Europa – Meditation # 165
Europa als Zaungast – China als neuer Hegemon
Mit Samthandschuhen kommen die neuen Investoren daher. Sie sprechen sehr leise, lächeln unentwegt und können geduldig warten und schweigen. Ein Gespräch mit solch einem Partner fühlt sich an wie Samt und Seide.
Apropos Seide. Im Narrativ der Europäer klingt bei dem Wort Seidenstraße sofort so etwas an wie Fernweh, weiche Zimbelklänge in kühlen Tempeln und Gerüche von Weihrauch und Myrrhe und phantastische Geschichten von Karawanen und Marco Polo.
Und nun ist er von weither gekommen und bringt nicht nur diese Gerüche und Erzählungen mit, nein, Xi Jinping hat auch Reichtum und wunderbare Geschenke dabei. Und schenkt aus diesem Füllhorn aus, als wären wir Europäer in einen schönen Traum gesunken.
Es ist aber kein Traum (Nur schlecht gelaunte Spielverderber würden hier jetzt von Albtraum und Überwältigung raunen) – es ist die strahlende Wirklichkeit im Jahre 2019 – im Jahr des friedliebenden Erd-Schweins, im chinesischen Kalender des Jahres 4655, das ist der 78. Zyklus des Kalenders und der 18. Zyklus der 2. Epoche.
Und der Gastgeber im schönen Griechenland ist niemand anderes, als Kyriakos Mitsotakis, der Sohn von Konstantin Mitsotakis, der 1990 mit einer Stimme Mehrheit Regierungschef geworden war und Griechenland ordentlich in die Pleite manövrierte: Mit dem Beschneiden öffentlicher Aufgaben, mit dem Privatisieren staatlicher Unternehmen und der „Reform“ des öffentlichen Lebens – Mehr Geld leihen bei der EZB, dem IWF und der WB, mehr Stellen für Vettern und Onkels, sattere Renten für verdiente Gefolgsleute und und und. Ein unvorstellbarer Schuldenberg. Das scheinen die Griechen aber lieber vergessen zu wollen oder zu haben, weil nun der Sohn so prächtige Versprechungen für die Zukunft macht: „Wir erweitern unsere Zusammenarbeit mit China jetzt, wo Griechenland wieder eine Vorreiterrolle übernimmt.“ (Hört, hört!) Da lässt sich der Gast aus dem Land der Mitte nicht lumpen und weiß blumig zu ergänzen:
(O – Ton) „China und Griechenland befinden sich in einer Phase der Reformen, und unsere Völker (Griechenland 10,7 Millionen vs China 1,386 Milliarden) wünschen eine engere Zusammenarbeit und mehr Kontakte.
Wäre es eine Posse in einem Kindertheater, würden jetzt alle herzlich lachen, weil ja alle wüssten, dass gleich der eine, der mit den dicken Backen, die Klatsche rausholt und dem anderen, dem mit den dünnen Beinchen, eins überbrennt. Da es aber keine Posse ist, sondern politischer Alltag in der globalisierten Welt, sollten die Menschen eigentlich wissen, was auf dem Spiel steht: Die Aufgabe der eigenen Unabhängigkeit für lange, lange Zeit. Denn die 16 Abkommen über wirtschaftliche, politische und kulturelle Zusammenarbeit, die da gerade in Athen unterschrieben wurden, umfassen nun ein Vielfaches der bereits bestehenden finanziellen Verpflichtungen – weit, weit mehr als 7, 5 Milliarden Euro. Der Einstieg in eine lange, lange finanzielle Abhängigkeit von China. Währenddessen zerbricht sich die EU nach wie vor den Kopf, wie der alte Schuldenberg denn abgetragen werden könnte.
Aber lassen wir uns doch den schönen Tag nicht vermiesen, denn Xi Jinping beschwört weiter mit leiser und sonorer Stimme das Verbindende:
„China und Griechenland mögen doch die Lehren aus der tiefen Weisheit ihrer alten Zivilisationen ziehen und noch engere Beziehungen auf der Grundlage von Respekt, Gerechtigkeit und Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen knüpfen“, denn beide Völker könnten auf eine mehrere Jahrtausende alte Geschichte zurückschauen.
Das tut doch einfach gut. Oder?
Einem Europäer an der Spree könnte bei solchen Tönen allerdings eine ganz andere Melodie ins Gedächtnis kommen:
„Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“
Das haben sich wohl auch die beiden chinesischen Banken – die Bank of China und die Commercial Bank of China – gedacht und flugs zwei Niederlassungen in Athen unter Dach und Fach gebracht.
Dem gleichen Europäer käme dann die zweite Strophe dieses klugen Liedes vielleicht so in den Sinn:
„Was ist ein Kamikaze-Angriff auf einen Hafen gegen den Aufkauf eines Hafens?“
Und weil wir mit Samt und Seide begonnen haben, wollen wir auch damit schließen:
Auf einem großen Wandteppich, auf dem Athen und sein Hafen zu sehen sein wird, webt gerade irgendwo im Reich der Mitte eine alte Frau ein Zitat in die Mitte des wunderbaren, seidenen Gobelins, der vielleicht einmal in Rom, in der Sixtinischen Kapelle, als Geschenk aufgehängt werden wird:
„Piräus – der Kopf des chinesischen Drachens in Europa“ (Xi Jinping)
Ein echtes Danaergeschenk.