Europa – Es war nur Puderzucker, blendend weißer Puderzucker! Meditation # 26
Die gut bezahlten Beamten der Europäischen Kommission ziehen in diesen Tagen die ganz großen Register ihrer Orgel: Wenn nicht gespart wird, der Gürtel spürbar enger geschnürt wird und wenn einzelne Mitglieder im Club der ernüchterten Staaten Europas ihre Grenzen wieder schließen wollen, dann ist ganz große Gefahr im Verzuge. Auflösung, Krise, Staatsbankrotte, Arbeitslose noch und noch, Radikalisierung von den Rändern her und viel Schlimmes mehr! Das Ende des Euros gar!
So tönen sie in diesen Wochen und Tagen.
Angst sollen diese Szenarien hervorrufen, Angst!
Aber genau das Gegenteil beginnt sich zu bilden: Wie eine Renaissance, eine Wiedergeburt – Freude an der eigenen Sprache, der eigenen Kultur und Geschichte; ein stolzes Sich Besinnen auf die regionalen und nationalen Bindemittel dieser großen Gemeinschaften, die zwar vieles gemeinsam haben – nicht zuletzt die Erinnerung an zwei Weltkriege – die aber auch gerne vieles verschieden tun und denken.
Und die gut bezahlten Beamten der Europäischen Kommission?
Jahrelang hatten sie gebetsmühlenartig das hohe Loblied der Union gesungen; dass man näher rücken solle, dass nur die Einheit Europas im globalen Maßstab wettbewerbsfähig sein könne. Die Vereinigten Staaten von Europa! Und fangen wir doch einfach schon mal mit der einheitlichen Währung an, der Rest kommt dann wie von selbst. Sagte man, dachte man, hoffte man.
De facto wurde es allerdings nur eine Rutschpartie von Norden nach Süden: Vom Norden die Industrie-Produkte, die Technologien, die Kredite, vom Süden die Arbeitskräfte und Abnehmer auf langfristige Raten. Und reisen konnte man auf einmal ganz ohne Schikanen. Das kam richtig gut an.
Die Warner wurden fleißig weiter nieder gesungen durch das hohe Lied der zukünftigen Einheit des vielfältigen Europas.
Nun klingt dieses Lied eher schräg, die Warner fühlen sich bestätigt: Es war eben doch nur Puderzucker und darunter die unerbittliche Konkurrenz derjenigen, die den Markt zu dominieren wussten. So wuchs die Verschuldung. Griechenland ist das beste Beispiel für dieses zum Scheitern verurteilte Euro-Modell. Der IWF will erst einmal sehen, ob die Renteneinschnitte auch wirklich umgesetzt werden. Wie bitte? Und kein Wort über die Steuerflüchtlinge der Sonderklasse? Kein Katasteramt, das die großen Eigentümer endlich zur Kasse bittet?
Es ist nur allzu verständlich, dass die Länder um das Mare Nostrum herum sich wieder auf ihre eigenen Stärken, Traditionen und Besonderheiten besinnen. Die verschiedenen europäischen Währungen belebten die wirtschaftliche Dynamik in Europa, schufen Identifikation mit dem Eigenen. Stolz war man auf das Erreichte! Dahin wollen sie wieder. Der Euro soll zum Teufel gehen – es war von Anfang an eine Augenwischerei, um nicht zu sagen, eine Lügengeschichte; jetzt – im Angesicht der Flüchtlingsfrage – sollen die Zwänge erhöht, die Vereinheitlichungen vermehrt, die Lasten verteilt werden.
Die Botschaft der entzauberten Welt liefert keinen neuen Zauber mehr, auf dem großen Marktplatz Europa scheinen sich nur noch die Mega-Geld-Händler einig zu sein: Keine Grenzen, keine staatlichen Behinderungen, nur noch die Spielregeln der Börse – im Tempo der Algorithmen. Und Kontrolle? Also wirklich, das ist doch alles viel zu komplex, als dass Beamte dieses Spiel kontrollieren könnten. Das Spiel kontrolliert sich selbst. Da ist es wie im Leben: Es gibt Gewinner, aber auch Verlierer.
Wer will solchen Zynikern denn überhaupt noch zuhören?
Die europäischen Staaten haben wahrlich andere Sorgen.
Und überall besinnt man sich wieder auf die großen Fragen: Wo kommen wir her, wer sind wir und wohin gehen wir? Und dieses WIR buchstabiert sich beileibe nicht in dem einen Wort EUROPA. Gerade auch in der Gegenüberstellung mit den vielen Fremden, die plötzlich vor der Tür stehen, befragt sich dieses WIR selbst. Dieses WIR spricht sich aus in vielen verschiedenen Sprachen, Geschichten, Phantasien. Dieses WIR mag eins überhaupt nicht: gegängelt werden. Es will selber tanzen, schreiten, springen, wandern und entscheiden. Je nach dem und nach der eigenen Pfeife. WIR können doch trotzdem weiter gute Nachbarn sein, gute Geschäfte miteinander machen, Kulturaustausch jede Menge. gerne können wir unsere Geschichte miteinander vergleichen: Wo berühren wir uns, wo sind wir völlig anders? Aber bitte nicht weiter all die Euros in die große Tonne ohne Boden werfen. Danke, nein! Lieber essen WIR den eigenen Kuchen auch ohne Puderzucker!