30 Juli

Europa – Meditation # 405

Das Sommerloch als „game-changer“

Die Angst geht um, weil die Medien nichts anderes zu lieben scheinen als das Fürchten lehren Tag und Nacht. Die Litanei der Krisen aber läuft längst leer – wie in leeren Kirchen eben auch.

Tritt man dann endlich vor diese leer tönenden Instrumente, die eigentlich der Kommunikation dienen sollten – wie vor die Kirche auf den leeren, sonnenheißen Vorplatz, dann hilft nur noch die Flucht: vor der Hitze, vor dem Leerlauf, vor den Halbwahrheiten, vor den Besserwissern. Aber wohin?

In dieser äußeren und inneren Leere gibt es wahrlich nur noch einen Ort, der das vom Berieseln müde Herz wieder aufrichten kann: Du selbst. Denn hinter der Poker-Face-Haltung „weiß ich doch“ sehnt es sich nach Klarheit, Ehrlichkeit und Lebensfreude. Und die gibt es eben – wie eh und je – nur durch dich selbst und im Erleben mit Gleichgesinnten. Müdigkeit macht sich breit. Doch das Sommerloch einfach nur zu verschlafen, wäre doch zu billig. Denn – da war doch was! HÄ? Was denn?

Nun, du selbst, der es längst satt hat, sich von den Politikern vorbeten zu lassen, aktuelle Entscheidungen könnten nur von den Polit-Profis angemessen gefällt werden. Um dann aber immer wieder zu erleben, dass die wirklich anstehenden Entscheidungen wortreich vertagt, verschoben, vergeigt werden – nicht aber die eigene Altersvorsorge und der nächste Karriereschritt der sogenannten Profis.

Dir selbst wird in diesem stillen Sommerloch urplötzlich klar, dass auch die Medien, die sich so gerne als vierte Gewalt im politischen Alltag aufspielen, nur auf der Klaviatur des Beschönigens, Beschwichtigens und Benebelns zu spielen verstehen, statt wach zu rütteln, zu entlarven, wirklichem Aufbruch aus dem Trott und der Misere das Wort zu reden.

Warum denn dann nicht selbst nachdenken, mit den Nachbarn offen reden und die eigenen Kinder nicht an die Elektronik zu verkaufen? Das fängt schon damit an, dass die Familie im Sommerloch gemeinsam die Tage gestaltet – in einer analogen Welt zum Anfassen, zum Spüren und zum Erleben. Keine Zeitungen, keine Videos, keine digitalen Spiele.

Wie lebensfroh doch die Stimmen der eigenen Kinder klingen, wenn sie ausgelassen mit Freunden oder den Eltern und Geschwistern lachen, streiten, diskutieren. Wie schnell sind dann die mäßigen Angebote der Medien überflüssig, weil sie eher beim Vereinsamen helfen als beim Sinnfülle steigern. Da ist dann auch gleich kein Loch mehr, keine Leere, sondern Dichte, Fülle und Zufriedenheit.

05 Juli

Europa – Meditation # 404

Die frohe Botschaft – oder eine Drohung? ( 2.Teil )

„Alles wird sich ändern“ eine große Überschrift im internet am 03-07-23 zu lesen – wie banal ist das denn? Klingt doch gut – oder? Oder sollen wir das Fürchten lernen?

Dabei ändert sich doch schon immer alles unablässig, nur können wir Erdlinge das oft nicht so sehen (oder wollen es lieber so nicht sehen), weil wir nur sehr flüchtig in diesem Chaos auftauchen und bald schon wieder verschwinden. Aber für die kurze Phase unseres Wahrnehmens haben wir – sehr phantasievoll und erfinderisch und wohl auch aus Gründen des Selbstschutzes – viele Wortgebilde erfunden, um diese rapiden Veränderungen scheinbar zu verstetigen. Begriffe, Abstrakta.

Wenn wir nun die letzten 78 Jahre zurück schauen, könnten wir bei ruhiger und gelassener Betrachtung leicht feststellen, was sich nicht alles plötzlich und oft auf völlig unvorhergesehen geändert hat.

Hier nur ein paar Beispiele:

1. Abschaffung der DM – wer hätte das gedacht!

2. Ende des Kalten Krieges – wer hätte das für möglich gehalten?

3. Ein neuer Krieg am Rande Europas – wer hätte es sich vorstellen können

4. Das Schrumpfen der Kirchengemeinden – oh Gott, oh Gott!

5. Die plötzliche Wiedervereinigung – als Schiffbruch – schade

6. Der Individual-Verkehr in den Städten – wie soll das denn gehen?

7. Die Wachstums-Ideologie – und wie soll die Alternative denn aussehen?

8. Die Pandemie – im Nachhinein weiß es jeder besser!

9. Der Konsum-Wahn – und wenn dann alle arbeitslos sind?

Lauter Abstrakta, die wie in Stein gemeißelte Wahrheiten anmuten sollen, damit auch alle sie schön für wahr und unabänderlich halten können. Doch:

alles sind bloß vorübergehende Erfindungen, um Menschen in bestimmte Richtungen zu steuern, damit die Steuernden davon profitieren.

Und deshalb können sie auch jederzeit wieder abhanden kommen, verschwinden, wenn nur der Leidensdruck groß genug ist – wie nach einer Katastrophe, nach einem Krieg, einer Epidemie.

(wobei das Ahrtal ein Beispiel dafür ist, wie selbst der erlebte Leidensdruck nach gebührender Trauerzeit in die Wüste geschickt werden kann und die alten Fehler unter neuen Vorzeichen wieder einbetoniert werden.) „Alles wird sich ändern“, ist also nichts anderes als eine Leer-Formel, an die wir uns klammern, die wir aber auch sofort wieder fallen lassen, wenn wir es für profitabel, günstig, richtig und rettend halten.

Die ordentliche Einteilung der sichtbaren Welt in links, rechts, grün, braun, farblos ist und bleibt reine Mutwille, an den wir uns klammern, bis uns eben wieder etwas Neues einfällt – vor allem wenn um uns herum plötzlich Müll-Container, SUVs und Uhrenläden brennen.

Eigentlich also ein geeigneter Augenblick, Überkommenes fallen zu lassen und mit kleinen Dosen gemeinsam in eine ungewisse Zukunft aufzubrechen, in der wir uns weder von Katastrophenszenarien noch von Welterlösern beeindrucken lassen, sondern die Dinge um uns herum selber in die Hand nehmen. Solches findet nämlich nur nicht statt, so lange wir nicht damit beginnen. So einfach ist das – und ganz ohne abstrakten Überbau.

03 Juli

Europa – Meditation # 403

Die frohe Botschaft – oder eine Drohung? (1. Teil)

„Alles wird sich ändern“ eine große Überschrift im internet am 03-07-23 zu lesen – wie banal ist das denn?

Soll das eine Drohung sein oder ein Wechsel auf die Zukunft? Das klingt so, als wäre das, was ist, beständig, hartnäckig langlebig und widerstandsfähig gewesen.

Als wenn sich nicht unablässig sowie so alles ändern würde! Wir selbst vorneweg, wir Erdlinge. (Warum haben denn Schönheitschirurgen Hochkonjunktur? Um die Veränderungen hinter einer Maske zu verbergen – was für ein erbärmlicher Aufwand, und wie teuer und wie unnatürlich! Und wie vergeblich!) Nur unsere Sprachgebilde – die wir ja auch selbst für uns erfunden haben – verführen uns immer wieder dazu zu glauben, es gäbe Dinge, die andauern. Nur weil Tag und Nacht immer wieder sich abwechseln, ist doch jeder Tag und jede Nacht völlig anders als die vorherigen. Zahlen, die immer wiederkehren, können uns lautlos, aber nachhaltig dazu verführen, zu glauben, sie beschrieben das Gleiche, wenn sie als Zahlen wieder an andere Stelle auftauchen. Selbst jeder Geldschein, jede Münze ist nicht wie die gleiche daneben, sie ähneln sich nur so sehr, dass wir sie für dieselbe halten. Und das tut der Seele, der zappelnde, natürlich sehr gut, möchte sie doch dem Augenblick Dauer verleihen, Verlässlichkeit in diesem unbeschreiblichen Chaos zu garantieren, das uns – permanent in Bewegung – immer wie ein Kaleidoskop umgibt. Scherben, die wir gerne als stabile Ganzheiten betiteln, um der Angst vor der Flüchtigkeit allen Seins sichere Zufluchtsorte entgegen zu phantasieren.

Wie hieß doch gleich der Film von Alexander Kluge 1968? „Artisten in der Zirkuskuppel, ratlos“. Das passt zu uns Erdlinge immer noch ausgezeichnet, wenn wir ehrlich wären.

Was aber von dem, das wir für beständig halten, müsste sich denn ändern (neben dem natürlichen Veränderungsprozess von allem und jedem!)?

Wie wäre es denn, wenn endlich die etablierten Parteien aufgelöst würden, um regionalen Vereinigungen auf Zeit Platz zu machen?

Wie wäre es denn, wenn die repräsentative Demokratie ins Museum geschickt würde, um variablen Formen direkter Demokratie Platz zu machen?

Wie wäre es denn, wenn die übergroßen Parlamente (meistens sind die Sitze bei den Sitzungen sowie so nicht besetzt – oder man starrt auf sein Handy – und war eine gewisse Frau Merkel da nicht schon Wegbereiterin?)

Wie wäre es denn, wenn jeder in seinem privaten Bereich begänne, umweltverträglich zu agieren, statt auf „die da oben“ zu warten?

Nur, um mit ein paar Beispielen für moderaten Diskussionsstoff zu sorgen!