04 Feb.

Europa – Der gekränkte Kontinent quält sich lieber selbst – Meditation # 81

Der gekränkte Kontinent Europa quält sich lieber selbst

Die geographische Mitte ächzt und stöhnt dieser Tage unter den eigenen Bildern, die man selbst erzeugte: Die große Koalition hat stark an Strahlkraft verloren (wenn sie sie je überhaupt hatte), und die derzeit um eine gemeinsame Verhandlungsbasis streiten, tun sich schwer an den möglichen Erfolg ihres Tuns zu glauben. Die Mitte Europas beschäftigt sich aber auch auf anderen Ebenen mit den Geistern, die man selber rief: „Ich auch!“ so klingt es inzwischen auf beiden Seiten des großen Teichs und keiner möchte da auf der falschen Seite erwischt werden. Und nachdem nun in Manchester ein Gemälde und die dazu gehörigen Postkarten im Museumskeller gelandet sind, fragen sich die großen und kleinen Geister verstört, wie das nur alles so kommen konnte und wo das denn nun noch hinführen möchte.

Blenden wir spaßeshalber einmal kurz zurück in die Anfänge der Erfolgsgeschichte – so jedenfalls wurde sie bisher in unseren Schulbüchern beschrieben – als so um 1500 herum die Portugiesen zusammen mit den Spaniern das katholische Christentum in die Welt hinaus trugen, und jeden erschlugen, der nicht bereit war sich taufen zu lassen. Schließlich war es doch eine biblische Mission, die der Papst den Königen zugewiesen hatte: Macht sie euch und unserem Glauben zum Wohlgefallen unseres Gottes alle untertan! Die stolzen und kräftigen Männer machten sich hurtig ans gewalttätige Werk und erfüllten so den Auftrag des Stellvertreters Christi auf Erden nachhaltig.

Gut 500 Jahre später ist dann aber die Luft raus aus dem gewaltigen Projekt: Nicht nur Europa und sein christliches Missionswerk stagniert, auch das Selbstverständnis der stolzen Männer bricht wie ein Kartenhaus in sich zusammen.

Auf der Weltbühne haben längst andere die Regie übernommen – die Reflexe aus Übersee sind nur ein narzissstisches Spiegelbild dieses Szenenwechsels: Rette sich, wer kann, so tönt es, jeder ist sich da der nächste, klar! Und die vollmundigen Töne der Männer verkommen mehr und mehr zu einem eher peinlichen Gebrabbel verunsicherter Pimmelinskis, die am liebsten Schutz suchen würden bei Muttern, weil alle wohl nur missverstehen wollen, was man als Mann doch nun mal machen muss, um Mann zu sein.

Europas „Weltherrschaft“ – auch das eher eine maßlose Übertreibung – ein bloßes Missverständnis einer Horde von mittleren Nationen auf dem europäischen Kontinent und seinem Ableger auf der anderen Seite des Atlantiks, die lange meinen konnten, die ganze Welt mit ihrem Konkurrenzprinzip beglücken zu müssen, diese Europäer und ihre Nachkommen aus Übersee werden nicht umhin kommen, ihre eigene „Erfolgsgeschichte“ gründlich revidieren zu müssen – samt Mannbild, das ja nicht unmaßgeblich zu dieser Entwicklung beigetragen hat.

Selbstmitleid verrät dabei nur die mangelnde Tragfähigkeit des Geglaubten und Vollbrachten.

26 Jan.

Europa – Davos und kein bisschen weise – Meditation # 80

Europa – Davos und kein bisschen weise

Eben noch empörten sich EU-Politiker über die unfreundlichen Ankündigungen des ehemals besten Freundes jenseits des großen Wassers, nun – da man den deutschen Bürger nicht länger auf eine neue Regierung warten lassen kann – bemüht man sich um Schadensbegrenzung und Neujustierung des europäischen Selbstverständnisses.

Aber das Neue erweist sich wieder – wie hätte es auch anders kommen können, so lange die alten Barden weiter tönen dürfen – als altbackene Muster in angestaubten Bildern.

So versucht die geschäftsführende Kanzlerin Optimismus auszustrahlen – die EU müsse eine selbstbewusste Weltmacht werden…denn man sei umgeben von mächtigen Konkurrenten, und zählt sie dann brav auf: China natürlich zuerst (das wird inzwischen selbst dem einfältigsten Zeitgenossen überklar sein!), dann Indien, USA und Russland…Was für ein Fahrwasser! Ironisch könnte man ein altes Zitat leicht abgewandelt vielleicht so formulieren; „Wir sind umgeben von einer Welt mächtiger Konkurrenten – da kennt Frau Merkel keine europäischen Nationen mehr, sondern nur noch eine mächtige EU..!

Angesichts der weiter auseinader driftenden Schere zwischen arm und reich, der wachsenden Belastung junger Mütter und der damit nach wie vor verbundenen Ungleichheit zwischen Wertschätzung der Arbeit einer Frau und eines Mannes, und der zunehmenden Ratlosigkeit gegenüber Kindern und Jugendlichen, die immer tiefer in digitalen Wolken Zuflucht suchen, wirken die Angebote der geschäftsführenden Kanzlerin wie ein wohlfeiles Ablenkungsmanöver auf die internationale Bühne und dem dramatischen Stück, das da gerade geboten wird: Wenn wir da nicht mächtig gegenhalten, sind wir verraten und verkauft – das ist wohl der Subtext solcher Bilderwelten, die da gerade in Davos angeboten werden. Ein bisschen Angst verbreiten hilft immer, wenn man nicht mehr weiter weiß.

Panem et circenses – Brot und Spiele – das war im Alten Rom die oberste Devise, um die Plebs zu befrieden. Die reichen Senatorenfamilien wussten das sehr wohl und konkurrierten im Wettstreit, wer die aufwendigsten Spiele zu stemmen vermochte, viele Jahrhunderte lang (denn Eigentum verpflichtete zu öffentlichen Einsatz – selbstverständlich).

Heutzutage verpflichtet dagegen Eigentum höchstens noch zur unbegrenzten privaten Bereicherung und das Panem-et-circenses-Muster übernehmen viel nachhaltiger die digitalen Unterhalter und Aufhalter. Denn was die da oben mauscheln, ist ja doch nur Theaterdialog – hinter den Kulissen schieben sie die Bestechungsgelder hin und her – das Abschaffen von Kontrollen in den letzten Jahren hat zu ungehemmten Spekulationsabenteuern geführt – frei nach dem Motto: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. Auch das EURO—Konzept folgte bisher diesem Muster, die Leidtragenden waren die „südischen“ Staaten Europas, deren EU – Treue längst überstrapaziert ist. So wachsen auch gerade von den Rändern Europas her in diesen Tagen die Konzepte einer europäischen Vereinigung von gleichen und nicht von reichen und weniger reichen Staaten.

So spricht die geschäftsführende Kanzlerin sogar von tiefer Schuld gegenüber dem afrikanischen Kontinent und mahnt eine neue Entwicklungshilfe an: die mächtigen Europäer wollen den bedürftigen Afrikanern helfen beim Entwickeln…Es ist nicht zu fassen. Unsere Politiker können einfach nicht aus überkommenen und lieb gewonnenen Bildern auswandern. So bleibt auch ihre Politik die, die sie schon immer betrieben. Die letzten Zahlen zu Rüstungsgeschäften in Kriesengebiete sprechen eine unmissverständliche Sprache.

 Kritische Zeitgenossen tun deshalb gut daran, sich nicht Sand in die Augen streuen zu lassen: Die Zahlen an den Börsen wiesen unablässig nach oben, das sei die Gunst der Stunde, die man nicht ungenutzt verstreichen lassen dürfe…Die EU müsse in den nächsten zehn Jahren ganz groß raus kommen…also packen wir es an. Nein, danke. Weiter wursteln wollen wir einfach nicht mehr. Machtpolitik gehört ins letzte Jahrtausend, blanke Geldpolitik ist die Devise dieser Tage, doch was wirklich not tut, ist eine Politik in überschaubarem Rahmen von unkorrumpierbaren Vertretern betrieben in Interesse der kleinen Leute, die sich als gleiche unter gleichen sehen möchten…und nicht als Verlierer und Gewinner in einem unfairen Bereicherungsspiel.

10 Jan.

Europa – Ist das nicht wahres Weltbürgertum? – Meditation # 79

Zwei Großaktionäre machen sich Sorgen um unsere Kinder

Zwei Großaktionäre eines Schnurlostelefonherstellers mit eingebautem Endlosunterhaltungs-Programm machen sich echt Sorgen um die kindlichen Nutzer – Wie kann das Unternehmen etwas dagegen tun, dass weltweit dem sich anbahnenden Suchtverhalten dieser kleinen Kunden Gegenkräfte implantiert werden – vielleicht so etwas wie eine mentale Obseleszenz?

So viel Weitsicht und kindbezogenes Einfühlungsvermögen haben sicher nur die wenigsten solchen Großaktionären zugetraut. Wie man sich täuschen kann. Oder sind die selber einfach die besseren Täuscher?

Nun, später in ihrer sorgenvollen Anfrage beim kalifornischen Macher wird natürlich doch noch klar, dass es im Grunde nicht um das Kindeswohl geht, sondern um stabile Wachstumsraten. Dass man also eigentlich den Bock zum Gärtner machen möchte, ist jedem halbwegs kritischen Zeitgenossen nicht verborgen geblieben.

Die großen „Spieler“ (um die deutsche Übersetzung des englischen Strahlebegriffs zu nutzen) sind längst solch biederen Fragestellungen entwachsen. Zu sehr berauscht sie der eigene Erfolg und die offensichtliche Unangreifbarkeit durch Staat und Gesellschaft oder nationale Gesetze (auf dem Feld des Steuern Zahlens liefern sie ja bereits anschauliche und eindrucksvolle Beispiele ihrer außerordentlichen Rolle)

Aber die angesprochene Sorge ist allerdings sehr ernst zu nehmen.

Nur kann sie nicht am Tisch irgendwelcher von sich selbst berauschter „Think Tanks“ zielgerichtet verhandelt werden, sondern nur am Tisch der Familie, während sie gemeinsame Rituale zu retten versucht: Gemeinsames Essen, gemeinsames Spielen, gemeinsames Reden, gemeinsames Arbeiten, gemeinsames Nach-Denken.

Wenn sich allerdings jeder dabei hinter seinem kleinen Zauberkästchen verschanzt, ist von gemeinsamem Leben keine Spur mehr da. Die Verlockungen anonymer Digital-Partner, die keine sind, bleiben einfach durchweg die Sieger. Sie haben den längeren Atem (so etwas wie Geduld kommt in deren Pseudowelt gar nicht erst vor).

Was das mit Europa zu tun hat, könnte nun der geduldige Leser des blogs zurecht fragen.

Einiges, vieles.

Denn die Verlockungen aus dem Äther, die ja den Großaktionären weitere Kurssteigerungen garantieren sollen, sind nun wirklich absolut jenseits all dessen, was europäische Lebensweltgeschichten kennzeichnete. Und hier ist nicht die Rede von der EU, sondern von den vielen Regionen in Europa, in denen seit so vielen Jahrhunderten schon Kinder in vielerlei Sprachen und Sitten groß gezogen wurden, weil sie umgeben waren von Eltern und Großeltern, die Zeit für ihre Kinder hatten und Ansprüche an sie stellten. Daran konnten die Kinder wachsen und sich reiben, bis sie selbst zu kritischen Individuen herangewachsen waren. Umstellt blieben sie aber stets vom vertrauten Rahmen der Familien, Verwandten und Bekannten ihrer Gegend. Das gab so etwas wie Urvertrauen und Sicherheit. Alles Begriffe und Werte, die den Großaktionären im fernen Kalifornien völlig gleichgültig sind, den Produzenten ihrer Produkte ebenfalls. Alle beten den Götzen dieses haltlosen Spielzeugs an – schwärmen von globaler Vernetzung und totaler Verfügbarkeit. Schlafen, Regenerieren müssen sich diese Dinge nicht, sie sind verlässlich immer da für jeden, der sie nutzen will, Tag und Nacht. Und alle, die das nicht gut finden können, sind in ihren Augen bloß Spielverderber oder lebensuntüchtige ewig Gestrige. So einfach ist das heute. Und Kinder haben natürlich keine Lust auf Grufties dieser Art und laufen – wie Lemminge – jauchzend den Rattenfängern hinterher, als gäbe es da etwas zu gewinnen, als böte man ihnen dort das pralle Leben.

Auch die EU setzt 100% auf völlige Digitalisierung der Arbeitswelt und des Lebens überhaupt – immer unter der Flagge von mehr Teilhabe, mehr Freiheit, mehr Selbstverwirklichung. Jetzt sind die Schulen dran: Auch das wird die Großaktionäre freuen (hinter vorgehaltener Hand werden sie süffisant säuseln: Wurde aber auch wirklich Zeit, dass diese abgehängten Europäer noch auf den Zug aufspringen!). Bald ist nicht nur das Kinderzimmer, sondern auch der Klassenraum voll vernetzt und alle Daten schön gespeichert, damit die Kinder mit staunenden Augen bei jedem Klick fasziniert stammeln: „Ne, das glaub ich jetzt nicht! Woher wissen die denn, was mein Lieblingslolly ist?“ Der neue Weltbürger lässt sich gerne bedienen. Alles so einfach, endlich. Europa? Hä?