04 Feb

Europa – Meditation # 314

Schluss im Dom!

Vor der Französischen Revolution hat sich wohl kaum ein Adliger vorstellen können, dass einmal seine feisten Privilegien baden gehen könnten. Zu lange schon waren sie scheinbar so etwas wie ein gesellschaftliches Naturgesetz. Aber eben doch nur scheinbar. Dann ging es ziemlich schnell den Bach runter. Absturz. Totaler.

Ob die Katholische Kirche in diesem Jahr vor einer ähnlichen Situation steht? Privilegien hat sie nun wirklich genug: Kirchensteuer, die der Staat für sie einzieht. Ein eigene Rechtsprechung – von Bistum bis zur Kurie. Und auch arbeitsrechtlich immer noch Vorrechte, die im Grunde nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Dann befriedigt sie immer noch viele ihrer Mitglieder – und hier vor allem Frauen, die nach Hilfe suchen in ihrer Not – mit einem scheinbar üppigen Versprechen: Nach dem Tod wird eh alles viel besser. Für immer dann.

Selbst auf dem sogenannten Synodalen Weg gibt es zwischen den Klerikern und den Laien eine Sperrminorität der Bischöfe – so für alle Fälle, man weiß ja nie, wo hin so ein Weg noch führen könnte – mit der sie jeder „Reform“ die Würze nehmen kann. Also auch da ist man nicht auf Augenhöhe!

Damit leben nun die Kirchenmitglieder schon so viele Jahrhunderte, dass eine Welt ohne Vatikan, ohne Bischöfe und ohne Dome schier unvorstellbar scheint.

Aber wie in der Französischen Revolution – da war es nicht zuletzt das ausschweifende Leben des steuerfreien Adels – könnte nun die elende Missbrauchsgeschichte ohne Ende das Ende schneller einläuten, als es sich die Bischöfe vorstellen können. (Da wird sich sicher einer der Bischöfe gequält bereit finden, als Konkursverwalter der Firma zu fungieren. Das würde ja seine Bezüge noch eine Weile strecken!) Und da wären bestimmt auch genügend andere da, um bei der Leichenfledderei selbstlos mitzuhelfen.

Die vielen Kirchen und Paläste könnten dem sozialen Wohnungsbau fast mietfrei zugeschlagen werden und die arbeitslosen Kirchenfunktionäre dürfen zurück auf Anfang und in einer ehemaligen Klosteranlage den Orden zur Neugeburt christlichen Denkens gründen. Das Zeitalter der Guillotine hat die bürgerliche Gesellschaft zum Glück ja nach der Abschaffung der Privilegien des Adels auch beendet.

Also keine Angst, zitternde Bischöfe: Euer Restleben dürft ihr zerknirscht in Reuehaltung abarbeiten.

Die Menschen in Europa werden ohne große Mühen andere und neue Formen finden, ihren religiösen Phantasien Raum und Zeit zu geben.

Darüber hinaus bleibt den Bürgern ja noch genügend Arbeit, das Missbrauchsthema im profanen Feld trocken zu legen – jedenfalls müssten sie sich dann nicht mehr mit den uneinsichtigen Pharisäern, Bischöfen und Päpsten auseinandersetzen. Schluss im Dom!

31 Jan

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 131

Die große Göttin ebnet den Weg für ihre Botschaft.

Chaturo und Athanama schauen leicht geblendet in die warme Abendsonne. Und gerade, als sie sich austauschen wollen über diese eigenartige Audienz beim Minos von Kreta eben, kommen ihnen zwei Frauen entgegen, die sie im Gegenlicht nur als Silhouetten erkennen.

Chandaraissa verbeugt sich leicht vor den staunenden Fremden; und mit einer eleganten Geste ihrer linken Hand beginnt sie dann so zu sprechen:

„Es muss unsere große Göttin sein, die uns hier zusammen führt. Ich habe euch schon im Traum gesehen, neulich. Seid herzlichst willkommen!“

Athanama läuft ein eigenartiger Schauer den Rücken herunter. Sie kann die Sprecherin immer noch nicht deutlich erkennen. Die Sonne steht jetzt sehr tief und blendet sie völlig.

„Athanama, wer ist es, der diese wunderbare Begegnung geplant hat? Lass dich umarmen!“ ruft ihr Europa entgegen.

Chaturo schaut ratlos zu Athanama hinüber. Kennst du diese beiden Frauen, will er wohl fragen. Aber Athanama hat es völlig die Sprache verschlagen. Diese Stimme, diese Stimme. Sie muss sich täuschen, es kann einfach nicht sein, es muss ein Irrtum sein. Doch als Europa nun direkt vor ihr steht und sie umarmen will, da hält sie den Atem an. Sie schwankt, lässt die Umarmung einfach nur geschehen und flüstert dabei:

„Europa! Bist du es wirklich?“

„Ja, du Gute, ich bin es. Und du bist Heimat, Kindheit, Jugend. Lebensfreude für mich!“

Da bricht Athanama in Tränen aus und erwidert endlich die herzliche Umarmung Europas.

Chaturo ahnt auf einmal, wer da vor ihm steht: Das muss Europa sein, die Tochter von König Agenor, das muss sie sein. Er verbeugt sich tief vor ihr.

„Prinzessin Europa, euer Diener, Chaturo, Kapitän…“

„Schon gut, schon gut“, wehrt Europa ab. „Chandaraissa, begrüße meine Lehrerin und alte Freundin aus meinen Tagen in Sidon!“

Ihr kommen die Tränen, denn sie wird nie wieder dorthin gehen. Das weiß sie.

Später – sie gehen zum Tempel der großen Göttin hinüber – fühlen sich alle vier eigenartig wohl und leicht, als wären alle Sorgen von ihnen genommen worden, als wären sie frei von Trauer, von Verlust, von Schmerz. Wie kann das nur sein?

Als sie nun zum Vorplatz des großen Tempels gelangen, sehen sie, wie die jungen Priesterinnen ihre Tanzschritte üben. Üben, üben, üben, das war es, was Chandaraissa ihnen gesagt hatte, als die jungen Frauen ihr gestanden hatten, wie groß ihre Ängste seien, wenn sie an das Fest, an den Tanz dächten.

„Ist das nicht ein wunderbares Bild?“ fragt Europa in die Runde. Die letzten Sonnenstrahlen umspielen die Tänzerinnen mit Glanz und Wärme. Als nähme die fast schon vergessene Botschaft vom Glück anmutige Gestalt an, als wären die düsteren Pläne von Zeus und seinen tapsigen Brüdern dem Untergang geweiht.

31 Jan

Leseprobe – YRRLANTH- Historischer Roman – Blatt 150

Pippa spürt neues Leben in sich.

In wenigen Tagen werden sie zur Villa Marcellina aufbrechen. Rochwyn hat vom Truchseß und vom Hofmeister den Auftrag erhalten, die kleine Reisegruppe mit seinen Leuten schützend zu begleiten. In Lutetia schwirren die Gerüchte wie Stechmücken von Hütte zu Hütte, jeder weiß es besser. Alle reden von einem Streit zwischen König und Bischof.

Während die Männer Rochwyns Proviant organisieren, sitzen Pippa und Somythall in der wärmenden Frühlingssonne und lachen über das Lachen der kleinen Sumil. Rut, die Amme, wiegt sie in ihren Armen. Auch sie freut sich über dieses lebenslustige Menschlein, das sich so gerne kuschelnd in dem Tragetuch hin und her rollt.

„Somythall, darf ich dich etwas fragen?“ beginnt Pippa zögerlich. Seit Tagen hat sie ein Gefühl in ihrem Körper, das sie völlig verunsichert. Mal ist ihr etwas schwindlig, mal übel, mal fühlt sie sich krank.

„Nur zu, nur zu!“ muntert Somythall sie auf. Sie ist so glücklich über ihre Tochter, aber auch darüber, dass sie bald Julianus wiedersehen wird. Ihre Gefühle und Gedanken purzeln in ihr pausenlos wild durcheinander. Da ist sie froh, dass ihre neue Freundin, Pippa, sie ablenkt.

„Ich wache seit einiger Zeit morgens auf und weiß nicht, was…“ versucht Pippa möglichst normal zu erzählen. Aber da unterbricht sie schon Somythall.

„Pippa? Kann es sein, dass du mir gerade sagen willst, dass du…“

Pippa schnappt nach Luft, sie schluckt, nickt ganz aufgeregt und sagt dann einfach den Satz, auf den sie selbst überhaupt nicht vorbereitet ist:

„Ich glaube, ich bin guter Hoffnung!“

Da klatscht Somythall vor Freude laut in die Hände, so dass Sumil sogar erschrickt.

„Herrin, Herrin, nicht so laut, Sumil fängt gleich zu weinen an vor Schreck!“ meldet sich die Amme zu Wort. Da nimmt Somythall aber schon Pippas Hände in die ihren und lacht und lacht.

„Was gibt es denn hier zu lachen?“ Rochwyn tritt im selben Augenblick zu ihnen auf die kleine Veranda.

Die zwei Frauen brechen ihr Lachen kichernd ab, werfen sich noch vielsagende Blicke zu, bevor Somythall leichthin antwortet:

„Ach, Pippa hat mir gerade eine ganz lustige Geschichte erzählt!“

„So, so. Was denn für eine Geschichte?“

Da wird ihr klar, dass sie sich gar nicht überlegt hat, was sie denn so schnell erfinden könnte.

„Ich habe ihr von einem Angler unten am Fluss erzählt“, kommt ihr Pippa zum Glück zu Hilfe, „der fast von einem Fisch, den er an der Leine hatte, ins Wasser gezogen wurde – so groß war der gewesen. Und es sah so lustig aus!“

„Ist mir auch schon passiert“, erwidert ahnungslos Rochwyn.