04 Nov.

Europa – Mythos # 117 Alles zu seiner Zeit!

Fiktiv? – Belauschte Gespräche am Tresen irgendwo in Europa

Alles zu seiner Zeit!

Soll ich dir mal was sagen? Zu Europa und Zukunft?

Och nö, eigentlich würde ich jetzt lieber gar nichts hören.

Komm – mir geht da gerade ein Sprichwort durch den Kopf.

Och nö, bitte nicht auch noch ein Sprichwort!

Kennst du doch: Alles zu seiner Zeit! Oder?

Och nö, bitte nicht. Wolltest du nicht über Europa quasseln?

Genau: Früher gab`s die Berlin-Blockade,den Korea-Krieg, die Kuba-Krise und immer wusste jeder: Ost-West-Konflikt – Patt-Sitation wegen des Over-Kills. Stimmt`s?

Jo, jo. Juuut. Und?

Und? Und was gibt es heute? Kommunismus ist vorbei, Kapitalismus ist auch nicht mehr das, was er versprochen hat…Cum-Ex und Cum-Cum, Monsanto…Nur die Reichen werden immer reicher!

Sagst du doch: Alles zu seiner Zeit.

Klar. Aber was ist denn jetzt an der Zeit?

Och nö, wird jetzt gepredigt?

Nein, nur ein bisschen Klartext: So wie wir es 1990 versäumt haben, in einer Nationalversammlung die beiden „Gemeinschaften“ (hüben wie drüben“) unter einen Hut zu kriegen, so hat es auch die EU versäumt Otto-Normal-Verbraucher mit ins Boot zu holen -und schon is nix mit Gemeinschaft.

Hä? Willst du etwa sagen, dass nach 1990 alles hätte anders laufen können, wenn…?

Genau. Hätte, hätte, Fahrradkette –

Und jetzt ist es zu spät, stimmt`s?

Nein. Ganz und gar nicht. Wir müssten uns nur vom derzeitigen Parteiensystem verabschieden – da die zwei großen und da die vier kleinen – und einen Interessensausgleich auf kleinerer Flamme kochen.

HÄ? Und wie, bitte schön, soll das funktionieren?

Das erzähl ich dir beim nächsten Mal!

Och nö, das find ich jetzt aber richtig doof.

Tja, du kannst dir ja bis dahin selber was überlegen, wie das funktionieren könnte!

27 Okt.

Europa – Fortsetzung der alten Geschichte # 69

Archaikos träumt einen kühnen Traum

Sardonios, der Herr der Listen und Namen, kommt gerade schnaufend von seinem Frühspaziergang in den Palast zurück. Die Wächter schrecken auf: Wo kommt der denn her? Hä? Zitternd beugen sie ihre Häupter, nur nichts falsch machen, nur nicht auffallen!

Drinnen ist es angenehm kühl und still. Manchmal fliegt eine Schwalbe durch die Säulengänge oder waren es doch noch Fledermäuse? Sardonios hat keine Zeit für solche Beobachtungen. Ihm ist insgeheim angst und bange. Was hat der Minos von Kreta vor? Steht mein Sturz bevor? Sind die alten Räte noch auf meiner Seite? Liege ich richtig, die neue Flamme des Minos aus dem Weg räumen zu lassen? Jetzt ist es sowieso zu spät, denn die beiden dämlichen Helfer sind ja schon unterwegs. Schnell noch die Frühansprache des Minos mitnehmen, dann nichts wie hin zur Höhle, um die Einzelheiten für den Anschlag zu verabreden, denkt Sardonios, als man ihm die schwere Flügeltür zum Besprechungssaal öffnet.

Währenddessen stürzen kühne Traumbilder dem Minos durch den Kopf. Kurz vor dem Aufwachen überfällt ihn ein Taumel an Glücksgefühlen, wohligem Lustgestöhn und jauchzendem Kindergeschrei. Und an seiner Seite: Europa. Lächelnd, groß und so begehrenswert. Das Klopfen an seiner Schlafraumtür reißt ihn aus diesem beglückenden Rausch. Und weg sind die Bilder.

Herr und Minos!“ flüstert Brodostys, sein treuer Diener, beim Eintreten,  „Sardonios wartet schon ungeduldig auf die Anweisungen für den Tag. Soll ich ihn wieder wegschicken?“

Archaikos räuspert sich schlecht gelaunt, er will Sardonios mit langem Warten dafür bestrafen, dass er selbst aus diesem wunderbaren Traum gerissen wurde.

Nein, nein! Lass ihn nur warten. Ich werde kommen.“

Stöhnend wälzt sich der Minos aus den noch warmen Fellen, richtet sich auf, hört genüsslich dem Geschrei der Elstern zu, die im leeren Innenhof so tun, als gehöre der Palast ihnen allein, und steigt in das dampfende Wasser seines riesigen Waschtrogs, der natürlich schon längst lautlos gefüllt worden war. Brodostys, der Gute, trocknet ihn gründlich ab und reicht ihm seine Untergewänder. Archaikos nimmt sich viel Zeit. Er grinst, denn er kann sich gut vorstellen, wie jetzt Sardonios auf ihn warten muss, wütend. Dann geht der Minos gemächlich zum Fenster, schaut über den tiefer gelegenen Innenhof hinweg Richtung Berge und denkt sich noch einmal in seine Traumbilder hinein: Europa soll es also sein, mit ihr wird er diese Kinder haben, die er da ausgelassen schreien hörte. Er atmet tief die frische Morgenluft ein. Sein Reich, Kreta, wird also glücklichen Tagen entgegen sehen. Eine fremde Frau wird alles verändern.

17 Sep.

Europa – Meditation # 110 Heimatlos auf dem Wohlstandsfloß

Lassen wir die Kirche doch mal im Dorf…!

Nicht nur die Parteien haben Mitgliederschwund zu beklagen. Nein, auch die Kirchen. In den meist altehrwürdigen Gemäuern, opulent mit Steinmetzkunst verschönert, kann man die Kirchgänger mehr und mehr an zwei Händen abzählen. Hohe, leere Hallen.

Nach dem letzten Krieg, da waren sie noch voll. Jeden Sonntagmorgen strömte die Gemeinde zu ihrem Pfarrer, um zu singen, zu beten und der Predigt zuzuhören.

Je größer der Wohlstand, umso kleiner der Teilnehmerkreis in den Kirchen – das scheint eine Erklärung zu sein; eine andere wäre die Erziehung zum selbstbestimmten Individuum, das sich nicht mehr sagen lassen möchte, was es glauben soll.

Und nun die Welle der Missbrauchsgeschichten, die sich hinter dem religiösen Vorhang wohl zu verstecken wussten. Der Bürger wendet sich angeekelt ab. Die Lüge hat Hochkonjunktur.

So geht das Vertrauen in die Institution Kirche nachhaltig verloren. Wo aber gibt es Ersatz für die wunde Seele? Wo gibt es Trost, wenn der berufliche Erfolg nicht eintreten will? Wo fühlt sich der Bürger denn noch nicht hinters Licht geführt? Die Banker trixen, die Konzerne bluffen, die Kirchenoberen vertuschen, und sie alle kommen trotz enormer Schäden für die Gesellschaft ungeschoren davon.

Oder was ist mit der Familie – als letztem Rückzugsort einer Welt gegenüber, die verlogen und gierig nur noch zum Konsum aufzufordern scheint? Auch der Schutzraum der Familie bricht weg: Beide Elternteile müssen arbeiten, es bleibt keine Zeit mehr für gemeinsame Rituale -wie zum Beispiel das Treffen am gedeckten Tisch, wo man sich austauscht, zuhört, aufmuntert und lachen kann, weil man sich wohl und sicher fühlt.

Da gerät der Glaube an die Vertrauenswürdigkeit in die großen Institutionen der Gesellschaft natürlich heftig ins Wanken. Ironie und Zynismus feiern stattdessen eine Party nach der anderen.

Und wer ist schuld an der Misere? Nicht die Verursacher, nein, die Fremden sollen es sein. Und in kleinem Kreis, im Club, im Verein, in der Kneipe verständigt man sich genüsslich unter Kumpeln: Ist doch klar, oder?

Und die jungen Leute, die zur Zeit im Hambacher Forst in Baumhäusern wohnen, haben weder eine Hausrats- noch eine Brandschutzversicherung. Ist doch klar, dass da die Polizei und die Feuerwehr eingreifen müssen! Auf die ist wenigstens noch Verlass!