17 Nov.

Europa – Meditation # 364

Kapitalismus und Sozialismus – Skylla und Charybdis lauern

inmitten Europas.

Wenn man dieser Tage die Beschimpfungen des politischen Gegners aus republikanischem Munde in Minnesota oder Arizona zum Beispiel hört, könnte man meinen, die Zeit sei 1962 stehen geblieben und der Traum von der „One World“ nach 1989 bloß gieriges Wunschdenken der Amis gewesen, um den Griff nach der Weltherrschaft doch noch zu wagen. Der Kapitalismus habe über den Kommunismus endgültig gesiegt. Denn im Jahre 2022 leiten die alten ideologischen Schwarz-Weiß-Muster aus der Zeit des Kalten Krieges innen- wie außenpolitisch nach wie vor die Phantasie/bzw. Albträume sehr vieler amerikanischer Politiker und Farmer gleichermaßen. Und die meisten Medien – auch die social medias – befeuern solch unbedachte Muster.

Dass aber auch der Kapitalismus schon viel zu lange einen unversöhnlichen Ausbeutungskrieg gegen Mensch und Natur führt, gilt als defätistisches Verlierergewinsel derer, die selbst schuld sind, dass sie Schulden haben.

„Kulturelle Eigenständigkeit, Wahrung staatlicher Souveränität, andere Wirtschaftsmodelle, ein eigenes Kultur- und Zivilisationsverständnis werden nicht akzeptiert“ (Hauke Ritz in: der Freitag /Nr. 46 / 17. November 2022/ Debatte/ Seite 19).

Und als dann der slogan „America first“ die Runde machte, schien es für einen Moment so, als wenn sich die Europäer neu sortierten, auf eigene Stärke und eigene Visionen besännen – die transatlantische „Partnerschaft“ stand zur Disposition. Aber eben nur für einen Moment. Seit dem 24. Februar 2022 sind die Amerikaner wieder in Europa beste Freunde, stärkster Verbündeter, führender Kriegsherr, der die kleinen „Juniorpartner“ unter seine Fittiche nimmt. Der ökonomische Egoismus der Amerikaner wird dabei schön geredet zu partnerschaftlicher Teilhabe. Wie ein Fähnchen im Winde dreht sich das eben noch für richtig Empfundene – Distanz zur übermächtigen und aggressiven Wirtschaftsmacht – wieder in die alte Richtung. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ Doch gerade jetzt müsste gelten: Der Frieden in Europa soll ganz oben auf der Agenda stehen, politisch, wirtschaftlich, kulturell, nicht der Krieg.

Stattdessen aber ist Aufrüstung der neue Selbstläufer. Die Angst wie immer ein schlechter Ratgeber – aber als politisches Instrument geradezu eine Wunderwaffe. In den USA wie in Europa. Das Feindbild wird aufpoliert, die massiven Rüstungsinteressen können sich ungeniert in den Vordergrund spielen und sich mit „Gemeinschafswohl-Gesängen“ schmücken. Und vor allem kann das Thema Klima-Krise erst mal wieder in die zweite Reihe zurücktreten; es gibt wirklich Wichtigeres zu tun – angesichts der Bedrohung aus dem Osten.

Europas Vielfalt, Europas Offenheit, Europas humanes Erbe werden gerade in den Asservatenschrank gepackt. Die europäische Medienlandschaft sollte da einfach nicht mitspielen. Aufklärung tut not – mehr denn je, auch gegen diffuse Angstkampagnen. Europäische Friedenskonferenz oberste Priorität.

14 Nov.

Europa – Meditation # 363

Wenn dein starker Arm es will…!

Ist es nicht eigenartig? Da geht der Konsument doch massenhaft in die Opposition, um sein Missfallen kundzutun. Und die Medien müssen sich Sorgen machen, dass die Einschaltquoten mickrig ausfallen könnten. Der Zuschauer über Nacht mutiert zum Akteur! Da könnte doch tatsächlich das internet zum befreienden Medium werden, das von den Nutzern auf völlig originelle Weise genutzt wird:

Man spricht sich ab. Europaweit.

Man ist solidarisch. Weltweit.

Man hat Lust auf Widerstand. Tag und Nacht.

Man fühlt sich betrogen und steigt aus aus dem Geschäft! Nein, danke.

So wird der Fußballfan zum aktiven Kritiker einer miesen Geldmaschinen-Geschichte.

Die Massen fühlen sich verantwortlich, den Tod vieler Arbeiter und die Korruption weniger Funktionäre zu brandmarken als das, was es ist:

eine große Sauerei!

Und dafür soll man nun auch noch als Zuschauer applaudieren? Nein, nein!

Der gesunde Menschenverstand und ein manipuliertes Gemeinschaftsgefühl gehen in den Ausstand:

„Wir lassen uns nicht für dumm verkaufen,

wir lieben Fußball, wir lieben Weltmeisterschaften,

aber nicht über Leichen und massive Korruption!

Nicht mit uns! – Ein machtvolles Statement!

Da sollte es auch den Spielern eiskalt über den Rücken herunterlaufen: erinnert euch nur an die Geisterspiele während der Pandemie – das hohl klingende Geschrei der Spieler und Trainer in gähnend leeren Stadien! Wenn jetzt auch viele tausend Zuschauer aus aller Welt angelockt werden von dem Spektakel in Katar, und in Doha selbst Millionen Katarer von den Medien mit Süßholz vertäfelt sind und verdutzt fragen:

„Wo soll es denn hier Tote gegeben haben? Wir sehen keine!“

so könnte über mickrige internationale Einschaltquoten der Sportfan zum Advokat der Namenlosen werden, die diesen glitzernden Popanz schlecht bezahlt und mit Gefahr für Leib und Leben aufrichten mussten.

Was wäre das für ein Gefühl von Sieg auf ganzer Linie! Die nicht korrumpierbaren Zuschauer gewinnen den Weltpokal im Einig Sein!

Was wäre das für eine Genugtuung den reichen Bonzen gegenüber, die sich in ihren Villen und vollklimatisierten Eigentumswohnungen von Dienstmägden bedienen lassen! Wie erbärmlich sind solche Nabobs denn?

09 Nov.

Europa – Meditation # 362

Nach den erbärmlichen Interventionen nun endlich

wieder ein großer Gegner!

Wir Europäer mit unserer eitlen Nabelschau halten die europäischen Emigranten nach Übersee immer noch für die besten Freunde. Nach „No-Fraternization“ 1945 arbeiteten sich vor allem die besiegten Westdeutschen fleißig in die Rolle eines braven Juniorpartners, der gegebenenfalls die Russen am Rhein federnd auffangen durfte, um dem großen Bruder genügend Zeit zu geben, westlich des Rheins eine mächtige Gegenfront aufzubauen. Das war in den 60er Jahren. Später konnten die großen Industrie-Giganten – hüben wie drüben – im Export-Import-Spiel bei Rüstungsaufträgen oder chemischen Großkeulen für die Landwirtschaft ordentlich punkten.

Kriege führte man anderenorts. Vietnam, Irak, Afghanistan, Syrien. Die Erfolge hielten sich in Grenzen, die Amerikanische Militärmaschinerie träumt seit dem 2. Weltkrieg von einem wirklich großen Gegner, den man groß besiegen könnte, nicht von Guerilla-Kämpfen und zermürbenden Terror-Miliz-Schlägen und Gegenschlägen. Der Amerikaner mit seiner „Welt-Missions-Vision und seinem globalen Dominanz-Anspruch geht selbstverständlich davon aus, dass Europa da ordentlich logistisch, aber auch sonst mitspielt.

Natürlich dürfen die Europäer und die leutseligen Deutschen gerne meinen, es gehe um europäische Ziele – so lange sie vor das größere Ziel eingespannt bleiben, das hinter vorgehaltener Hand in den amerikanischen Militär-Akademien selbstverständlich wie der heilige Gral beschworen wird.

Eine solch eher kritische Sehweise darf „natürlich“ auf gar keinen Fall ernst genommen werden. Jeder, der so denkt, wird sofort als aus der Zeit gefallen belächelt, bedauert oder aber auch beschimpft.

Dabei gibt es eine klare Aufteilung der Wertungen:

Alle, die die Devise der USA solidarisch mittragen, gelten selbstverständlich als wissenschaftlich fundierte und politisch korrekte Denker und Partner; alle, die diese Devise nicht mittragen und kritisch zu hinterfragen beginnen, gelten selbstverständlich als unwissenschaftliche und illoyale Querschläger. Und schon ist eine hysterische Stigmatisierung in Umlauf und macht alle die schlecht, die in solch eine Richtung analytisch und furchtlos unterwegs sind. Europa sollte sich aber immer die Freiheit nehmen, die jedem kritischen Denken gut tut. Denn ein Kriegsherr hatte noch nie selbstlose Ziele.