25 Apr.

Europa – Meditation # 197

Was ich noch zu sagen hätte…

Der gesamten europäischen Sippschaft fliegen die Sachen nur so um die Ohren.

Europa, Eu, Europäer, Euro-Bonds, EZB…Exit…

Wie leid sind wir dieses Wortgerassel! Diese Beschwörungsformeln. Über Nacht wird uns Bewohner dieses kleinen Erdteils deutlich, wie klein wir selber sind.

„Es ist die natürliche Neigung des Menschen, sich und alle Welt mit sich zu ruinieren.“ (Albert Camus)

Na, nun wollen wir aber mal nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten, oder?

Gerade macht uns ein gefährlicher Bursche klar, dass wir doch alle im gleichen Boot sitzen: gechartert, ja, aber nicht Herr der Lage. Die Wellen gehen gerade ziemlich hoch, die Pessimisten haben Konjunktur, Weltuntergangsszenarien sind en vogue.

Aber nicht nur das.

Die Sippschaft schickt nun gerne den schwarzen Peter rum. Das Bild jetzt auf den leicht rassistischen Hintergrund abzuklopfen, ist momentan eher zweitrangig. Natürlich hat man es ja schon immer gewusst, dass der Onkel oben im Norden wenig vertrauenswürdig ist – von den Leichen in seinem Keller wollen wir jetzt gar nicht mal reden.

Und umgekehrt wird auch eine Nummer draus: Die Brüder im Süden wollten doch immer schon zeigen, dass sie mehr vom Leben verstünden als die Vettern im Land der Nordlichter – oder? Und von Leichen in deren Keller – also wirklich, da könnten die aber schon so einiges ans Tageslicht zerren. Aber man ist und bleibt ja doch verwandt. Außerdem geht es jetzt im Keller nicht mehr um Leichen, sondern ums Eingemachte.

Den Tanten, die zuletzt als altbacken und vorgestrig belächelt wurden, laufen jetzt die Enkel die Türen ein: „Sag mal, wie macht man das eigentlich mit Gurken im Glas, äh…keine Ahnung…öh…also…egal…kein Plan…?“

Und von Grenzen in diesen Tage zu reden, die zwischen den verschiedenen Zweigen der Sippschaft bestehen sollen, quält höchstens noch ein müdes Lächeln aufs maskierte Gesicht. Sieht ja sowieso keiner mehr. Ist doch selbstverständlich, dass man sich hilft, jetzt. Da können die alten Rechnungen auch noch so lang sein. Gut, und das mit dem Wachstum können wir jetzt auch endlich unter den Tisch fallen lassen. Die Alten haben es immer schon gesagt: was brauchen wir denn all das Zeug und wofür? Keine Ahnung. Genau. Es ist gar keine Floskel, es ist wahr. Nur merken wir es erst jetzt. Der Schwager in Gibraltar ist sich da total einig mit dem Schwippschwager in Tromsö. Hä? Keine Ahnung, viel mir gerade nur so ein. Der gesamte Reichtum der gesamten Sippschaft auf dem kleinen Kontinent Europa jedenfalls würde allemal ausreichen, dass alle aus der Schockstarre aufwachen und aufatmen können – wenn fair verteilt, klar.

Und auf der ISS stößt gerade die eine den anderen an: „Ey, schau dir das an: so scharf und klar haben wir das da unten aber noch nie gesehen – oder?“

20 Apr.

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 97

Ein unvergesslicher Augenblick

Es ist die Stunde der leisen Klänge und klaren Farben, denn der Sonnengott kommt gerade mit seinem Wagen meerwärts gefahren, langsam. Hunde und Katzen brechen behutsam zu kleinen Abenteuern auf, schleichen lautlos durch schattige Gassen. Es ist die Stunde der Tagträume auf Kreta. Auch Chandaraissa und Europa haben das Gefühl durch einen Traum zu schlendern. Federleicht. Mal mit geschlossenen Augen, mal mit halb geöffneten Lidern lauschen sie der sanften Stimme des Fremden, der ihnen gerade so wunderbar stürmisch – ein kleiner Sandsturm war sein Gehilfe dabei – ihr Leben rettete.

Lange Schatten alter Olivenbäume und leicht gebogener Dachkanten liefern einfach so und von glitzernden Staubkörnchen begleitet ein kleines Fest schöner Bilder eines Gartens, in dem die beiden Priesterinnen gerade ihren Atem, ihre Haut, ihre Gewänder spüren wie freundliche Begleiter in einem traumhaften Klanggemälde, das sie nur zärtlich verwöhnen will. Und das, was sie dabei hören, ist halb Musik, halb Sprache, halb Gesang, halb Raunen. Der Fremde hat sie völlig in seinen Bann geschlagen:

„Ich bewundere euren Mut, schätze eure Tatkraft, kenne eure Träume und helfe euch gerne, den Widrigkeiten und Anschlägen zu widerstehen. Das Wirken eurer helfenden Hände macht es vielen leicht, euch zu schätzen, euch zu unterstützen. Und ich hülle euch heimlich mit einem wärmenden Umhang liebevoller Gunst, die euch stärkt und weiter wirken lässt zur Freude, zur Lust, zum Tanz, zum Gesang und zum Frieden.“

Chandaraissa und Europa können es nicht fassen. Wer spricht da zu ihnen? Und warum tut er das? Woher kennt er ihre Träume? Die Schatten werden langsam länger und länger. Ihr Mut wächst und wächst. Sie haben so viele Fragen an den Fremden. Sosyniod. So nennt er sich. Er muss sehr mächtig sein. Aber sie haben keine Angst. Im Gegenteil. Beide sind entflammt, ihr Blut wallt, ihr Atem geht schnell, sie träumen sich in leidenschaftliche Bilder hinein, genießen es und ihn. Der Fremde scheint es zu spüren. Aber statt sich ihnen zu nähern, steht er langsam auf, lächelt, winkt mit der rechten Hand und wird von einem zum anderen Augenblick Teil der glänzenden und tanzenden Körner, die ihr buntes Treiben und Tollen im stillen Innenhof einfach nicht enden wollen.

Aber wie der Gesang der Wale, die über so weite Strecken unter Wasser ihre Botschaften weiter geben können, sind auch die Worte Sosyniods durch den weiten Äther gewandert, leichtfüßig und schnell, bis dorthin, wo die drei göttlichen Brüder mürrisch auf der Insel der Göttin der Liebe hocken und sich maßlos ärgern, weil dieser Sosyniod ihnen mal wieder einen Strich durch ihre Pläne gemacht hat. Es ist zum Haare raufen! Zeus zittert vor Wut. Poseidon schüttelt sein algendurchflochtenes Haar und Hades stülpt seine dicken Lippen nach vorne und knurrt: „Lieber Bruder, so kann es doch nicht weiter gehen, das können wir uns nicht bieten lassen! Wir müssen jetzt durchgreifen – oder?

19 Apr.

Europa – Meditation # 196

„Wenn man sie neu denken lehren könnte, würden sie auch anders leben“ (Robert Musil im Der Mann ohne Eigenschaften)

Was für ein hoffnungsvoller Satz – wenn – dann…

Und da der Mensch nicht vom Brot allein lebt, gewinnt auch wieder die Hoffnung an neuem Interesse.

Was wäre, wenn man „danach“ anderes denken lehrte, um nicht weiter so zu leben wie bisher?

Anderes? Nun, dass die Menschen das, was sie bisher für richtig hielten, nur deshalb für richtig hielten, weil sie es schon so lange immer wiederholten. Im Umkehrschluss könnte das doch bedeuten, dass sie auch Neues für richtig halten könnten, wenn sie anfingen, es nur oft genug zu wiederholen.

Warum ist denn die Werbung so wichtig?

Warum wird da so viel Geld verdient?

Warum sind da die hellen Köpfe versammelt?

Weil das unterhaltsame, also abwechslungsreiche und überraschende Wort und Bild sich unweigerlich in unserem Langzeitgedächtnis wohlig einnistet und wir deshalb auch immer genau wissen, was wir wollen sollen.

Cambridge Analytica lässt grüßen.

Wenn dem aber so ist, warum wäre dann nicht gerade dieser historische Moment des Innehalten Müssens der geeignete, vertraute Denkmuster zu verabschieden und an deren Stelle neue, überraschend neue Angebote zu machen. Die alten Lehrbücher sollten mithin mit dem Abitur 2020 gerne verabschiedet werden. Diese Litanei ist lang genug gesungen worden. Also jetzt!

Und es bedarf dazu keiner Kommission, keiner Arbeitsgruppe in den Verlagen, keiner Behörde in der Kultusbürokratie.

Denn Tag und Nacht geht den großen wie den kleinen Menschen etwas durch den Kopf, das da noch nie Eingang finden konnte und durfte und gänzlich dem alten Muster „schneller und mehr“, fremd ist: Zwei brutale Komparative, die seit langem schon die Menschen im Schwitzkasten halten. Neben Kopfschmerzen kann das sogar bis zu völlig neuen Viren führen, die sich dabei einstellen. Wir haben es jüngst bewiesen.

Wenn man nun all das, was gerade völlig gegen den Strich und freihändig und nicht bevormundet von Werbung oder Broschüren Tag und Nacht gedacht wird, in ein neues Lehren des Denkens packte – ohne langen Vorlauf – dann würde eben auch die Möglichkeit möglich, anders zu leben als bisher.

Und der, der nun sagt, Wolkenkuckucksheim! Den sollte man daran erinnern, wie aus der mantramäßig verkündeten schwarzen Null über Nacht eine Zahl wurde, die so groß ist, dass man sie kaum fassen kann – jedenfalls das totale Gegenteil der schwarzen Null. Wolkenkuckucksheim? Nein. Nur das beste Beispiel für die Möglichkeit, völlig anders zu denken und zu leben in Zukunft.