14 Nov.

Europa – Meditation # 363

Wenn dein starker Arm es will…!

Ist es nicht eigenartig? Da geht der Konsument doch massenhaft in die Opposition, um sein Missfallen kundzutun. Und die Medien müssen sich Sorgen machen, dass die Einschaltquoten mickrig ausfallen könnten. Der Zuschauer über Nacht mutiert zum Akteur! Da könnte doch tatsächlich das internet zum befreienden Medium werden, das von den Nutzern auf völlig originelle Weise genutzt wird:

Man spricht sich ab. Europaweit.

Man ist solidarisch. Weltweit.

Man hat Lust auf Widerstand. Tag und Nacht.

Man fühlt sich betrogen und steigt aus aus dem Geschäft! Nein, danke.

So wird der Fußballfan zum aktiven Kritiker einer miesen Geldmaschinen-Geschichte.

Die Massen fühlen sich verantwortlich, den Tod vieler Arbeiter und die Korruption weniger Funktionäre zu brandmarken als das, was es ist:

eine große Sauerei!

Und dafür soll man nun auch noch als Zuschauer applaudieren? Nein, nein!

Der gesunde Menschenverstand und ein manipuliertes Gemeinschaftsgefühl gehen in den Ausstand:

„Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen,

wir lieben Fußball, wir lieben Weltmeisterschaften,

aber nicht über Leichen und massive Korruption!

Nicht mit uns! – Ein machtvolles Statement!

Da sollte es auch den Spielern eiskalt über den Rücken herunterlaufen: erinnert euch nur an die Geisterspiele während der Pandemie – das hohl klingende Geschrei der Spieler und Trainer in gähnend leeren Stadien! Wenn jetzt auch viele tausend Zuschauer aus aller Welt angelockt werden von dem Spektakel in Katar, und in Doha selbst Millionen Katarer von den Medien mit Süßholz vertäfelt sind und verdutzt fragen:

„Wo soll es denn hier Tote gegeben haben? Wir sehen keine!“

so könnte über mickrige internationale Einschaltquoten der Sportfan zum Advokat der Namenlosen werden, die diesen glitzernden Popanz schlecht bezahlt und mit Gefahr für Leib und Leben aufrichten mussten.

Was wäre das für ein Gefühl von Sieg auf ganzer Linie! Die nicht korrumpierbaren Zuschauer gewinnen den Weltpokal im Einig Sein!

Was wäre das für eine Genugtuung den reichen Bonzen gegenüber, die sich in ihren Villen und vollklimatisierten Eigentumswohnungen von Dienstmägden bedienen lassen! Wie erbärmlich sind solche Nabobs denn?

09 Nov.

Europa – Meditation # 362

Nach den erbärmlichen Interventionen nun endlich

wieder ein großer Gegner!

Wir Europäer mit unserer eitlen Nabelschau halten die europäischen Emigranten nach Übersee immer noch für die besten Freunde. Nach „No-Fraternization“ 1945 arbeiteten sich vor allem die besiegten Westdeutschen fleißig in die Rolle eines braven Juniorpartners, der gegebenenfalls die Russen am Rhein federnd auffangen durfte, um dem großen Bruder genügend Zeit zu geben, westlich des Rheins eine mächtige Gegenfront aufzubauen. Das war in den 60er Jahren. Später konnten die großen Industrie-Giganten – hüben wie drüben – im Export-Import-Spiel bei Rüstungsaufträgen oder chemischen Großkeulen für die Landwirtschaft ordentlich punkten.

Kriege führte man anderenorts. Vietnam, Irak, Afghanistan, Syrien. Die Erfolge hielten sich in Grenzen, die Amerikanische Militärmaschinerie träumt seit dem 2. Weltkrieg von einem wirklich großen Gegner, den man groß besiegen könnte, nicht von Guerilla-Kämpfen und zermürbenden Terror-Miliz-Schlägen und Gegenschlägen. Der Amerikaner mit seiner „Welt-Missions-Vision und seinem globalen Dominanz-Anspruch geht selbstverständlich davon aus, dass Europa da ordentlich logistisch, aber auch sonst mitspielt.

Natürlich dürfen die Europäer und die leutseligen Deutschen gerne meinen, es gehe um europäische Ziele – so lange sie vor das größere Ziel eingespannt bleiben, das hinter vorgehaltener Hand in den amerikanischen Militär-Akademien selbstverständlich wie der heilige Gral beschworen wird.

Eine solch eher kritische Sehweise darf „natürlich“ auf gar keinen Fall ernst genommen werden. Jeder, der so denkt, wird sofort als aus der Zeit gefallen belächelt, bedauert oder aber auch beschimpft.

Dabei gibt es eine klare Aufteilung der Wertungen:

Alle, die die Devise der USA solidarisch mittragen, gelten selbstverständlich als wissenschaftlich fundierte und politisch korrekte Denker und Partner; alle, die diese Devise nicht mittragen und kritisch zu hinterfragen beginnen, gelten selbstverständlich als unwissenschaftliche und illoyale Querschläger. Und schon ist eine hysterische Stigmatisierung in Umlauf und macht alle die schlecht, die in solch eine Richtung analytisch und furchtlos unterwegs sind. Europa sollte sich aber immer die Freiheit nehmen, die jedem kritischen Denken gut tut. Denn ein Kriegsherr hatte noch nie selbstlose Ziele.

09 Nov.

Europa – Meditation # 361

Wenn eine gute Idee verscherbelt wird.

Corrumpere, o, corrupti, corruptus.a,um – vernichten, verderben, zugrunde richten, zerstören – dieses aus diesem lateinischen Verbum abgeleitete Fremdwort „Korruption“ ist – wie so viele andere auch – durch ständigen Gebrauch verbraucht, nivelliert, leer laufend, oder sogar beschwichtigend alltäglich geworden. Landauf, landab sind wie in einer Litanei die Korruptionsfälle in Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport aufzuzählen; in ihrer Häufigkeit und Dreistigkeit ebnen sie nach und nach die kritische Grundhaltung gegenüber Wirtschaftskriminalität ein.

Inzwischen wird nur noch – mit profunder Durchblickermiene – gegrinst, wenn wieder ein neuer Fall ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wird. Cum-Ex-Fälle, Wirecard-Skandal, Sterne-Koch, Fußball-Präsident: ein buntes Bild quer durch die Landschaft der Celebreties. Und natürlich im Hinterkopf als Basso Continuo der bekannte Soufleur: „Warum soll ich denn meine Steuern bezahlen, wenn „die da oben, die sich beredt als gesellschaftliche Vorbilder in den Medien präsentieren, alles probieren, um angemessene Besteuerung zu vermeiden?“

Und ob es nun der Oberbürgermeister von Frankfurt oder der gerade zurückgetretene Kanzler von Österreich ist, auch die Integrität der politischen Parteien – als „Volksparteien“ – nimmt mehr und mehr Schaden. Das unberechenbare Wählerverhalten und die abnehmenden Mitgliederzahlen sprechen eine deutliche Sprache: Die Verdrossenheit in das in die Jahre gekommene Demokratie-Modell nimmt weiter zu. Wie war das neulich beim RBB und den Boni und Pensionsvereinbarungen? Eine öffentlich-rechtliche Institution ein Selbstbedienungsladen für „Führungskräfte“? Und das zynische Programm, das in Übersee ein gewisser Trampel in aller Öffentlichkeit durchzieht, stellt den Sicherungssysteme einer präsidialen Demokratie ebenfalls ein Armutszeugnis aus. Die Midterms werden es bestätigen: Mit genügend Geld lassen sich scheinbar nicht nur Medien instrumentalisieren, sondern auch Politiker – alle natürlich mit vorzeigbarem Werdegang, besten Zeugnissen und Empfehlungsschreiben von Universitäten und großen Konzerne und Kanzleien.

Wird da nicht schleichend eine passable politische Idee leichtfertig auf dem Markt von Marktschreiern verscherbelt? Wem kann man da eigentlich noch vertrauen?