13 Jan

Europa – Meditation # 171

Ein Bumerang nach dem anderen…

Neulich erregten sich die Gemüter, als das Ende des Ost-West-Konfliktes ausgerufen wurde. Ein akademisches Vollblut erfindet schnell den schillernden Begriff von der einen Welt, der westlich geprägten, weil die Vision vom immer währenden Wachstum sich als unwiderstehlich herausgestellt habe. Aus und vorbei. In Europa atmeten viele auf, weil endlich das Ende einer selbstgefälligen Bevormundung in Ost und West zu Ende ging. Aufbruchstimmung, Selbstbestimmung. Optimismus. Und die EU bietet sich vollmundig als neues Modell grenzübergreifender Erfolgsgeschichten an. Wachsende Verdrossenheit in Sachen Teilhabe und Transparenz wird klein geredet und nicht ernst genommen. An den Rändern der sogenannten Volksparteien blühen über Nacht neue Pflänzchen, deren Duft nicht wenige betören.

Gestern war die Empörung groß, als eine Frau vor laufenden Kameras sagt:“Wir schaffen das!“ und ein Tsunami an Flüchtlingen über Westeuropa zu schwappen schien. Angst und Schrecken entpuppen sich als die probaten Gefühle, um verunsicherte Wähler an Land zu ziehen. Aus den Pflänzchen sind inzwischen stachelige Pflanzen geworden, die keiner mehr überriechen kann. Trotz jahrzehntelangem Lernen will die Demokratie einfach nicht so richtig Fuß fassen, denn Subventionen und parteipolitische Vetternwirtschaft über Jahrzehnte hin hat die Glaubwürdigkeit des westlichen Demokratiemodells empfindlich ramponiert. Jetzt gibt es viele Player europaweit: Die Briten, die Schotten und die Iren im Westen, die Ungarn und Polen im Osten, um nur ein paar zu nennen.

Und heute brennt der Wald in Australien nachhaltig, und wieder gehen die Emotionen hoch und heiß. Die Aborigines kennen schon so lange den Bumerang. Nun werden wir Ausländer alle gezwungen sein, nicht nur das Wort, sondern auch die Funktionsweise des Bumerangs zur Kenntnis zu nehmen: Denn was die Europäer einst in die Welt hineingeworfen haben, kommt nun gewaltig zurück. Der Ottomotor lässt grüßen, die Kohle auch. Und die Gretchenfrage stellt sich heute nicht mehr nach der Religion, sondern nach der Ökologie: Wie hältst du es mit dem CO2 – Abdruck? Und Wachstum um jeden Preis erweist sich endlich als das, was es ist: Raubbau am Planeten zu Lasten der Lebewesen überall. Gleichzeitig stecken die Männer immer noch fest in einem steinzeitlichen Weltbild: Der Stärkere ist auch der Bessere zurecht! Und Tarnen und Täuschen scheint nach wie vor das Erfolgsmodell – individuell wie global. So lange es dauert.

Warum sich schämen angesichts des Scherbenhaufens, den wir alle mit angerichtet haben? Das ist lähmendes Verweilen im betroffenen Nichtstun, weiter nichts. Zum Glück stecken sich an den Peripherien Europas und in den Vierteln der großen Städte Europas die jungen wie alten Mitbürger gegenseitig an, vor Ort die „Sache“ einfach so und von einem Tag auf den anderen in die Hand zu nehmen und Veränderungen in den Alltag einzuspeisen, die natürlich sind und nicht konditioniert.

10 Jan

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 90

Die drei göttlichen Brüder laufen Amok

Zeus, Poseidon und Hades haben es heute sehr eilig: sie wollen nicht nur den Krieg von Europas Vater Agenor nachhaltig beeinflussen, nein, sie wollen auch die drei Brüder Europas, Kadmos, Phoinix und Kilix, auf der Insel der Schaumgeborenen in die richtige Spur bringen und auch dem wildwütigen Triumphirat Woltónos, Thortys und Nemetos auf Kreta ordentlich in die Karten spielen – und das alles an einem Tag! Kein Problem für solch olympische  Götter wie sie!

Agenor, Europas Vater und König im fernen Phönizien, hat eben den breiten Fluss – so etwas hat er noch nie gesehen – in einer Furt mit seiner Streitmacht durchwatet. Nun stehen sie in der Mittagshitze am anderen Ufer und fühlen sich schon wie Sieger. Da melden sich drei Hirten. Sie wollen dem König helfen, die Assyrer mit ihrem neuen König zu besiegen. Sie kennen Schleichwege.

Nun, woher soll ich wissen, dass ihr nicht Spione des Gegners seid, ihr drei?“, fragt Agenor, der breitbeinig und geschient unter einem Sonnensegel sitzt. Dabei wirft er einen kurzen Blick zu seinem Reitergeneral Abressonios: kluge Frage oder? Der nickt, obwohl er gar nicht weiß, was dieser Blick des Königs sollte. Die drei Hirten – Poseidon, Hades und Zeus – verneigen sich ehrerbietig bis zum Boden und warten, bis Agenor huldvoll sagt:

Schon gut, schon gut, erhebt euch wieder und antwortet auf meine Frage!“

Großer König“, beginnen die drei im Chor, „wir sind Nomaden und huldigen keinem König. Ihr könnt uns also vertrauen.“

Agenor ist mit dieser Antwort sehr zufrieden und dass sie im Chor sprechen, kommt ihm auch nicht komisch vor.

Gut, gut. Dann legt mal los!“

Die drei verkleideten Hirten lassen sich nicht lange bitten und fahren dann so fort:

König Ufroras – eben erst auf dem Thron und noch sehr jung – weiß, dass ihr in sein Land eingefallen seid. Er ist gekränkt, weil ihr statt mit eurer Tochter Europa mit einem Heer in sein Land reist. Er will euch bei der Oasenstadt Melweli in einen Hinterhalt locken und vernichten.“

Agenor ist sprachlos. Was hat er nur für ein Glück! Weil er nun weiß, was Ufroras vorhat, wird er dem Hinterhalt einfach zuvorkommen und siegreich in Assur einziehen und mit unermesslichen Schätzen zurückkehren. Er bewirtet und beschenkt die drei Hirten reichlich und bricht sofort mit seinem kleinen Herr auf, um noch vor Einbruch der Dunkelheit Melweli zu erreichen.

Die drei Hirten machen sich aus dem Staub, lachen und lachen und sind schon unterwegs zu ihrem nächsten Eingriff in den Gang der Dinge – alles kluge Pläne, um Europa zu vernichten. Ihr Siegeszug scheint unaufhaltsam. Zeus mit geschwellter Brust:

Brüder, wenn wir weiter so leichtes Spiel mit den Menschen haben, werden wir spätestens zu diesem ominösen Tanzfest auf Kreta die dickköpfige und stolze Frau zu Fall bringen“.

Seine beiden Brüder schmunzeln nur. Sie freuen sich, dass ihr Bruder endlich wieder besser gelaunt ist. Ihre Zweifel halten sie lieber für sich. Soll er nur mal machen. Sie sind dabei.

So, und jetzt auf zur Insel der schaumgeborenen Göttin!“.

22 Dez

Europa – Meditation # 169

Wo Schatten ist, muss auch Licht sein.

Das unersättliche Wachstumsmantra gerät ins Taumeln, die Wachstumsraten werden kleiner und kleiner, die Müllberge dagegen größer und größer. Und die Prophezeiungen, so das Glück des Menschen erarbeiten zu können, erweisen sich mehr und mehr als Trugschlüsse. Nun kommt es wie ein Bumerang von Osten her zurück. Durch alle Ritzen und Spalten, zu Lande wie zur See, überall macht es sich leise, aber nachhaltig breit. Ein bekanntes Muster in fremden Gewande?

Jahrhunderte lang segelten die Schiffe von Europa um die Welt. An Bord nicht nur Krankheitskeime, nein, auch neue Waffentypen, neue Götter, neue Münzen, neues Denken.

Das bisher Unermessliche ist nur so lange unermesslich, wie wir es nicht messen. Wir wissen, wie man das macht!“ Die damit Beglückten hatten natürlich ordentlich dafür zu zahlen.

So oder so ähnlich lautete dieses Mantra der Christen, die eben auch ein Kreuz dabei hatten – das Symbol ihres gnädigen Gottes.

Nach und nach gerät allerdings der Glaube in den Hintergrund, in die Privatsphäre, als wäre es bloß noch ein familiäres Ereignis, das man dann und wann in feierlichem Rahmen (etwa Weihnachten) zu gestalten weiß.

Schließlich schien alle Welt dem Muster zu folgen, das Ende aller Ideologien wurde sogar ausgerufen: es gibt nur noch die e i n e Welt, die ehemals von Europa aus erdachte und exportierte. Demokratie und Kapitalismus.

Aber die Schatten werden länger und länger: Einsamkeit in großem Maßstab, Süchte in noch größerem, Ängste auch. Das betrifft die Seelen der Menschen; die Natur, deren Teil sie alle nach wie vor sind, ächzt und stöhnt in deren Schatten auch.

Es ist wie in einem Bild aus einer kleinen Geschichte von Robert Musil: da verschwindet nach und nach ein kleiner Junge hinter der eigenen Fettwand, um sich zu schützen. Manchmal sieht man ihn aus seinen kleinen Augen winken, doch sonst ist nichts mehr von ihm zu sehen, nur noch Fett.

Der Abendländer scheint auch solch ein kleiner, ängstlicher Junge zu sein, der sich hinter seiner alt und schrumpelig gewordenen Fettwand versteckt und manchmal noch winkt und winkt. Wohlstandsfett. Blutdruck und Puls werden schwächer und schwächer. Inmitten von Müllhalden.

Begabt, wie die Species nach wie vor zur Welt kommt, beginnt der eine oder die andere im Verborgenen neu nachzudenken, denn die gewohnten Muster sind eben nichts als Muster, die man auch ersetzen kann, wenn man will. Das wirft dann auch ein völlig neues Licht auf sich und die Dinge. Und auf die Schlange Kaa, die sich da säuselnd – nun aus Osten – lautlos anschleicht und neue „Freunde“ sucht. Wer hätte das gedacht? Die Fremde, die da leise anklopft, bringt als Geschenke tatsächlich das mit, was der Europäer als sein eigenes verbrauchtes Produkt erkennt, nun nur eben in fremdem Gewande…aber ein Auslaufmodell.