08 März

Europa – Meditation # 183

Die Pharisäer unter sich.

Natürlich gelten nach wie vor die humanen Ideale europäischer Kulturgeschichte. Die Würde des Menschen ist unantastbar, klar.

Natürlich werden die Europäer – in ihrer vorlauten Schrumpfform mit 27 Staaten (EU) und etwas mehr als 440 Millionen Einwohnern – grundsätzlich weiter notleidenden Menschen in der Welt helfen, klar.

Natürlich finden alle in Europa – das 47 Staaten umfasst und etwas mehr als 746 Millionen Menschen beherbergt – die Verhältnisse im Nahen Osten menschenverachtend und mit ihren eigenen Standards unvereinbar, klar.

Natürlich unterstützt die EU alle Institutionen, die Flüchtlingen helfen, klar.

Natürlich wäre ein Marschall-Plan 2020 ein gute Sache – schließlich hat man vor 70 Jahren selbst auf Trümmern gesessen, waren viele Millionen Menschen auf der Flucht gewesen, traumatisiert, klar.

Aber bitte nicht alle von Lesbos auf die Staaten der EU verteilen, bitte nicht die Millionen Syrer in der Türkei und im Libanon aufnehmen. Das verkraften unsere fragilen sozialen Systeme nicht.

Haben wir denn nicht sehen müssen, wie die Geflohenen Angst und Schrecken erzeugten?

Haben wir denn nicht erleben müssen, wie gewaltbereite Menschen diese Angst mit Gewalt auszuleben begannen?

So wäre es nun vielen in der EU lieber, außerhalb der Grenzen der EU die Flüchtlinge mit Geld zu versorgen, damit nicht neue Ängste und vielleicht sogar noch größere das eigene Land fluten?

Natürlich lassen die Vertreter der EU auch mit sich reden, wenn es auf kleiner Flamme um die Aufnahme von unbegleiteten Kindern gehen sollte, natürlich. Wir Europäer sind doch keine Unmenschen, also bitte!

Außerdem – was ist mit den restlichen Ländern Europas (20), die nicht in der EU sind? Leben die nicht auch nach den hehren Grundsätzen europäischer Kulturgeschichte?

Und übrigens:

Waffenlieferungen aus Staaten Europas auf den Weltmarkt sind doch nun wirklich ein völlig anderes Thema, also bitte!

06 März

Europa – Meditation # 182

Die Natur bietet uns eine Pause an.

Europa im März 2020. Der Vorfrühling zeigt schon einmal, was er so kann. Die Kraniche sind längst durch, die Vögel in den Parks und Gärten machen bereits einen auf Zweisamkeit. Da bahnt sich also wieder das alte Spiel der Natur an. Die Erdlinge aber haben für solche Beobachtungen kaum mehr Zeit, denn der Terminkalender ist übervoll – wie jedes Jahr: Skiferien wollen abgearbeitet werden, Osterferien sind längst geplant und gebucht, Konzerte, Theaterbesuche, Fêten sind eng getaktet, das Fitness-Programm soll sogar noch etwas ausgebaut werden. Und im Job wird fleißig gemobbt und getratscht, schließlich will man weiter auf der Leiter nach oben.

Und jetzt das!

Das ist der völlig falsche Zeitpunkt, das falsche Thema – für präventive Arztbesuche oder für „kürzer Treten“ ist kein Platz im Terminkalender. Also bitte, was soll das?

Da könnte glatt schlechte Laune aufkommen, echt.

Wie bitte?

Die Natur will uns nur kurz einen Schnellkurs in Entschleunigung aufbrummen.

Wie bitte?

Geh doch zu Greta und lass uns bitte unser Ding machen, wir finden diese Masche nun echt nicht mehr komisch.

Wie bitte?

Wer nicht hören will, muss eben fühlen.

Mist, mein Akku ist leer. Mist.

Was, die Messe fällt aus? Das ist doch wohl ein Witz.

Nein. Die Natur meint es ernst. Sie will uns Erdlinge – es bestehe einfach Handlungsbedarf – daran erinnern, dass die Hütte brennt und wir so tun, als wäre alles im grünen Bereich.

Und da gutes Zureden scheinbar auf verstopfte Ohren stößt, muss sie eben zu etwas stärkeren Mitteln greifen:

Wie wäre es, wenn ihr Erdlinge eure Sterblichkeit mal wieder in den Blick nähmt?

Wie wäre es, wenn ihr vielleicht für einen Augenblick über die Redewendung nachdächtet: „Mensch, die sterben ja wie die Fliegen!“ Und dabei nicht auf irgendwelche Lepra-Kranke auf irgendeinem fernen Kontinent zeigt, sondern euch selbst an der Nasenspitze fasstet und das Bild auf euch selbst bezögt? Könnte es nicht sein, dass die Erdlinge gerade im Slow-Motion-Modus daran erinnert werden, dass das alte „memento mori“ nichts an seiner kraftvollen Botschaft verloren hat? Und dass nur die zunehmende Hektik uns blendet und daran hindert, mit jedem kostbaren Augenblick unseres kurzen Besuches auf dem kleinen Planeten so behutsam und bewusst umzugehen, wie es nur eben geht? Und da die Natur unser bester Freund ist (viele finden das eher einen kitschigen und peinlichen Satz!), schenkt sie uns einfach so aus heiterstem Himmel eine Pause zum Innehalten und zum Zur Ruhe Kommen. Notgedrungen.

29 Feb.

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 93

Chandaraissa und Europa werden auf geheimnisvolle Weise gerettet.

Die drei Männer – eben noch mit einem Anschlagsplan unterwegs – werden von den drei göttlichen Brüdern kurzerhand umgedreht: Als erster Beweis dafür, dass sie dem Minos von Kreta treue Palastwächter sein wollen, sollen sie gleich eine Gelegenheit dazu erhalten. Zeus hatte nämlich gerade bemerkt, dass seine beiden Feindinnen, diese Hohepriesterin und die Phönizierin, gerade aufgebrochen waren, um zum Tempel ihrer Göttin zurückzukehren. Nervös tuschelt er mit seinen beiden Brüdern, um sie einzuweisen. Woltónos, Thórtys und Nemetos zittern vor Angst. Worin könnte der Beweis bestehen? Da gibt ihnen einer der drei Wächter ein Zeichen. Sie sollen in die nächste Gasse einbiegen. Schon laufen sie los. Die drei Götter hinterher. Jetzt sollen sie sich in einer Hausnische verstecken. Die drei Brüder tun es ebenso. Sie schauen angestrengt die Gasse hinauf. Es dämmert bereits. Nur eine streunende Katze schleicht vorbei. Mit steil hoch gestrecktem Schwanz. Ob sie die Nähe der Götter spürt? Dann sehen sie zwei Frauengestalten sich nähern.

Die sind gerade dem Zugriff der Wachen entflohen, sie wollten den Minos umbringen!“

Woltónos glaubt, sich verhört zu haben. Zwei Frauen? Die da? Das wollte doch er mit seinen beiden Helfern erledigen. Ratlos schauen sich die drei an. Vielleicht träumen sie die Szene ja bloß, vielleicht…Da aber raunt der Wächter, der ihnen gerade flüsternd diese Neuigkeit eingeträufelt hatte, erneut:

Lasst sie nicht lebend davon kommen. Es sind nur Frauen, und außerdem böse Frauen!“

Dabei glauben sie Blitze durch seine Augen fahren zu sehen. Ihnen wird eiskalt, sie zittern. Aber was bleibt ihnen übrig? Sie stehen mit dem Rücken an der Wand. Es gibt kein Zurück. Jetzt sind die beiden Gestalten schon ganz nahe. Jetzt müssen sie los. Jetzt müssen sie töten. Sie wissen es. Doch da erkennen sie hinter den beiden Frauen so etwas wie eine schwarz umhüllte Gestalt, die lautlos mit beiden Armen fuchtelt, so dass plötzlich eine große Staubwolke die Gasse verschluckt.

Statt loszuschlagen halten sich Woltónos, Thórtys und Nemetos die Hände vors Gesicht. Sand in den Augen, in den Nasen, in den Mündern. Sie sehen gar nichts mehr. Der Wind, der durch die Gasse heult, schluckt jeden anderen Ton. So hören sie auch nicht, wie die drei Götter hinter ihnen heftig zu fluchen beginnen. Und die Gestalt, die eben noch hinter den Frauen zu sehen war, ist – wie die beiden Frauen auch – wie weggewischt.

Chandaraissa und Europa fühlen sich im plötzlichen Sandsturm in einen Innenhof gedrängt, stolpern weiter, bis sie auf der anderen Seite des Innenhofes wieder eine Tür finden, durch die sie davon laufen. Was ist da gerade passiert? Europa, aber auch Chandaraissa, haben das Gefühl, gerade einem göttlichen Machtkampf entkommen zu sein. Aber wer war es?