selbst in den Rücken gefallen, als sie europaweit die Kriegskredite mit bewilligten – ganz blind vor giftigem Nationalismus? (Obwohl sie doch zuvor noch lautstark europaweit einen europaweiten Generalstreik verkündet hatten?)

Und sind es nicht auch in diesen Tagen die Grünen, die plötzlich keine Berührungsängste mehr mit der Rüstungsindustrie haben und das bellizistische Vokabular längst inhaliert zu haben scheinen?

Das einzig gewisse Resultat damals wie heute sind nur noch mehr Tote:

Keiner will nachgeben- als wenn das eine Tugend wäre! Soldaten wie Zivilisten. Männer wie Frauen. Tot. Wo sind die Frauen, die europaweit endlich genug haben von dieser Mono-Männer-Kultur?