22 Feb.

Europa – Meditation # 320

Vokabular und Bilder von Gestern.

Als würde jemals jemand ohne eigene Interessen in der Politik aufschlagen! Das müsste dann schon ein Buddha sein – und das weisen alle interessierten Politiker natürlich weit von sich. Mit solch einem Image könnte man doch keine Wahlen gewinnen.

Also: natürlich verfolgen die Europäer eigene Interessen, natürlich auch die Russen, die Balten und die Amerikaner. Nur bei den Chinesen sind sich derzeit alle einig, dass sie ganz, ganz massive Interessen verfolgen. Im eigenen Land genauso wie in Afrika oder Europa und und und.

Die Medien laufen heiß: Schon werden Tabellen mit Rubriken für Landstreitkräfte, Seestreitkräfte, Raketen, Drohnen und Fußvolk einander gegenüber gestellt. Regierungsmitglieder dürfen sich mit ernster Miene äußern, sie dürfen warnen, mutmaßen, vergleichen, Hypothesen ausbreiten.

„Einflusssphären“, „Bündnisse“, „Hoheitsgewässer“ und andere hehre Begriffe werden in kunstvollen Sprachbildern miteinander verknüpft. Statt vom Dreibund oder Zweibund ist nun von Allianzen, der NATO und anderen multilateralen Verträgen die Rede. Und vor allem hat eine besonders herausgeputzte Galionsfigur Konjunktur: Die Lüge. A l l e beteuern unentwegt, dass sie die Wahrheit sagen – während hinter den jeweiligen Kulissen fleißig das Hauen und Stechen stattfindet.

Solange wir Europäer in diesem bescheidenen Schwarz-Weiß-Muster genüsslich baden: WIR SIND DIE GUTEN und DIE SIND DIE BÖSEN stricken wir nur weiter an dem Lügenmuster, dass wie ein träger Nebel über Europa liegt und unseren Blick für die wirklichen Interessen beider Seiten verstellt.

Und die Angst war schon oft ein schlechter Berater.

Dabei ist die Angst Triebfeder bei unseren Einschätzungen und unserem Aktionismus: Wir wollen uns doch nur schützen, deshalb müssen wir uns verteidigen. Und die andere Seite? Gibt es da nicht die gleiche Angst und die gleiche Leier?

Wir sind doch gar nicht so verschieden, wie wir gerade in diesen Tagen in den Medien gebetsmühlenartig dargestellt werden.

Wir – und damit meine ich eben nicht nur die Europäer – brauchen alle Kräfte, allen guten Willen und alle Ideen für die Rettung des blauen Planeten, der von uns allen bisher so unerbittlich massakriert wurde.

Wir könnten es schaffen.

Aber nur, wenn wir aufhören zu lamentieren: Was kann ich denn schon verändern – oder – warum fangen die denn nicht an – oder – ist doch sowieso zu spät – oder – man kann ja eh niemandem trauen…

Krieg jedenfalls ist keine Option, die dazu beiträgt, diesen Planeten zu retten. Auf keinen Fall. Warum ihn dann überhaupt erst führen wollen?

19 Feb.

Europa – Meditation # 319

„Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin!“

Fast könnte man meinen, Europa sei ein niedlicher Sandkasten, in dem dumme Buben mit kleinen Holzspielzeugen Krieg spielen, während die Eltern wie abwesend am Rand auf Bänken sitzend über die nächsten Raten ihrer Hausdarlehen reden – Preissteigerungen, Inflation und so. Aber eben nur fast. In Wirklichkeit jedenfalls wollen die Völker Europas – und da gehören die Russen ja durchaus dazu – keinen Krieg.

Je – desto…

Je

mehr „man“ aber in den Medien tagtäglich über den bevorstehenden Krieg wie über eine durchaus vorstellbare Option redet,

desto

mehr gewöhnt „man“ sich auch daran, dass er wirklich stattfinden wird.

Wieder Krieg in Europa?

Vor dem ersten und auch vor dem zweiten großen Krieg in Europa schienen die Völker überrascht zu sein, wie auch die Medien. Es gab jedoch auch da schon genügend kluge Frauen und Männer, die warnten, dass es gar nicht überraschend sei, wenn Waffen die internationalen Konflikte bereinigen würden.

Wenn es aber die Völker nicht wollen, wer will er denn dann?

Banale Antwort: Der militärische Korpus samt Rüstungsinteressenten und samt Schwerindustrie existieren ja für genau diesen „Fall“. Alte, Frauen und Kinder haben da weder Stimm- noch Interventionsrecht. Es ist ein knallhartes patriarchalisches Muster – eine Erfindung, eine lieb gewonnene Kopfgeburt, weiter nichts.

Auch die Sicherheitskonferenz in München redet über den denkbaren und vielleicht sogar kurz bevorstehenden Krieg. Dabei gehört die NATO längst in die Mottenkiste, sie ist ein Relikt aus dem Zeitalter des Kalten Krieges. Die USA instrumentalisieren sie für ihre Ziele, die in Wahrheit wirtschaftliche und geo-strategische sind. „Weltmacht“ oder noch euphemistischer „Weltpolizei“: was für ein UNWORT! Die USA ist nicht mehr der „große Bruder“, der nachhaltig mit dazu beitrug, die Demokratie in Europa zu festigen. Dem Pentagon ist es doch nur recht, wenn es mit Hilfe der NATO die Russen provozieren kann – ohne es zu wollen. Und dabei die eigenen Hände in Unschuld wäscht.

In den Jahrhunderten, als europäische Nationen einen als „Mission“ schön geredeten Vernichtungskrieg in Afrika, Asien und Amerika führten, verhalf ihnen dieses oft genozid-gleiche Abschlachten zu wachsendem Reichtum und Wohlstand für viele in Europa. Prächtige Landsitze und stolze Patrizierhäuser in den Städten erinnern bis heute daran und die zögerliche (oder besser doch: peinliche) Rückgabe-Politik großer Museen spiegelt nach wie vor den rassistischen Boden, aus dem das alles spross – manifest destiny.

Und als dann – wie ein Bumerang – der beinharte Konkurrenzkampf nach Europa zurückflutete, versteckte „man“ die Überseekatastrophen hinter einem „heiligen“ Nationalismus ( von den Kirchen gehorsam und raunend mit orchestriert!) und fanatisch schlachtete man sich nun gegenseitig ab. Mehr als fünfzig Millionen Tote allein im Zweiten Weltkrieg. Flüchtlingsschiffe versanken mit abertausend Zivilisten – Frauen, Alte und Kinder zumeist – all das schon vergessen?

Seit 77 Jahren kein großer Krieg mehr in Europa. Der Frieden war eine gemeinsame Anstrengung der siegenden und besiegten Völker in Europa. Von Korea, Vietnam, Algerien, Palästina, Balkan, Irak, Syrien und Afghanistan soll hier gar nicht erst geredet werden. Da es für die meisten gemütlich betrachtbare Bilder in den Medien waren, haben sie wohl dabei das frühere, eigene Leid von Millionen Menschen in Europa vergessen.

Stellt euch doch bitte vor, ihr Völker Europas, Männer wollen wieder Krieg spielen, aber keiner geht hin! Wie sollen denn diese Patriarchen „ihren“ Krieg führen, wenn die Leute fehlen, die die Drecksarbeit für sie erledigen müssten?

Alle, die jetzt in der Krise verantwortlich die Interessen der Völker vertreten, müssen dem Frieden verpflichtet bleiben, denn sonst vertreten sie nicht die Interessen der Völker.

17 Feb.

Europa – Meditation # 318

Frisch aus der Mottenkiste: Männer machen Geschichte?

Die Medien konzentrieren sich natürlich dieser Tage auf das Thema „Ukraine“ und die hektische Krisendiplomatie und schon macht es „Klick“:

„Putin: Russland will keinen Krieg“

Fallen wir jetzt in alte Muster zurück, die sich längst als überholt und unbrauchbar erwiesen haben? Schon Brechts Gedicht vergessen: Fragen eines lesenden Arbeiters:

„Cäsar eroberte Gallien. Hatte er wenigstens einen Koch bei sich?“

Männer machen Geschichte? An diesem unseligen Slogan stimmen ja gleich zwei Gesichtspunkte nicht:

1. Es waren und sind immer auch schon viele Frauen gewesen, die im Kleinen wie im Großen tapfer mitgemischt haben. Sie machen aber eben nicht so einen Bohei daraus, bzw. die Männer dominierte Medienwelt sorgt schon dafür, dass möglichst die Männer zu Wort kamen und nicht die Frauen.

2. Es sind immer sehr viele, die mit am Rad der Geschichte drehen, ohne die die Galionsfigur (z.B.: Putin/Trump) überhaupt keine Chance hätte, dass sich etwas bewegt. In den USA nennt man sie die „Big Five“, hier in Europa spricht man von Großkonzernen und Interessensverbänden, von Geheimbünden ganz zu schweigen (KGB/CIA); allein die Macht der Rüstungsindustrien – weltweit – kann einer solchen Galionsfigur ziemlich übel in die Suppe spucken.

Da wäre eine differenziertere Diktion in den Medien – bis in die Überschriften hinein – schon dringend nötig. Oder auch die dazu gehörenden Titelbilder! Einen solchen Konferenz-Tisch, wie den in Moskau, abzubilden, dürfte doch höchstens auf der Karikaturen-Seite einen Platz finden. Dass sich zwei Männer so an einen Tisch setzen und „miteinander“ reden, würde ja nicht einmal im Karneval Applaus einheimsen. Wie da in der nüchternen Wirklichkeit? Eine typische Macho-Inszenierung, weiter nichts. Es disqualifiziert geradezu den Gastgeber als Gastgeber und ernst zu nehmenden Staatsmann. Ein wohl sehr kleines Ego möchte hier ganz groß erscheinen. Das ist nicht mal mehr Komödie, das ist höchstens kleinkarierte Farce. Da aber gerade dieses Bild in fast allen Printmedien exponiert auf den Titelseiten erschien, müssen sich die Redakteure fragen lassen, ob sie nicht insgeheim diesem Slogan „Männer machen Geschichte“ weiter aufsitzen und Muster bedienen, die mit dem Untergang des sogenannten Ost-West-Konfliktes Makulatur geworden sind.

Die vielen Interessenlagen, die derzeit im Ukraine-Konflikt nicht sichtbar gemacht werden, wären im Grunde – wie in einer Planskizze – auf den Titelseiten zu positionieren, um allen Lesern zu zeigen, dass hinter der Kulisse dieses lächerlichen Ovalen Tisches alle die grinsend warten, die dem Frontmann die Richtung vorgeben.