Europa – Verraten und verkauft (Meditation # 39)
Warum die Schlange Kaa auf den Nachnamen Obama hört…
„Wollen wir nicht Freunde sein?“ Wir kennen doch alle diese atemberaubende Szene im Dschungelbuchfilm, in der Mogli – übel stranguliert von der Schlange Kaa – in die irrlichternden Augen dieses mächtigen Untiers blickt und nicht weiß, wie er da wieder rauskommen soll, denn sein letztes Stündchen scheint geschlagen zu haben. Die so unangenehm säuselnd heraus gezischelte Frage lässt dem Betrachter das Blut in den Adern gefrieren – so verlogen, so gemein, so hinterhältig ist der Kontext in dieser üblen Gewaltsituation.
So oder so ähnlich (natürlich heutzutage viel vornehmer und viel raffinierter noch als damals die Schlange Kaa) klingeln dem misstrauischen Europäer die Schmeicheleien Obamas im Ohr, die er wie bunte Perlen auf einer billigen Kette der Prinzessin Europa verführerisch um den Hals zu legen weiß. Und die weiß gar nicht erst, wie ihr geschieht. Läuft rot an, verhaspelt sich und lächelt bemüht, denn mit so viel Aufmerksamkeit und Entgegenkommen hatte sie wohl gar nicht gerechnet. Aber nicht nur die Schmeicheleien erinnern an diese Film-Schlange, nein auch die bedrohliche Strangulierung ließe sich leicht ins Bild fügen: Hat er nicht auch sorgenvoll gewarnt, dass nur eine Einheit á la USA den Unwägbarkeiten dieser Tage, die von Überfremdung, Gewalt, Rassismus und Fundamentalismus gekennzeichnet sei, erfolgreich werde Widerstand leisten können. Und nicht den Nachsatz dabei vergessen: Andernfalls drohe übelstes Ungemach, Zerfall, wenn nicht gar Schlimmeres. Also sollten sich die insularen Europäer genauso wie die auf dem Kontinent vertrauensvoll dem alten Freund – und er will es für immer sein, gelobt er voller triefendem Pathos – anvertrauen und gemeinsam mit ihm (denn nur so wären die Bedrohungen dieser Tage zu meistern!) eine solidarische und gewappnete Gemeinschaft sein, die nicht des schnöden Mammons oder anderer materieller Interessen wegen („hört, hört!“), sondern nur als Lichtgestalten und Weiterfechter der großen europäischen Ideen der Aufklärung und der Französischen/Amerikanischen Revolution den Kampf für Freiheit und Demokratie auf dem gesamten Globus gemeinsam weiter voran treiben können.
Natürlich kein Wort von TTIP, von den Unwägbarkeiten und denkbaren Strangulierungen europäischer Standards, die da durch quietschende Hintertüren herein geschmuggelt werden könnten.
„Wollen wir nicht Freunde sein?“
Wie sagt man doch gerne schmunzelnd in Europa genauso wie in Amerika?
„Beim Geld hört die Freundschaft auf!“
(Und strangulieren geht schon mal gar nicht!)
Dann könnte es tatsächlich eine nur gut einstudierte Schmeichelei eines Mannes sein, der die Schlange Kaa und ihr Überredungsprogramm gut und voller Pathos in seine Interessen zu übersetzen versteht. Was er allerdings wohlweislich unterschlägt, ist das Ende der Schlange, an dem ein Widersacher heftig zieht, so dass sie den zitternden Mogli schweren Herzens wieder freigeben muss.
Ende gut, alles gut – im Film wie im Leben?
Das hieße dann, dass die Europäer sehr wohl auf Distanz zum großen Bruder bleiben sollten. Dass der Freihandel eben nicht um jeden Preis erkauft werden sollte. Dass die Außen-Handelsbilanz mit dem großen Bruder doch so schon sehr aktiv und opulent ist und die Europäer vielleicht nicht nur auf Export setzen sollten, sondern die Binnenmärkte stärker in den Focus nähmen, um neue Investitionen, neue Absatzmärkte innerhalb Europas zu erschließen, um Jugendarbeitslosigkeit, Kriminalität, Drogenkonsum und Altersarmut besser in den Griff zu bekommen. Vor Ort.
(Könnte man auch dem neuen Präsidenten in sein Poesiealbum schreiben, wenn er gewählt sein wird)
Und wenn dem einen oder anderen dabei nostalgisch zumute sein sollte, kann er sich ja noch einmal die alte Fassung des „Dschungelbuchs“ reinziehen.