Europa – Meditation # 148
Die alten und neuen Portalfiguren in Europa
Die erste, die zweite, die dritte und die vierte Gewalt – das waren bisher die Eckpfeiler unseres Tempels der Selbstvergewisserung. Und die vierte, die Medien, zappeln inzwischen genauso wie die drei alten Gewalten im Zirkuszelt – ratlos – und verlieren Leser, Hörer und Zuschauer noch und noch. Von den alten Parteien ganz zu schweigen: Lieber zeigt in diesen Tagen jeder gerne auf die Sozialdemokratie, die sich selbst zu zerlegen scheint. Aber der Schein trügt. Sie ist nur die älteste der Parteien, und die Arbeiterschaft des 19. und 20. Jahrhunderts diejenige soziale Gruppe, die die radikalsten Umbildungen – der ehemalige Bildungsbürger würde wahrscheinlich besserwisserisch von Metamorphosen sprechen – an sich selbst ertragen musste. Vokabular, Themen und Vorbilder sind längst angestaubt, am Verrosten. Die Vögel auf der Stange piepsen lauthals von da oben herab: „Selbstdemonage, ihr ewig Gestrigen, Selbstdemonage!“
Und bemerken gar nicht, dass sie fleißig mit am Ast sägen, auf dem sie alle sitzen: Der Parteiendemokratie.
Die steigende Wahlbeteiligung und die zerfallenden großen Parteien sprechen aber eine deutliche Sprache: Der Zeitgenosse – und hier vor allem der junge und sehr junge – hat die Nase voll vom leerlaufenden Palaver der Parteibonzen und Mitläufer. Empört oder angeekelt oder beides wendet er sich lustvoll ab und findet angenehmste Gleichgesinnte im Netz. Die Plakate der letzten Wahlschlacht auf europäischer Ebene zeigen diesen neugierigen und informierten jungen Zeitgenossen eher Mumien und Slogans der Adenauerära. Damit können sie aber nun wirklich nichts anfangen.
So schließen sie sich mit ihresgleichen kurz – man ist eben verlässlich vernetzt und kennt sich, lacht und lästert viel und ist ziemlich präsent in den Themen, die Europa zur Zeit umtreiben – Greta lässt schön grüßen!
Die schleichende Erosion in der Parteiendemokratie wird zu völlig neuen Vernetzungen führen: Die jungen Leute haben nun gleich zwei Heimaten – eine digitale unter ihresgleichen und eine analoge in ihrem Fußballclub, in ihrem Kiez, in ihrem wirklichen Freundeskreis. Das gibt ein gutes, vitales Lebensgefühl. Da sind die Parteiendemokratie und die repräsentative Demokratie olle Kamellen und Welten, die einfach noch nicht den Schuss gehört haben. Weiter nichts. Was ist daran eigentlich so schwer zu verstehen, Frau AKK etc?