03 März

Leseprobe zum Roman – Die fast schon vergessene Botschaft vom Glück # 81

Die Villa Marcellina zwischen Hoffen und Bangen

Marcellus dunkle Augen strahlen voller Zuversicht. Julian und Philippos sehen das gerne. Ihnen kommt nämlich mehr und mehr die Zuversicht abhanden. Nicht so dem alten und stolzen Römer.

Wir haben große Pläne, mein Sohn. Wir müssen nur noch den Göttern opfern, dann wird neue Hoffnung unser Fatum gebären.“

Julian ist sich gar nicht so sicher wie sein Vater. Unsichere Blicke wechselt er mit seinem Lehrer, Philippos. Aber er will nicht kleinmütig scheinen.

Ihr habt lange getagt, in der Bibliothek. Unsere Nachbarn sah ich dann vergnügt und lachend davon reiten. Sie haben Deine Vorschläge gut aufgenommen. Das freut mich.“

Philippos versucht auch ein kleines Lächeln dazu.

Unsere stolze und ruhmreiche Geschichte lehrt uns, dass nach Zeiten des Niedergangs immer wieder ein neuer Aufschwung möglich war. Wenn Männer kühn und furchtlos an sich und unsere Götter glaubten. Nicht wahr?“

So ist es, mein Lieber. Und meinen Sohn hast du in dieser Gewissheit erzogen, belehrt. Er wird die Größe und den Reichtum unserer Familie weiter tragen“, erwidert Marcellus. Nach kurzem Nachdenken fällt ihm auch gleich ein gutes Beispiel ein:

Denkt doch nur an die Belagerungen Roms in der ruhmreichen Vergangenheit der Väter und Vorväter!“

Schon, Vater, aber da gab es immer noch den Senat in Rom, der neue Legionen ausheben konnte und die Ehre wiederherstellte.“

Philippos spürt sofort den Unwillen, der sich im Gesicht von Marcellus zeigt. Er muss vermitteln – wie immer schon.

Mein Herr, Julian und ich haben letzthin erst über die vielen Plünderungen Roms…“

Da unterbricht ihn Marcellus unwirsch:

Mein lieber Philippos! Vielleicht wären Marathon und Salamis bessere Vorbilder für uns in diesen Tagen. Außerdem ist das Wiederholen der griechischen Grammatik und Wörter eine sinnvolle Übung sowieso. Nicht wahr?“

Julian fühlt jetzt auch, wie der Vater seinen Unmut versucht klein zu halten. Und er möchte einfach nicht, dass sein Lehrer wegen ihm Ärger bekommt.

Eine gute Idee, Vater! Gerne lesen wir im Thukydides noch einmal nach, was für unglaubliche Siege ein starker Wille in einem Volk erzeugen kann – auch gegen scheinbar unüberwindbare Gegner, wie es damals die Perser waren.“

Plötzlich steht Somythall vor seinem inneren Auge. Warum gerade jetzt? Warum gerade sie? Julian spürt, wie ein leises Zittern durch seinen Körper huscht. Sie hat ihn verzaubert, seit sie vor dem Bild der Göttin zusammen gebetet haben. Amor hat ihn erwischt. Ihretwegen will er an einen guten Ausgang glauben, ihretwegen.

Gleichzeitig steht ihm aber vor Augen, wie auch das mächtige Augusta Treverorum längst an die fränkischen Machthaber verloren ging. Wie sollen sie denn ohne Unterstützung aus Arelate – von Rom ganz zu schweigen; war es doch eben erst von den Ostgoten verwüstet und entvölkert worden – wie sollen sie denn da erfolgreich Widerstand leisten können? Als hätte sein Vater seine Gedanken gelesen, hört er ihn auch schon erwidern:

Ich weiß, ich weiß. Rom von diesem Unhold Totila überrannt, Trier schon länger von den Franken in Besitz genommen. Wo soll da Hilfe her kommen?“

Mit großer Geste erhebt sich Marcellus – und wie es der Zufall will, sieht ihn sein Sohn jetzt gerade zwischen Diana und Apoll stehen; das große Wandgemälde war ihm schon immer eines der liebsten hier in der Bibliothek. In die unangenehme Stille hinein gibt Marcellus selber die Antwort auf seine Frage:

Wir, wir sind es, die helfen können.“

Aber wie denn, fragt sich Julian. Dabei schaut er entgeistert zu seinem Lehrer. Wie denn?

14 Feb.

Leseprobe zum Roman – Die fast schon vergessene Botschaft vom Glück – Blatt # 78

Blatt # 78      Heimlicher Kriegsrat in der Villa Marcellina

Während in Lutetia längst beschlossen ist, die Villa Marcellina im kommenden Frühjahr von Pippin und seinen Mannen im Namen Christi zur Hölle zu schicken, kommen dort an dem Tag, an dem Bischof Arnulf Pippin ein Angebot macht, das dieser nicht ablehnen kann, drei Senatoren zusammen, um gemeinsam zu beraten, wie sie sich gegen zunehmende Willkür der Frankenkönige zur Wehr setzen könnten.

Julian hat für seinen Vater und die beiden Gäste in der Bibliothek ordentlich heizen lassen. Philippus, sein Lehrer, wollte eigentlich weiter mit ihm in Lukrez‘ De Rerum Natura lesen, aber den beiden war klar, dass dieses Treffen jetzt wichtiger war.

Da sitzen sie nun, die drei ehrwürdigen Herrn, eher ratlos und sehr besorgt. Die Ruhe im Lande ist lediglich dem Winter gezollt und nicht einem wirklichen Frieden zwischen den alten Eliten und den Emporkömmlingen aus Lutetia. Das ist ihnen völlig klar. Aber was können sie tun? Zu oft schon wurden Verträge gebrochen, zu oft schon Recht gebeugt. Marcellus legt gerade seine Sicht der Dinge dar:

„Freunde, Verlass ist nur noch unter uns dreien sicher. Die neuen Herren und ihre neuen Priester schauen verächtlich auf uns und unsere Villen und Ländereien. Unsere Götter scheinen uns zu zürnen, der alte Prokunsul in Arelatum wird uns keine Legionäre schicken.“

„Ist er nicht schon tot?“ fragt Barbinius Clarus in die Runde. Gajus Antoninus und Marcellus ziehen nur die Schultern hoch. Sie wissen es nicht. Warum sollen sie sich auch mit schlechten Nachrichten aus der Hauptstadt der Provinz beschäftigen? Wenn überhaupt, dann können sie sich nur noch selbst helfen. Und da die Ernte auf ihren Feldern im Herbst gut gewesen war und sie bestens verkaufen konnten – an Römer wie Franken – haben sich ihre Geldmittel unerwartet vermehrt.

„Wir sollten vielleicht unsere Sklaven im Bogenschießen unterrichten“, beginnt Marcellus. Seine beiden Gäste nicken – wenn auch erstaunt. Auch Julianus und Philippus, die stumm im Hintergrund des Lesesaals zuhören, sind überrascht. Für einen Augenblick träumt er davon, dass sie alle mit der Freiheit belohnt werden. Da meldet sich Gajus Antoninus zu Wort:

„Und geheime Waffenlager sollten wir umgehend einrichten und die Mauern erhöhen und verbreitern.“

„Da stimme ich dir zu, Gajus, aber dafür benötigen wir Jahre.“

„Und wie wäre es mit einer List?“ fragt Barbinius schmunzelnd.

Julianus horcht auf: Was könnte das für eine List sein? Verschwörerisch stecken die drei alten Senatoren die Köpfe zusammen, und ihr Gespräch, das sie nun ganz leise zu führen beginnen, sollte während des Winters noch große und überraschende Veränderungen ins Werk setzen.

05 Jan.

Leseprobe zum Roman: DIE FAST SCHON VERGESSENE BOTSCHAFT VOM GLÜCK

Blatt 76                05-01-18

Das Treffen zwischen Bischof Arnulf und dem Gefolgsmann Pippin

Männer stehen ihre klammen Hände wärmend an kleinen Feuern. Die Steinmetze schauen verächtlich rüber zu ihnen: Diese Faulenzer. Quader für Quader und Steinblume für Steinblume, so hauen sie pure Schönheit aus dem groben Gestein. Der Meister, Rimgard, achtet bei seinen Lehrlingen auf jeden Schlag: Langsam, langsam und behutsamer, das ist täglich seine Botschaft. Die verängstigten Lehrlinge zittern schon. Vom Meister gestraft oder gar davon gejagt zu werden, das tut weh. Am hölzernen Kranrad schreit sich gerade der Vorarbeiter die Kehle wund:

„Passt doch auf, ihr Idioten! Die Hölle ist euch sicher, wenn auch nur ein Block herabstürzt. Was sag ich, die Hölle, in unzähligen Höllenfeuern sollt ihr schmoren, ihr Idioten!“

Gerade wollen die Männer an den Feuern lauthals loslachen, da sehen sie den Bischof heranreiten. Sofort rennen sie zu ihren Arbeitsplätzen und mimen die eifrigsten Bauleute, die man sich denken kann. Eine kleine Rabenschar steigt erschrocken auf und kreist über der großen Baustelle. Von oben könnten sie schon die Ausmaße des Hauptschiffes erkennen, auch der anschließende Grundriss des Kreuzgangs wäre ihnen ins Auge gefallen, wenn sie dafür einen Blick hätten. Stattdessen halten sie Ausschau nach Essensresten.

Der Architekt tritt gerade aus dem unfertigen Gemäuer, geht ehrfürchtig in die Knie, als Arnulf aus dem Sattel steigt. Der hat es eilig:

„Schon gut, steht auf, Meister Wisigund, wir wollen euch nicht in eurer Arbeit stören. Ich will Pippin nur kurz zeigen, was sich hier zur Ehre unseres christlichen Gottes gerade so tut.“

Mit gönnerhafter Geste schickt er Wisigund wieder weg. Dabei dreht er sich breit lächelnd zu Pippin um, der auch gerade absteigt und sich fragt, was das alles soll. Kein Wort hatte der Bischof mit ihm geredet, als sie sich unterwegs trafen und dann gemeinsam weiter ritten.

„Wir stehen hier an einer bedeutsamen Stelle, Pippin. Der König möchte, dass hier die neue Grablege der Königsfamilie entsteht. Dementsprechend eindrucksvoll und natürlich Gott preisend soll dieser Tempel der Kirche werden. Was sagst du dazu?“

Pippin traut dem Braten nicht. Was hat Arnulf vor, warum zeigt er mir diese langweilige Baustelle?

„Großartig, großartig“, so hört er sich selbst antworten. Huldvoll winkt Arnulf gerade seinen Baulauten zu, die sich demütig verneigen. Auch der Vorarbeiter tut jetzt so, als wenn alles bestens wäre. Pippin friert. Er bräuchte wärmere Kleider für den Winter. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Und ein Haus, ein eigenes, mit Pippa. Ich hasse diesen eingebildeten Bischof. Ich hasse ihn, knurrt er in sich hinein. Ich hasse ihn so sehr.

„Es freut mich, dass es dir gefällt. Noch mehr wird dir sicher gefallen, was ich mir für dich ausgedacht habe.“

Breit grinsend steht der Bischof vor dem frierenden Pippin, der nicht weiß, ob er sich freuen oder Angst haben soll.

„Für mich?“ fragt Pippin ehrlich überrascht. Nebeneinander gehend gelangen sie gerade zu der kleinen Gedenkkapelle für den heiligen Mann und Märtyrer Dionysius, dem auch der neue Tempel geweiht werden soll. Pippin interessiert das überhaupt nicht. Er möchte endlich wissen, was dieses Treffen hier soll.

Bischof Arnulf bleibt vor der offenen Kapelle stehen und wendet sich nun mit einer Ernst und Bedeutung vortäuschenden Mimik an den ratlosen Frankenmann Pippin.

„Wir stehen hier an einem wichtigen Ort. Der König macht diesem Dionysius eine Schenkung nach der anderen. Was da hinten gebaut wird, wird einmalig sein. Groß, erhaben, unseren christlichen Gott zum Wohlgefallen. Und genau hier möchte ich dir verkünden, was der König (Arnulf ist natürlich klar, dass der König davon gar nichts weiß, zum Glück) und ich uns ausgedacht haben – als Anerkennung für deine tollkühne Mithrasaktion.“

Arnulf hält inne. Er will die Wirkung im Gesicht von Pippin studieren, sich freuen an der inneren Gespanntheit seines Gegenübers. Der ahnt nichts Gutes. Mit fragendem Blick starrt er den verhassten Mann zähneknirschend an. Und schweigt.

„Mein Gutspächter Brodlyn versinkt in Misswirtschaft. Der König und ich haben uns deshalb entschlossen, dir dieses Gut als Pächter anzuvertrauen.“