26 März

Europa – Meditation # 257

Die Gleichzeitigkeit des immer Gleichen.

Nordnigeria – Die mit dem direkten Kontakt zu ihrem unsichtbaren Gott fahren eine „Strafschicht“ nach der anderen – vor allem gegen wehrlose Frauen. Diese Männer wissen sich auf der sicheren und wahren Seite, versteht sich. Muss man es eben nur oft genug vor sich hin beten.

Uiguren – Mitten im Land der Mitte wollen doch tatsächlich einige einen eigenen Weg zu ihrem Lebensglück gehen. Die müssen dann eben nachgeschult werden, haben die Botschaft einfach noch nicht verstanden. Manche muss man einfach zu ihrem Glück zwingen. Die da auf uns zeigen, sollten besser mal vor der eigenen Tür kehren.

Rohingya – der strafende Gott der „Rechgläubigen“ wird ihnen über kurz oder lang die wohl verdiente Sintflut schicken. Da müssen sie selbst gar nichts zu beitragen – höchstens eine aufwendige Schiffspassage auf die Insel. Was tut man nicht alles im Namen Gottes!

Jemeniten – Pech gehabt, wenn man zwischen die Räder der „Großen“ gerät oder derer, die sich dafür halten. Wir hier in Europa verkaufen Waffen ausschließlich in Nicht-Krisen-Gebiete. Oder? Von den U-Booten wollen wir gar nicht erst anfangen zu reden.

Und drehen wir doch nur kurz mal an der Uhr – so drei bis vierhundert Jahre zurück, dann haben wir ein deja-vu-Erlebnis der Sonderklasse:

Pandemie – nichts Neues.

„Rechtgläubige“, denen einfach nichts anderes übrig bleibt als Gottes Willen zu exekutieren, Auge um Auge, Zahn um Zahn – damals wie heute, wie eh und je.

Der schöne Wörterberg es zu beschönigen, wächst währenddessen in allen Sprachen und Breiten ins Unermessliche, wie beim Turmbau zu Babel.

Wie ähnlich sich doch alle sind: Die Täter wie die Opfer – alles Sterbliche, die das eigene natürlich Werden und Vergehen gerne verstetigen würden, die sich auch fleißig und wollüstig vermehren – nach phantasievollen Mustern der Werbung, Bindung und Paarung.

Die Tierart Mensch – getrieben von den Trieben treibt es wie im Tollhaus mittlerweile. Und dabei mit der Apokalypse zu kokettieren, ist anscheinend besonders lustvoll und erstrebenswert. Vernunft? War da was?

Abertausende wanderten enttäuscht aus in eine neue Welt, in der alles besser und wahrhaftiger sein sollte: Bis an die Zähne bewaffnet bewachen die Nachfahren dieses neue Paradies mit zwei Millionen Knastis, einem nachhaltigen Genozid und einer nach wie vor gut funktionierenden Rassenideologie. Boulder lässt grüßen.

Missbrauchte – die scheinbar Starken nehmen sich einfach, worauf sie Lust haben mit Gewalt. Nur Dumme lassen sich dabei erwischen, auch zeigen sie beim Vertuschen, wie sehr sie selbst bei diesem Thema ihren unsichtbaren Gott benutzen, um sich selbst jeder Schuld zu entheben. Oder – gut – höchstens Fegefeuer. Geht doch.

Was für eine „schlaue Idee“ hatten die Europäer damals, nicht nur die mit dem falschen Gebetbuch niederzumachen, sondern auch gleichzeitig das Ende der Religion zu verkünden, damit der neue Gott, der Mensch, umso straffreier seine Allmachtsphantasien ausleben konnte. Die Pest war irgendwann dann auch vorbei. Er habe sich eben gemausert: Vom Biest zum homo sapiens. Clever – Sackgasse inbegriffen.

09 Jan.

Europa – Meditation # 245

Im Club der Ratlosen und schlecht Beratenen – CRSB

Mit großem Empörungsvokabular gefallen sich zur Zeit die Europäer in Fassungslosigkeit und strengem Richteramt:

Wie kann es der große Bruder jenseits des Atlantiks dulden, dass „so etwas“ vor laufenden Kameras inszeniert wird? Schnell sind auch die Seiten klar benannt – hier die soliden Demokraten, dort randalierende Bleichgesichter.

Doch wer sind sie, die da die Stufen zum Kapitol hinauf hasten? Was für Texte fallen ihnen dabei aus den offenen Mündern (und Masken? Was wabert da jetzt im Kapitol an Aerosolen herum?)? Sind sie von Sinnen, von allen guten Geistern verlassen?

Dieses schlichte schwarz-weiß Gemälde sollte eigentlich in den europäischen MEDIEN zu billig sein.

Stellen wir also erneut die Frage: Wes Geistes Kind sind diese Treppenstufensteiger in Washington?

Sie gehören einem stets an Mitgliedern wachsenden Club an: CRSB – Club der Ratlosen und schlecht Beratenen. Auch war es ihnen zumeist nicht möglich, durch eine gute Schule zu gehen – als Einstieg ins Leben.

Ihr Ratgeber ist ein kleines Licht unter den Denkern, aber ein großes unter den Wörter Wiederholern. Er hat ihrer Wut auf die, die nicht die A-Karte gezogen haben, sondern zu ihrem Wohlstand einen Haufen nach dem anderen drauf packen, nicht nur eine Richtung, sondern auch ein Ventil gegeben.

Gleichgesinnte samt einer Avantgarde, denen nur noch die Trophäen und Bilder fehlten, um ihren Mut zu kühlen.

Ihr Ratgeber half ihnen dabei, diesem Problem Abhilfe zu schaffen.

Jetzt haben sie, was sie wollten: Mediale Aufmerksamkeit, Fotos für die Ewigkeit und auch Trophäen. Und gleichzeitig haben sie nun Hunger nach mehr, wenn das so einfach ist.

Jedenfalls sind sie plötzlich wichtig – wenigstens in ihrer eigenen Wahrnehmung – und können sich so in ihren digitalen Blasen gegenseitig aufmunternd auf die Schultern klopfen. Das tut so gut. Denn ansonsten sind ihnen all ihre Träume zwischen den Fingern zerronnen. Schon lange. Und ihr wolkiger Einflüsterer hat ihnen endlich den Weg gewiesen. Sie sind angekommen. Das kann ihnen niemand mehr nehmen. So reich, so reich!

Wenn wir Europäer etwas aus diesem Übersee-Theaterstück lernen können, dann dies: Keine noch so selbstbewusste Gemeinschaft kann die soziale Kluft, die sie selber schafft, schön oder gar weg reden. Wenn die Menschen nicht mehr verstehen wollen, was ihnen als frohe Botschaft angeboten wird, dann wenden sie sich ab, wütend, üben sich in neuen Tönen und Klängen jenseits des Mainstreams (der sowieso keiner mehr ist) und greifen zur Selbsthilfe, blind und schlecht beraten und laufen Amok.

Wir Europäer sollten also besser nicht mit dem Finger auf „die da“ zeigen, sondern hierzulande gerechtere und annehmbarere Verhältnisse schaffen, bevor solche Bilder auch bei uns das Laufen lernen.

14 Sep.

Europa – Meditation # 217

Bescheidene Fragen an Europa, die weitsichtige Frau.

Ist dir auch aufgefallen, dass viele Menschen – junge wie alte – in diesen Tagen in Europa einen eher erschöpften Eindruck machen?

Ich sehe es mit Sorge. Aber auch mit Hoffen.

Hoffen? Worauf denn hoffen?

Nun. War den Europäern nicht die Neugierde immer eine Kraft für Veränderungen?

Das stimmt. Aber diese Neugierde ist jetzt wohl verbraucht. Europa schaut voller Unbehagen auf China, Indien und Afrika. Wie wirkt das auf dich, Europa, du weitsichtige Frau?

Es ist die Gelegenheit, endlich den Blick auf sich selbst zu wenden, inne zu halten und den Windschatten der Geschichte zu nutzen, Atem zu holen, sich zu besinnen?

Aber worauf denn? Sind die globalen Bedrohungen denn nicht überwältigend?

Nur wenn man sie im eigenen Blick noch vergrößert. Sonst kann doch der nervende Dauerton der dümmlichen Werbeflimmerdusche oder der Dauerschleifen-Katastrophen-Bilderflut nur dazu führen, sich angewidert und gelangweilt abzuwenden.

Und dann?

Ja, dann, dann öffnet sich nach und nach der Blick auf das Naheliegende, das Vertraute. Das kann man nämlich nur langsam und mit Geduld wahrnehmen. Und schafft Zutrauen, Wärme, Geborgenheit.

Klingt verlockend, liebe Europa, ist aber wohl eher eine Utopie – oder?

Nein, überhaupt nicht – „sieh, das Gute liegt so nah!“ – wir Europäer müssen nur wagen, alte Muster, die wir vor langer Zeit uns selbst übergestülpt hatten, abzustreifen. Als würde man sich von einer schweren Last befreien.

Europa, was meinst du mit alten Mustern?

Nation, Staat, Individualismus pur, Genauigkeit, Tempo, Wachstum…

Moment, Moment, liebe Europa, weitsichtige Frau, willst du damit etwa sagen, wir Europäer sollten uns von unserem selbst erfundenen Fortschrittsglauben verabschieden?

Der eigentliche Fortschritt liegt im Überwinden dieses Fortschrittsglaubens. Wir haben zu lange auf die eine, kleine Karte gesetzt, die uns vorantrieb.

Und welche wäre das gewesen?

Alles in kleine Quadrate einzuteilen, diese genau auszumessen und alles und jeden darin zu verorten. Damit glaubten wir die Herren der Natur und der Welt werden zu können. Jetzt stolpert selbst der letzte über den Scherbenhaufen solcher Denkart und ist verdrossen.

Und du glaubst, liebe Europa, weitsichtige Frau, wir Europäer könnten uns aus dieser Verdrossenheit befreien?

Ja, das könnt ihr – aus eigener Kraft.

Du machst mir sehr neugierig, liebe Europa, weitsichtige Frau, erzähl!

Langsam, langsam. Eins nach dem anderen und morgen mehr davon.