22 Jan

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 76

Die Attentäter verpassen ihr Attentat

Thortys und Nemetos – immer noch völlig erregt von dem verführerischen Bild, das sich vor ihren Augen gerade abspielt – werden brutal aus ihrer Gier hinaus gezerrt, als die zuschauenden Frauen, aber auch die atemlosen jungen Priesterinnen nun laut klatschen und zu jubeln beginnen. Chandaraissa und Europa freuen sich gerne mit. Ihr angekündigter Festbeitrag kommt gut voran, denken die beiden. Archaikos wird Augen machen. Das wird ein Fest!

Die Nachmittagssonne hüllt das Schauspiel, das da gerade im großen Tempel der großen Göttin zu Ende geht, in warmes, weiches Licht. Die beiden Männer stehen da mit offenem Mund und erregten Gliedern. Fassungslos. Da fällt ihnen wieder ihr Auftrag ein. Sie sehen gerade noch, wie diese Europa, diese gefährliche Fremde, mit der Hohenpriesterin im Tempelinneren verschwindet. Die sollte jetzt in ihrem Blut liegen.

Mist!“ zischt Nemetos wütend. Thortys nickt missmutig.

Warum haben wir es nicht getan?“ flüstert er und sucht mit der freien Hand den Dolch unterm Gewande. Die andere Hand stützt ihn an der dicken Säule ab. Gleichzeitig gehen den beiden üble Gedanken durch den Kopf: Sardonios, ihr Herr und Auftraggeber, wird toben. Nein, er wird nicht nur toben, er wird strafen. Und wie! Als sich die beiden nun erschrocken anschauen, sehen sie die Angst in den Augen des anderen überdeutlich. Sie wissen, dass es keine Ausreden geben kann. Sie sind erledigt.

Da kommen Sarsa und Belursa – noch ganz außer Atem und in ihren bunten, wehenden Tüchern – auf sie zugelaufen. Sie wundern sich. Warum sind ihre Männer überhaupt hier? Woher wussten sie von dieser Tanzprobe?

Hat es euch gefallen?“ fragt Belursa schnippisch und immer noch schnaufend – so sehr hat der Tanz sie angestrengt.

Klar, klar – wir, äh, also, das sah richtig gut aus, stimmt´s?“

Ja, seh ich auch so, genau“, plappert Thortys hinterher und muss dabei die ganze Zeit auf ihre Brüste schauen, die sich unter den durchsichtigen Stoffen heben und senken. Die beiden Frauen können ein Lachen kaum unterdrücken.

Was macht ihr denn eigentlich hier, ihr beiden? Habt ihr nicht Dienst im Palast?“

Nemetos fühlt sich völlig überfordert mit dieser Frage. Er hatte ja gar keine Zeit, sich eine kluge Ausrede auszudenken. Hilfesuchend blinzelt er zu seinem Kumpel rüber. Der guckt aber auch nicht besser aus seinem schmutzigen Hemd. Sarsa und Belursa warten ungeduldig auf Antwort, aber da kommt keine.

Habt ihr die Sprache verloren?“ bohrt Sarsa nach.

Nein, nein, wieso denn? Wir…wir hatten gerade eine Freistunde, da dachten wir, wir schauen einfach mal, was unsere Frauen so machen…“

Nemetos ist mächtig stolz, dass ihm solch ein kluger Satz kam.

31 Aug

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 67

Auch auf dem Olymp gibt es Wanzen

Hör mal, das kannst du doch so nicht machen, Bruder!“

Jetzt sei mal nicht olympischer als der Olympier selbst!“ (Gekicher alter Männer)

Nach dem Fisch-Salat (wieder unterdrücktes Gelächter auf dem Olymp) landest du jetzt hoffentlich mal einen wirklichen Treffer!“ Poseidon grinst genüsslich, seinem Bruder eins auswischen zu können.

Willst du mich beleidigen?“

Leute, hört auf mit dem Gezanke. Ich muss dringend zurück in die Unterwelt. Sag mal, Zeus, ist dieser Sardonios überhaupt vertrauenswürdig?“

Na klar, der wartet doch nur darauf, den Frauen eins auswischen zu können.“

Und wieso ist der so prompt auf dein Geraune eingegangen? Normalerweise machen die Menschen doch ein irres Theater, wenn wir Götter ihnen etwas einzureden versuchen.“

Also mir hat noch keiner Theater gemacht…“

Ach nein, darf ich dich vielleicht daran erinnern, was damals mit diesem Orest gelaufen war, Bruder?“

Jetzt komm mir nicht mit dieser blöden Geschichte. Schließlich hat ja meine Tochter Athene den Ausschlag gegeben, dass sich unsere Sicht der Dinge doch noch durchsetzen konnte.“

Genau, Hades, du musst mir natürlich hier wieder in den Rücken fallen und für den großen Bruder Partei ergreifen. Echt prächtig, echt!“ Poseidon spielt den Gekränkten, zumindest ein bisschen.

Hä? Stimmt es denn nicht, was ich sage?“

Hörst du überhaupt zu? Ich habe das gar nicht bezweifelt. Du hast mal wieder nicht zugehört, Brüderchen!“

Kommt, jetzt ist aber auch gut. Wir haben geschworen und wir werden gewinnen. Punkt. Und dieser Sardonios ist schon auf dem Weg seine Handlanger zu wecken. Diese Europa ist heute Abend längst bei dir unten in der Unterwelt.“

Du kannst ihr ja einen würdigen Empfang bescheren“ grummelt Poseidon eher gelangweilt (wieder eine Kicher-Orgie dreier alter Männer, die nicht ahnen, dass ihr Olymp verwanzt ist)

30 Aug

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 66

Wie kochende Lava – so brodelt es in Sardonios

Während Europa und ihre Freundin Chandaraissa, die Hohepriesterin, voller Zuversicht Zukunftspläne schmieden, rumort es im Bauch des Herrn über die Hofhaltung, Sardonios, oben im Palast. Archaikos, der Minos von Kreta, wacht gerade auf und schwelgt in sinnlichsten Tagträumen. Sardonios aber geht unruhig auf und ab in seinem Wohnsaal. Hin und her:

Entgleitet mir die Macht? Will der Minos mich los werden? Was verbirgt sich hinter dieser Fremden? Hat sie den Minos heimlich vergiftet, so dass er ihr nun hörig ist? Was ist mir entgangen? Europa! Was für ein hässlicher Name!“

Da streift ein Windhauch sein Gesicht. Er meint die Stimme ganz deutlich hören zu können:

Es ist nicht nur ein hässlicher Name, es ist auch ein Unglück bringender. Zögere nicht, sonst könnte es zu spät sein. Wenn der Minos sie an seine Seite holt, bist du erledigt.

Sardonios hält den Atem an. Ist da jemand? Oder hat er sich die Stimme nur eingebildet? Wie auch immer. Ich werde meinen beiden Versagern ein Angebot machen, das sie nicht ablehnen können. Und wieder dieser Windhauch. Und leises Gelächter. Wer lacht ihn da aus? Sardonios tobt, schnürt sich den schwarzen Ledergürtel um und hastet hinaus zur Stadt hinunter. Noch heute soll sie sterben, noch heute, faucht er dabei vor sich hin.